Eine Rezension von Helmut Caspar
Die Verluste sind immens
Hermann Heckmann:
Baumeister des Barock und Rokoko in Brandenburg-Preußen
Verlag für Bauwesen, Berlin 1998, 506 S.
Wenn jetzt vom Wiederaufbau des Berliner oder des Potsdamer Stadtschlosses die Rede ist oder auch herausragende Baudenkmale in Brandenburg-Preußen der Barockzeit gewürdigt werden, fallen Namen wie Memhardt, de Bodt, Grünberg, de Chièze, Schlüter, Eosander, Gerlach, Knobelsdorff, Boumann, Gontard, Diterichs, Unger und Manger. In Zeiten, als sich Kurfürst Friedrich III. zum König in Preußen aufschwang und sich die ehemalige Streusandbüchse zu einem Hort der Musen, ab 1713 unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. allerdings auch zu einem großen Militärlager mauserte, halfen die nicht selten hohe Offiziersstellen bekleidenden Architekten, die Residenzen Berlin und Potsdam, aber auch umliegende Ortschaften wie Köpenick, Caputh, Oranienburg, Königs Wusterhausen und Rheinsberg, mit repräsentativen Bauten auszustatten.
Wie viele andere Barockfürsten, waren auch die Hohenzollern vom Bauwurm befallen. Ihr höchstes Ziel war, die Residenzen repräsentativ auszustatten. So verlangte es den frischgebackenen König Friedrich I. nach einem riesigen Campanile für die damals noch eher kleinteilige Hauptstadt Berlin. Der Bildhauer Andreas Schlüter erlitt mit dem schlanken Münzturm gleich beim Berliner Schloß Schiffbruch und wurde vom Posten des Schloßbaumeisters entbunden; und auch sonst hatte man an der Spree mit ehrgeizigen Turmprojekten wegen des sumpfigen Untergrunds und schlampiger Bauausführung immer wieder Pech. Es gab auch teure Investruinen, wie man heute sagen würde. So hat man den von Gregor Memhardt vor 350 Jahren auf Befehl des Großen Kurfürsten angelegten Berliner Festungskranz, zu dessen Bau die Untertanen zwangsverpflichtet wurden, schon bald wieder beseitigt. Der Verlauf ist heute noch an einer Krümmung im Verlauf der S-Bahn zu erkennen. Bestand hatten hingegen neue Trabantenstädte rund um das alte Berlin-Cölln sowie das Potsdamer Schlösserparadies, mit dem sich Friedrich der Große und seine Nachfolger ein bleibendes Denkmal setzten.
Heutige Kunst- und Heimatfreunde wissen nur mit wenigen Namen von Baumeistern aus jener Zeit noch etwas anzufangen. Dem abzuhelfen und herausragende Leistungen des Städtebaus sowie der Schloßbaukunst, bei der Anlage von Festungen und Kasernen, von Brücken, Kanälen und Straßen in der Zeit zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und dem Beginn des Klassizismus unter Friedrich Wilhelm II., dem Nachfolger des 1786 verstorbenen Alten Fritzen, zu würdigen - das hat sich der Verfasser des reichillustrierten Nachschlagewerks zur Aufgabe gemacht.
Analog zu einem schon erschienenen Sachsen-Band und weiteren Folgen über Barock-Architekten in Thüringen, Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und anderen Regionen würdigt Hermann Heckmann im vorliegenden Nachschlagewerk Baumeister des Barock und Rokoko in Brandenburg-Preußen bekannte und viele unbekannte Architekten, die dem Hof, dem Adel, der Kirche und wohlhabenden Bürgern im Reiche der Hohenzollern zu Dienste waren. Da dieses außerordentlich zerklüftet war, schließt die sinnvollerweise nicht alphabetisch, sondern nach der zeitlichen Abfolge geordnete Sammlung biographischer und werkgeschichtlicher Daten auch entlegene Besitztümer wie Kleve, Schlesien, Franken und das ferne Herzogtum Preußen ein, nach dem die ganze Monarchie ab 1701 heißt. Es werden verschiedentlich auch Tätigkeiten in fremden Fürstentümern erwähnt, weil manche der hier genannten Baumeister mitunter auch in Sachsen, Anhalt und Thüringen oder für den russischen Zaren gearbeitet haben. Im wesentlichen aber würdigt der Autor das Baugeschehen in Berlin und der Mark Brandenburg. Der stattliche Preis von 154 DM scheint angemessen, da das Buch aufwendig auch mit selten zu sehenden Abbildungen (Stichen, Plänen, Fotografien) ausgestattet ist. Für die Westentasche zu groß, ist der Band bestens für weitere Nachforschungen geeignet, zumal er im Anhang auch ganz neue Literatur auflistet.
Schon beim flüchtigen Durchblättern zeigt sich, wieviel von der edlen Bausubstanz in den vergangenen Jahrhunderten durch Abrisse, Kriege, Umbau und Vernachlässigung verloren gegangen ist. Zurückzuholen ist das kaum, auch wenn da und dort von Rekonstruktionen gesprochen wird, als seien diese nur eine Frage des Geldes und des Know-hows. Ersichtlich wird auch, daß einst viel mehr geplant als wirklich gebaut wurde - riesige Schloßanlagen, Herrscherdenkmäler, neue Städte. Der Verfasser hat große Mühe aufgewandt, den Reichtum der Formen und Ideen aufzuzeigen. Die engen finanziellen Ressourcen und das ewige Führen von Kriegen setzten dem hohenzollerschen Bauwurm gewisse Grenzen, wie man bei der Schilderung von Knobelsdorffs Tätigkeit für großartige städtebauliche Projekte Friedrichs II. und an anderen Beispielen erfährt.
In einigen Fällen räumt der Verfasser ein, wenig über Architekten aus der zweiten Linie zu wissen. Künftiger Forschung bleibt es vorbehalten, diese Lücken aufzufüllen, wenn das überhaupt nach der Aktenlage möglich ist. Wo immer es möglich ist, fügt Heckmann seinen Biographien ein Bild des jeweiligen Künstlers bei, sofern vorhanden. Das schafft Nähe. Der Leser wird sich wundern, warum Innendekorateure und Bildhauer wie die für Friedrich II. tätigen Brüder Johann Michael und Johann Christian Hoppenhaupt in das Buch aufgenommen wurden, traten sie doch, wie der Verfasser selbst schreibt, als praktizierende Baumeister nicht in Erscheinung. Schaut man allerdings genauer hin, so ist die Nähe zur Architektenzunft gering, doch hat wenigstens der eine, Johann Michael Hoppenhaupt, Hausentwürfe hinterlassen, und die Pracht preußischer Rokoko-Schlösser wäre ohne die begnadeten Künstler kaum denkbar.
Ein Wort noch einmal zu den Abbildungen. Da viele Bauten nicht mehr stehen, mußte der Autor ins Archiv greifen. Deutlich wird aber nicht in jedem Fall, was Archivbild und was Foto von heute ist. Manche historische Aufnahmen sind unnötig, weil die Gebäude noch stehen. Ein aktuelles Bild wäre hier besser gewesen. Der Leser hat in nicht wenigen Fällen Mühe festzustellen, ob das dargestellte Bauwerk noch vorhanden ist oder ob es zu den Verlusten gezählt werden muß. Bei bekannten Objekten ist das keine Frage, aber es gibt viele wenig bekannte Bauten, bei denen man dies deutlich machen sollte. Dem Autor sei geraten, diesen Service bei den folgenden Architekten-Bänden einzuführen.