Analysen . Berichte . Gespräche . Essays
Karla Kliche
Berliner Orte
gestern - heute - morgen
Betrachtungen zu einer Auswahl neuester und weniger neuer Bild- und abbildungsreicher Bände
Berlin wird Weltstadt - dies ist keine hoffnungsfrohe Behauptung aus der Gegenwart, sondern der Titel eines Bandes, den ich ganz bewußt an die Spitze dieser kleinen Revue von Bänden über Orte Berlins stellen möchte. Autoren hat er drei: den Hof-Photographen F. Albert Schwartz (1836-1906) mit seinen Photos sowie den Kunst- und Kulturhistoriker Harald Brost und last but not least den Spezialisten für Berlin-Geschichte Laurenz Demps. Letztere schreiben im Vorwort zu Recht, daß mit der dem Leben und Werk von F. Albert Schwartz gewidmeten Ausgabe sich eine zweifache kulturhistorische Aufgabe stellte: zum einen dieses Werk zu verorten in der Geschichte des Mediums Photographie und zugleich, und nicht als zweites, einen Beitrag zu leisten zur Geschichte Berlins. Aber keine Berlingeschichte! Denn was wir per Schrift hier über Berlin erfahren, begründet sich durch die dokumentierten rund 300 Photos, die aus der 3 000 Stück umfassenden sogenannten Schwartzschen Sammlung ausgewählt wurden. Entstanden ist ein einfach wunderbares Buch, das nicht aus der Hand legt, wer einmal darin angefangen hat zu blättern. Bild und Schrift machen aufeinander neugierig (und beides verleitet dazu, sich auf die als Vor- bzw. Nachsatz beigegebenen Berlin-Karten von 1871 bzw. 1906 zu orientieren).
Schwartz Arbeiten datieren von 1855-1906, dies war die Zeit der - in Berlin später als anderswo - beginnenden industriellen Revolution, die ihre Spuren im Stadtbild hinterließ, sowie die Kaiser- und Gründerzeit mit ihren brachialen Eingriffen in die überlieferte städtebauliche Substanz. Die Photos zeigen noch, was wenige Jahre später oder unmittelbar nach dem Photographieren (wenn Schwartz gezielt dokumentierte) nicht mehr vorhanden war: mittelalterliche Häuser mit ihren zur Straße stehenden Giebeln, Straßenzüge mit zweistöckigen Bürgerhäusern überwiegend aus dem 18. Jahrhundert - zum Teil schon in Nachbarschaft mit Mietshäusern und Funktionalbauten -, Paläste der alten Residenzstadt, Bebauungen, die neuen Straßenführungen, Warenhäusern, Banken, Verwaltungs- und Repräsentationsgebäuden zum Opfer fielen ... Und: was in den Randbezirken oder vor der Stadt neu entstand - die Industrieanlagen. In dieser zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat sich Berlin so grundlegend verändert wie in keiner Zeit zuvor.
Schwartz Berlin-Photos gelten als die ältesten photographischen Abbildungen Berlins. (Noch frühere, Daguerreotypien, waren auf Grund der Technologie des Entwickelns wenig haltbar und konnten höchstens durch Photokopieren überleben.) Wer war dieser Photograph? Die Verfasser haben durch Archivrecherchen (s. ihr Dank an die verschiedenen Institutionen) alles über ihn Erfahrbare zusammengetragen: die Herkunftsfamilie, die Wohnungen (deren Umfeld er im Bilde festhielt), seine Lehre im Photoatelier des Onkels, die Geschäftseröffnung 1860 und die Profilierung seines Ateliers als Photographische Anstalt und Kunstverlag, bis zu seinem Sohn Rudolf als dem Erben unter den Bedingungen der Massenproduktion von Postkarten. Vor allem aber gilt ihr Augenmerk Schwartz Spezifik als Architektur- und Landschaftsphotograph im Kontext der rasant sich entwickelnden Photographie(r)-Technik (skizziert in einem Exkurs) seit ihrer ersten sensationellen Präsentation in Paris 1839. Architektur- und Landschaftsphotographie war angesichts der boomenden und einträglichen Porträtphotographie ein ziemlich hartes Brot. Der Chronist mit der Kamera, der festhielt, was war, was im Entstehen war und was vor dem Abriß stand (hierzu studierte Schwartz alle einschlägigen Verlautbarungen), hatte es durchaus schwer, anerkannt zu werden mit seiner Intention, sich Veränderndes wenigstens im Bild zu bewahren. Mit der Stadtverordnetenversammlung hatte der Magistrat, so zeigt ein aufschlußreiches Dokument, langwierig zu verhandeln um die Bewilligung einer Summe für photographische Aufnahmen der zum Abbruch bestimmten Gebäude oder Stadtteile. In einem Brief von 1866 an den Magistrat schlägt Schwartz vor, daß er dies bis zur endlichen Bewilligung der Gelder zunächst auf eigenes Risiko tun werde ...
Die Dynamik der Entwicklung Berlins in diesen 50 Jahren wird in aller Eindringlichkeit dargestellt im ersten Abschnitt, Das Werden einer Weltstadt im Fokus eines Photographen, indem beispielsweise Aufnahmen derselben Orte im zeitlichen Abstand ausgewählt wurden oder auch ein damals einzigartiges Verfahren von Schwartz veranschaulicht wird: zum Beispiel die Bilder von der Sprengung des alten Doms - davor, während und danach -, die die Verfasser aus einer Serie von 30 Aufnahmen, einer Art Film, ausgewählt haben. Die Fülle des weiteren Materials ist thematisch geordnet unter der Überschrift Berlin - Schauplatz siebenhundertjähriger Geschichte sowie nach Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, die von Fabriken, Comptoire und Manufakturen reichen bis Gaststätten, Kneipen und Brauereien.
Bücher haben ihre Geschichte. Auch dieses. Deshalb sei wenigstens zum Schluß erwähnt, daß dieser Band keine Neuerscheinung ist, sondern eine 2. überarb. Auflage. Die erste erschien 1981 im Verlag Edition Leipzig. Das war ein Verlag, der vorrangig für den Export produzierte, nur Teile der Produktion waren für den DDR-Buchmarkt bestimmt (die Anmerkung zur 2. Auflage läßt das mit der Formulierung durchblicken Freundschaftsbeweise für das Organisieren eines Exemplars). In der erwähnten Anmerkung erfahren wir auch, daß eine Übersetzung durch den weltbekannten Photographen Max Feininger daran scheiterte, daß Harald Brost die DDR verließ und damit den Band als No-name-Book auf den Index brachte. Übrigens: Was hier wie eine Art Schuldzuweisung klingt, haben die Autoren der Anmerkung in feinsten Formulierungen vermieden. Und das spricht für ihre Behauptung, daß sie nach fünfzehnjähriger Trennung keine Verständigungsprobleme hatten und eine gemeinsame kulturelle Pflicht darin sahen, mit der Nachauflage - angesichts des neuerlichen Anspruchs Berlins - die Kontinuität einer von Bruch zu Bruch eilenden Weltstadt anzumahnen.
Die Veränderungen der überarbeiteten Auflage - für die Ergänzung um ein Objektregister ist der Leser dankbar - sind ansonsten wirklich kaum der Rede wert. Bis auf eine Stelle, die auf die Zerstörungen des Krieges verweist und darauf, daß die Mehrzahl der Gebäude von historischem und kulturgeschichtlichem Rang im Ostteil der Stadt lag. Die meisten von ihnen wurden unter hohem Aufwand getreu den Prinzipien der Denkmalpflege wiederaufgebaut - heißt es in der Ausgabe von 1981. 1997 ist daraus geworden: Nur einige von ihnen wurden wiederaufgebaut, andere, wie z. B. das Schloß, wurden abgerissen. Abgesehen davon, daß es deutlicher wäre, hier ausdrücklich von Schloß-Ruine zu sprechen, ist dem Widerspruch zwischen die meisten und nur einige - fernab jedem Propagandistischen - nur mit sachlicher Bilanzierung zu begegnen. Ich jedenfalls habe beim Lesen einer Reihe von Bildunterschriften gestaunt, wieviel zum Teil nur wenige Jahre nach dem Krieg mit hohem Kostenaufwand wiederaufgebaut wurde ...
In der ersten Auflage erschienen ist ein Band über die Oranienburger Straße. Er steht in einer Reihe von Büchern über Berliner Straßen und Plätze - den Gendarmenmarkt (1987), den Schiffbauerdamm (1993), die Wilhelmstraße (1994), den Pariser Platz (1995) - vom selben Autor: Laurenz Demps.
Doppeltes Interesse muß diesen Forscher, der die Ergebnisse seiner minutiösen Recherchen in so spannender Weise einem breiten Publikum zu vermitteln vermag, getrieben haben: zum einen dem neuesten Ruf dieser Gegend als geile Meile und vor allem dem Bemühen, daraus gar eine Traditionslinie herzuleiten, so als ob die Geschichte zurückgekommen sei, durch die sorgfältige Rekonstruktion der Entwicklung dieses Stadtraums entgegenzuwirken.
Das zweite Interesse scheint mit dem Urtrieb des Forschers zusammenzuhängen; er ist neugierig, dieser seiner Wahrnehmung auf den Grund zu kommen: Doch irgendwie hat sie (die Oranienburger Straße) keinen rechten Anfang und führt auch nirgendwo hin. Sie beginnt schmal vor dem einstigen Spandauer Tor, um sich dann ... zu öffnen und am Ende ... in die Friedrichstadt zu münden, ohne sich darüber hinaus fortzusetzen - kein Stadttor nahm anscheinend den Verkehrsweg auf, orientierte ihn in irgendeiner Weise. Für die Ursache der spitzwinkeligen Einmündung in die Friedrichstraße hat er - erhärtet durch einen ähnlich unerklärlichen Verlauf der Kleinen Hamburger - eine These (die aber hier nicht verraten werden soll). Was den Irgendwie-Anfang der Straße betrifft, sind dem vor allem die beiden ersten Kapitel und das vierte gewidmet. Sie zeigen, wie etwas auf den Beginn der Besiedelung dieser Gegend um die ehemalige Spandauer Heerstraße (so hieß die Oranienburger früher und war - nicht zuletzt - der Fluchtweg des Hofes zur Festung Spandau) Einfluß gehabt hat, was sich heute als Nichts präsentiert: das Schloß Monbijou. Entstanden auf dem Gelände einer ehemaligen kurfürstlichen Meierei in sumpfigem Gelände aus einem Sommerhaus, als barockes Lustschloß verschiedensten Besitzern zueigen (vor allem den Königinnen), im Krieg schwer zerstört, wurde 1960 die Existenz von Schloß Monbijou mit dem Abriß der Ruine beendet.
In den historischen Blick genommen wird nicht nur die Straße selbst, sondern vieles des (späteren) Stadtraumes, der von der (späteren) Friedrichstraße bis zur Großen Hamburger reicht. Und in seiner bewährten Methode senkt Laurenz Demps an den diesen Raum prägenden Phänomenen die historische Sonde in die Tiefe, das sind: die Freihäuser, die Manufakturen, die Kasernen, die Freimaurerloge, die Synagoge, die Post und ihre Einrichtungen, der Handwerkerverein, das Warenhaus W. Wertheim/Haus der Technik. So entsteht Geschichte aus Geschichten, angefangen mit der Geschichte der wechselnden Besitzer der jeweils in Rede stehenden Grundstücke/Gebäude, über Intrigen am Hofe, Politisches, Kurzporträts einzelner Persönlichkeiten und Gesellschaften/Vereine, Spekulationen, Bebauungspläne - realisierte und nichtrealisierte -, Besiedelungsschübe usw. bis hin zu den Umständen der Planung, des Baus und des Schicksals des Passage-Kaufhauses fast in der Spitze zwischen Oranienburger- und Friedrichstraße (Haus der Technik), was zu des Autors (und nun auch des Lesers) Verwunderung in den Auseinandersetzungen um das Tacheles keine Rolle spielt(e). Derart wird dieser (Stadt-)Raum in seinen städtebaulichen, ökonomischen, soziologischen, kulturellen Dominanzen und vor allem Beweglichkeiten vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart erfaßbar.
Drei Kapitel sind quasi Bilanzen, eines heißt An der Wende zum 19. Jahrhundert und charakterisiert den Raum um die Oranienburger als nunmehr vorstädtische Züge tragend, mit seinen Gartenlokalen und Geselligkeiten ein Anziehungspunkt für die Berliner Bürger und von Gewicht für die Ausbildung Berliner Besonderheiten bürgerlicher Kultur: z.B. die von Johann Friedrich Corsica arrangierten Musikveranstaltungen; die die sprichwörtliche Berliner bürgerliche Geselligkeit mitprägende Ressource zur Unterhaltung und deren Geschichte.
Ebenfalls einen geschichtlichen Zeitraum für die Oranienburger bilanzieren die Kapitel Das Zwischenspiel von Weimar und unter dem Hakenkreuz sowie Die DDR-Zeit. In den zwanziger Jahren behielt die Oranienburger Straße ihren vornehmen Charakter, heißt es (S. 159). Ein erstaunliches Detail: Eine Woche vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler wurde das Jüdische Museum neben der Neuen Synagoge eröffnet... In diesem Kapitel erfährt auch die um die Neue Synagoge zentrierte Darstellung der Geschichte jüdischen Lebens in Berlin ihre Fortsetzung: dessen Zerstörung. - Nach dem Krieg erhielt die Oranienburger Straße Zuwendung nur im Hinblick auf Lebensnotwendiges, etwa bestimmte Posteinrichtungen. Die damalige (nicht nur DDR-spezifische) Ablehnung des wilhelminischen Baustils nennt Demps als einen der möglichen Gründe, warum solche die Straße seit dem Ende des 19. Jahrhunderts prägenden Gebäude (etwa Postfuhramt oder Paketpostamt) keinen oder wenig Wiederaufbauwillen erfuhren. Als Fazit der DDR-Zeit formuliert der Autor: Die gesamte Straßengegend ... war bis zum Ende der DDR und darüber hinaus ungepflegt geblieben. Spuren des wachsenden Verfalls zeigten sich deutlich. Das kann wohl niemand bestreiten. Sprang dies doch geradezu ins Auge, als 1988 symbolisch der Grundstein für den Wiederaufbau der Restsynagoge gelegt wurde.
Bis auf die unmittelbare Nachwendezeit, als sich die Ostszene in dem schmuddeligen Ambiente der Oranienburger Straße ansiedelte und der - an dem Eck Linien-, Oranienburger, Friedrichstraße nie ganz verschwundene - Straßenstrich sich kurzzeitig etablierte, konnte also der Historiker keine Belege finden, was den Ruf der Oranienburger Straße als geile Meile geschichtlich rechtfertigen könnte. Und er zeigt, wie auch das, was diesen Ruf hervorgebracht hat, bereits wieder im Verschwinden ist. ... die Adresse Oranienburger Straße ist wegen ihrer Geschichte dazu prädestiniert, schreibt er in einem vorsichtigen Ausblick, internationalen Charakter anzunehmen, und da können dann vermutlich nur wenige mithalten, denn solche Entwicklung ist preisfördernd für Bauwerke und Grundstücke.
Eine Zukunft für die Karl-Marx-Allee - in diesem Titel steckt alles, was der großformatige Band, ausgestattet mit einer Fülle von Photos, intendiert. Er konstatiert, daß die einstige Prachtstraße des Sozialismus, an der sich die Geister schieden - Pathos auf der einen, Häme auf der anderen Seite -, eine Zukunft hat. Zu lesen ist er aber auch als eine Forderung, und hinter ihr verbirgt sich die Problematik von Denkmalschutz und damit der möglichen Gefahr eines Denkmals ihrer selbst: 1975 war der historische Teil der Karl-Marx-Allee (Strausberger Platz bis Proskauer Straße) unter Denkmalschutz gestellt worden, heute steht die gesamte Allee - errichtet zwischen 1952 und 1965 - auf der Denkmalliste.
Und zum dritten vermittelt der Titel die derzeit (noch) fehlende Gewißheit, in welcher Richtung e i n e Zukunft dieser Allee, in die sich Architekturgeschichte eingeschrieben hat, zu finden ist. Der Autor plaziert sich also in der Mitte des gestern - heute - morgen dieses Berliner Ortes und wägt in der von ihm auch immer wieder angemahnten versachlichten Betrachtung die Gegebenheiten von architekturgeschichtlichem Wert, Denkmalschutzauflagen, finanziellem Rahmen, (Re-)Vitalisierung ab. Die Zukunft der Karl-Marx-Alle ist heute noch offen, schreibt der Autor am Ende seines Berichts über ein Gemeinschaftswerk von Investor (wie bekannt, wurde die Karl-Marx-Alle 1993 an die Immobilienmanagement AG verkauft), dem Planungs- und Architekturbüro Gibbins, Bultmann und Partner, und der Fachabteilung Denkmalpflege, mit dem er die Erfahrungen bei diesem exemplarischen Projekt von Instandsetzung (nicht Modernisierung, die sich auf die Mieten niederschlagen würde!) an Politiker, Wirtschaftler und Baufachleute weitergeben möchte. Zwischen den Alternativen einer Wohnstraße oder eines weltstädtischen Boulevards plädiert er mit diesem Band ausdrücklich dafür, in einer neuen Aufgabe ihren Charakter zwar zu bewahren, ihn aber auszubauen, ihn attraktiver zu machen, ihn nicht zu sehr eingeengt sich entwickeln zu lassen, um das wachsen zu lassen, was ihr noch fehlt: Die Stadtatmosphäre, die der Allee vielleicht die Lebendigkeit vermitteln kann, die ihr seit Anbeginn fehlte.
Seit Anbeginn... Ohne Zuwendung zur Entstehungsgeschichte ist dieses Plädoyer für Zukunft nicht zu machen. Paulhans Peters sichtet sie sehr differenziert. Zum einen würdigt er die Leistung, in diesem im Krieg total zerstörten Zentrum eines ehemaligen Arbeiterviertels binnen Jahresfrist (zunächst) 3000 komfortable Wohnungen bei kaum vorhandenen Ressourcen (z.B. sind die frühen Bauten der Stalinallee fast ausschließlich aus Trümmerziegeln gemauert worden) zu realisieren. Was das architektonische Konzept betrifft, stellt Peters es in die Diskussion der Nachkriegszeit: Nach den in Ost und West vorhandenen Hoffnungen, an die 1933 unterbrochene Moderne anschließen zu können - hier etwa Scharouns Planung für die Wohnzelle Friedrichshain -, geriet auch die Architektur sehr bald in den Kampf der Ideologien. Wie sich das in bezug auf die Stalinallee gestaltete, wird bei der gebotenen Kürze dieses Teils des Buches dennoch außerordentlich differenziert dargestellt, unterlegt mit Dokumenten und Beschlüssen, die den politischen Rahmen vorgaben. Was den Einfluß sowjetischer Baukunst betrifft, ist Peters eindeutig, er verweist nicht auf die deutsche bzw. Berliner Tradition (trotz Zitat der Türme am Frankfurter Tor, der typischen Berliner Rosetten, der Säulen) als der bestimmenden, wie das gern verteidigend getan wurde und wird; er belegt das für die Stalinallee Vorbildhafte der stalinistischen Palastbauten- und Prachtstraßenarchitektur der 30er Jahre. Und gerade was die vielbeschworene nationale Tradition betrifft, formuliert als zentrale Vorgabe, war man in den erläuternden Ausführungen dazu, so zeigt er, sehr vage (z. B. träfe auf den als vorbildhaft hingestellten Klassizismus Schinkels eher der Vorwurf des verfemten Kosmopolitismus zu!). Um die Differenzierungen des Autors hier nicht wieder auf Formeln zu bringen, seis genug zu diesem Teil (der des weiteren auf die Wettbewerbsausschreibung, die Wohnungsqualität, die Hinwendung zur industriellen Bauweise sowie den Plattenbauten-Abschnitt der Allee aus den 60er Jahren eingeht). Bis auf eines: Peters sieht in der Moderne wie im historisierenden Monumentalismus Ideologie am Werke, beide ignorieren den wirklichen Menschen. Interessant sein Hinweis, daß die hier ausschnitthaft wiedergegebene Charta von Athen, die Bibel der Moderne, 1933 formuliert von Le Corbusier, inzwischen kritische Relativierung erfahren hat: Wir sind in der Postmoderne, Zitate und Eklektizismen haben einen anderen Stellenwert erhalten. Die strikte Trennung zwischen den Sphären Wohnen, Arbeiten, Freizeit (Einkauf) hat sich überholt, die Straße als die Urbanität gewährleistender, die Stadt seit ihrer Entstehung prägender Bauraum hat wieder an Gewicht gewonnen (spiegelt sich das nicht sogar bei den Hochbauten am Potsdamer Platz?). Demgegenüber wurden die (ebenfalls dokumentierten) 16 Grundsätze des Städtebaus von 1951 - Ergebnis der Studienreise einer Delegation des DDR-Ministeriums für Aufbau in sowjetische Städte - unbekannterweise heute längst zu Richtlinien für städtebauliche Entscheidungen in ganz Deutschland, wie Paulhans Peters formuliert. Zur Kenntnis genommen hat der Westen sie erst 1990. (Der vergleichende Blick wird im übrigen an zahlreichen Stellen gen West geworfen und bringt durchaus erstaunliche Ähnlichkeiten zum Vorschein, vom Stand der Bautechnologie über Verkaufseinrichtungen der Nachkriegszeit bis zur - nun gesamtdeutsch - Problematik, die über Jahrhunderte tradierte Gebiets-Parzellierung aufzuheben, um einheitliche Straßenzüge zu plazieren - zuletzt Neubebauung Friedrichstraße.)
Das Gewicht der Darstellung liegt auf der Bewältigung der Schwierigkeiten und Zwänge bei der Instandsetzung der Gebäude mit Blick auf die Zukunft dieses Straßenraums. Als Beispiel dienen die Blöcke C-Süd und C-Nord, entworfen von Richard Paulick, die sich bereits im neuen alten Kleid präsentieren. Ein dokumentierter Briefwechsel zwischen Planungsbüro und der Fachabteilung Denkmalpflege beim Senat vermittelt einen Einblick in die Zähigkeit des Ringens, zu verantwortbaren Kompromissen zu gelangen, die das Bild und die historische Einmaligkeit dieser Berliner Allee erhalten, in diesem Sinne Denkmalschutzvorgaben kritisch auf die Notwendigkeit ihrer Einhaltung zu befragen, was heißt, gegebenenfalls - natürlich auch aus Kostengründen, aber auch, um nicht Bau- und Materialfehler zu wiederholen - Varianten zu entwickeln (optisch buchstabengetreu), die dann höchstens dem versierten Betrachter auffallen. Was ist besser: tragfähige Kompromisse zu entwickeln oder auf Denkmalschutz pur zu beharren, der dann nicht bezahlbar und somit unrealisierbar ist? Wofür der Autor plädiert, ist wohl inzwischen deutlich geworden.
Womit wir bei den Kacheln sind, die zum Symbol der Fassadenhaftigkeit dieser Prachtbauten des Sozialismus wurden. Der Autor begründet, warum dieser schwerlastige, großflächige Schmuck schon nach kurzer Zeit in Teilen abfallen mußte. Vor allem aber stellt er ausführlich dar, welche Technologien gefunden wurden, den vielfältigen Keramikschmuck überhaupt - den originalen wie den originalgetreu nachgebildeten - am Mauerwerk zu verankern, und zwar nur auf der Straßenseite. Die Hofseiten, schon beim Aufbau eher vernachlässigt, wurden nun konsequent nur verputzt, mit dem Nebeneffekt, daß hier eine ausgesprochen moderne Struktur sichtbar wurde (vgl. Photo S. 94). Wie im Fall des Keramikschmucks zeigen die Abschnitte zu den anderen Elementen der Bauten - Dächer, Dachaufbauten, tragende Mauern, die Gebäude von innen (etwa die Foyers, die Fahrstühle im Zusammenhang mit Sicherheitsstandards), die Ladenzonen - den Vorher-Zustand sowie die einerseits den denkmalschützerischen Anforderungen gerecht werdende, deren jeweilige Auf- und Notwendigkeit aber kritisch reflektierende Lösungen. Hier können sich Spezialisten mit Sicherheit Anregungen holen, aufschlußreich aber auch für diejenigen Leser, die am Schicksal der Allee interessiert sind. Als unzureichend - weil unbefriedigend- gelöst gilt übrigens das Problem der Fenster.
Die vielfach ganz- oder sogar doppelseitigen Photos von Michael Lindner haben in diesem Band eher Funktions- als Selbstwert. Sie veranschaulichen vor allem. Doch eben das tun sie vorzüglich. Unter anderem bringen sie nahe, daß dieser Straße die städtebauliche Einbindung ins Umfeld fehlt, hier aber nicht wild drauflos projektiert werden sollte, sondern in konzeptioneller Abstimmung mit einer Zukunft der Karl-Marx-Allee; desgleichen die Problematik der sechsspurigen Straße bei fehlendem Parkraum und die der denkmalgeschützten Grünan lagen.
Ist dieser Band nicht auch PR für den Investor und das Planungs- und Architekturbüro? Sicher. Aber warum nicht, wenn es in dieser sachlichen, abwägenden Weise geschieht.
Ein weiterer Mythos (Klappentext) ist der Ort im folgenden Band: Der Alexanderplatz. Allerdings sagt die Titelgestaltung das nicht ganz so eindeutig. Die graphische Verschränkung beider Namen läßt nicht recht deutlich werden, was im Vordergrund steht bei Das Alexanderhaus. Der Alexanderplatz. Und so war die Entstehungsgeschichte: Dokumentiert werden sollte - auch hier - die Instandsetzung des Alexanderhauses von Peter Behrens, doch das führte zwangsläufig zur Auseinandersetzung mit der Geschichte des Platzes und dem Wunsch einer solchen Dokumentation auch im Spannungsgefüge von Platz und Umgebung, wie der Herausgeber Hans-Joachim Pysall im Vorwort schreibt.
Alex, wo bist du? Diese Frage (S. 145), die der Herausgeber aktuell stellt und dieser von einigen Teilnehmern des letzten Wettbewerbs (1992) als durchaus erkannt wertet und bedauert, daß ihre Entwürfe unberücksichtigt blieben, steht wohl im Zusammenhang mit dem Mythos. Dieser ist sicher in nicht geringem Maße Döblins Berlin Alexanderplatz geschuldet, vielleicht auch der Demo vom 4. November 㥡, entstanden aber war er seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und wurde wesentlich geprägt von den bekannten Bildern chaotisch-großstädtischen Verkehrsgetümmels - bei wechselnden Verkehrsmitteln - auf diesem Platz vor dem Königstor (vorher Oderberger, Georgentor), von dem aus sich seit dem Mittelalter vier überörtliche Straßen durch dieses östliche Stadttor in die Königstraße (Rathausstraße) fädelten.
Was die Geschichte dieses unregelmäßigen Platzes der Königsvorstadt, seit 1805 aus dem bekannten Anlaß Alexanderplatz benannt, im einzelnen betrifft, sei auf die Beiträge von Helmut Engel und Wolfgang Ribbe verwiesen. Hier nur ein Aspekt, der städtebaulich relevant war und in gewisser Weise bis heute wirksam blieb: Die Residenzstadtplanung der Hohenzollern orientierte sich, beginnend mit der Dorotheenstadt, planvoll nach Westen, die östliche vorstädtische Besiedelung um den Platz, historisch genutzt als Parade- und Exerzierplatz und Vieh- bzw. Wollmarkt, und entlang der erwähnten Straßen war demgegenüber spontan.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich derart eine (reiche) westliche und eine (eher ärmere) östliche City herausgebildet. Mit dem Alexanderplatz als Verkehrsknotenpunkt - zu dem Verkehr über den Platz war ab 1871 der Ringbahnbau, 1882 die Stadtbahn und nach 1927 die U-Bahn dazugekommen - verband Martin Wagner, seit 1926 Baustadtrat, seine Idee eines Weltstadtplatzes in einer Wettbewerbsausschreibung: der Alexanderplatz als ein der westlichen City ebenbürtiges Geschäftszentrum. Und damit kommt das Alexanderhaus ins Spiel. Peter Behrens, der 2. Preisträger des Wettbewerbs von 1929, konzipierte und baute das Alexander- und das Berolinahaus als Torbauten zwischen Rathausstraße und Alexanderplatz. Sie sind - neben dem den Kreisverkehr markierenden Rondell- die einzigen Gebäude, die von Behrens Alex-Projekt realisiert wurden, und sie waren die einzigen am Alexanderplatz, die nach den Kriegszerstörungen als wiederaufbaufähig begutachtet wurden (realisiert ab 1950). Der übrige Platz wurde lediglich enttrümmert, er führte ein Randdasein. So blieb der Alex bis in die sechziger Jahre, als zum einen der Plan aus der Nachkriegszeit zum Bau eines Regierungsturms quasi zur Dominante des Fernsehturms (mit den Bezugspunkten Turm der Marienkirche und Hotelturm) mutierte, zum anderen der fertiggestellte westliche Teil der Karl-Marx-Allee eine großzügige Verkehrsanbindung verlangte. Zudem war durch den Mauerbau politisch entschieden, daß die (Wagnersche) Korrespondenz zum Westen obsolet war, der Alex sollte Teil des Zentrums der sozialistischen Hauptstadt werden. Insofern stimmt wohl durchaus, was mich bei Wolfgang Ribbe (S. 41) zunächst irritierte: Der (Alexander)Platz selbst, auf dem als neues Wahrzeichen Ost-Berlins der Fernsehturm errichtet worden ist,... Hier ließe sich die Frage Alex, wo bist du? wiederholen. In der Tat war er durch die Neukonzeption von 1964 quasi zweigeteilt (geblieben), weiträumig begrenzt allein durch die an ihm nun vorbeigeleiteten Verkehrsströme. Es gab den eher leeren südlichen Raum (ein dem Haus des Lehrers korrespondierender, diese Seite akzentuierender Pavillon soll geplant gewesen sein, S. 90) und den als Piazzetta angelegten Raum zwischen Berolinahaus, Hotel und Warenhaus. Der Bahnhof fungierte aber nun nicht mehr als Begrenzung, sondern war höchst durchlässig zur Fußgängerzone der Rathausstraße, zu den Geschäften der Karl-Liebknecht-Straße (wenn auch nur durch die Unterführung zu erreichen!) und eben zum Platz unterm Fernsehturm.
Kein Wunder, daß die Weiträumigkeit - und der Mythos Alexanderplatz - nach 1991 die Investoren auf den Plan rief. Nicht so sehr langfristige Strategien der Stadtentwicklung, so die Autoren Kil/Kündiger, gaben den Ausschlag für die Ausschreibung des Wettbewerbs von 1992, sondern das Drängen der Investoren. Deren Nutzungspläne waren im übrigen dann auch die Ursache für die Projektierung immens in die Vertikale, wie es sicher noch jedem Berliner gut in Erinnerung ist von dem Sieger-Entwurf Kollhoff/Timmermann. Und: Wieder spielte die Korrespondenz zu Dominanten in der Weststadt eine Rolle, diesmal zu den Hochbauten am Potsdamer Platz, wie die Abbildung einer Computersimulation (S. 91) zeigt. Inzwischen hat sich die Investoren-Euphorie in Berlin gelegt, statt Abbruch der DDR-Bauten am Alex wurde zum Teil rekonstruiert, wiederverkauft... Schwebezustand.
Der Erhalt der beiden Torbauten (seit den 70er Jahren auf der Denkmalliste) war Bestandteil auch dieses (bisher?) letzten Wettbewerbs zur Gestaltung des Alex. Das Alexanderhaus hatte Glück, es gab kein Restitutionsverfahren; wenn ich recht verstanden habe, wurde die Landesbank Berlin Eigentümerin (jetzt Bankgesellschaft Berlin), weil im sogenannten Jonass-Flügel (benannt nach einem darin vor dem Kriege untergebrachten Kaufhaus) auch zu DDR-Zeiten schon die Sparkasse ihren Sitz hatte. Die Landesbank betrieb die Wiederherstellung. Beim Parallelbau Berolinahaus liegen die Dinge wohl nicht so günstig, wie sein immer erbärmlicher werdender Zustand zeigt.
Verglichen mit dem frühen Teil der Karl-Marx-Allee, handelt es sich beim Alexanderhaus um ein Baudenkmal der Moderne. Und es gab nach dem Krieg nicht wie da einen totalen Neubau, sondern einen Wiederaufbau des zu 50% beschädigten Gebäudes. Insofern war hier gutachterlich zu prüfen, auf welcher Bauphase die Rekonstruktion zu beruhen habe. Der Herausgeber geht in einem seiner Beiträge der Frage nach, ob der damalige Wiederaufbau eine Wiederherstellung war, und begründet - nicht ohne ausdrücklich auf die Problematik der materiellen Nachkriegslage zu verweisen -, warum die Entscheidung für die originale Behrenssche Version fiel. Doch schloß das auch in diesem Fall ein, daß heute gültige technische Parameter zu berücksichtigen waren.
Die Dokumentation der Rekonstruktion hat in diesem Fall fast noch größeres Gewicht als in dem vorhergehend besprochenen Band. Handelt es sich doch bei der Karl-Marx-Allee um einen Gesamtinvestor eines Ensembles. Beim Alexanderhaus ist das anders, hier hat ein potenter Investor - ganz offensichtlich kostenintensive (von Finanziellem ist keine Rede) - Maßstäbe für das Pendant Berolinahaus gesetzt, für das er hinwieder nicht zuständig ist...
Dieser zweite Teil des Bandes zeigt anschaulich, wie Peter Behrens zur Form der Gebäude im Einklang mit dem Eisenskelettbau - vorteilhaft für industrielles Bauen wie für die Flexibilität der Nutzung - und vor allem zu seiner unverwechselbaren Fassadengestaltung in ihrer strengen und edlen Schlichtheit fand. Auf letztere wird auch in der Darstellung der Rekonstruktion großes Gewicht gelegt (und nur darauf sei hier eingegangen): die aufwendige Wiederherstellung der raffiniert kannelierten Natursteinverkleidung, der Nachbau der quadratischen Dreh- und Kippfenster nach Originalplänen. In jeweiliger Doppelung (an den Giebelseiten Tripelung) eingelassen in ein dreifach abgestuftes Fassadenrechteck (vorgegeben durch die verkleideten Stützpfeiler), geben die Fenster diesem Bau (besser: beiden Bauten!) sein charakteristisches Aussehen.
Der in der Nachkriegszeit verlegte Haupteingang erhielt wieder seinen alten Platz in der zentralen Front, der Zugang zur U-Bahn im 1. Untergeschoß wurde wieder hergestellt, dem 1. Obergeschoß wurde die großflächig gegliederte, oben und unten mit weißem Opakglas abgeschlossene Fensterfront wiedergegeben. Hinter dieser befand sich in den 20er Jahren übrigens das berühmte Aschinger, das bis zum Umzug in das Alexanderhaus sein Domizil im ehemaligen und einst populären Königstädtischen Theater hatte und das nach diesem Umzug abgerissen wurde (eine Postkarte von 1932 zeigt noch beides, S.108). Der Hauptraum von Aschinger reichte bis auf die Südseite, zur Grunerstraße. Diese Rückseite des Gebäudes war beim Wiederaufbau stark vernachlässigt worden, wohl weil sich hier durch Kriegszerstörungen - vor allem durch das Fehlen des Kolossalgebäudes des Polizeipräsidiums - eine städtebauliche Leere bot. Diese besteht nun zwar noch immer, doch wurde in diesen hofartigen Einschnitt im Alexanderhaus ein moderner Anbau eingefügt, der sich selbstbewußt abgrenzt, aber Materialien des Behrensbaus zitiert.
Die Beiträge der zwölf Autoren dieses Bandes mögen - ausgewiesen oder nicht - aus unterschiedlichem Anlaß entstanden sein, es gibt Doppelungen aus differierenden Perspektiven und durchaus auch Widersprüche im Faktischen. Für mich als Leser war auszumachen, wer mit dem Alex gelebt und wer ihn nur in Augenschein genommen hat. Das erstere konkret zu machen war wohl das Motiv des Herausgebers, die (leicht ironische) Erinnerung Dietrich Mühlbergs bzw. Detlev Lücks an den Automat und die Weltzeituhr hier aufzunehmen. Und nicht zuletzt betont Pysall, daß der Versuch, den südlichen Teil des Alexanderplatzes Anfang der 80er Jahre durch die Gaststätten im Erdgeschoß des Alexanderhauses, besonders auch die an der Dircksenstraße, lebendiger zu machen, von den Alexbesuchern angenommen wurde. (Die dortige ehemalige Moccabar - wie die Palatschinkenbar und das Berliner Kaffeehaus - mutiert allerdings durch einen Abbildungsverweis zur berühmten Moccabar in der Karl-Marx-Allee, die aber die Mocca-Milch-Eis-Bar war! - S. 40) Das Bildmaterial ist - wie auch bei der Oranienburger Straße - funktional ausgewählt und zeigt u. a. historische Ansichten, Pläne/Entwürfe/Skizzen, Stadtmodelle, Details der Fassade und des Innen vorher/nachher, Einzelheiten der Behrensschen Konstruktion (auf deren Rekonstruktion einzugehen hier vielleicht zu weit geführt hätte).
Daß ein Buch seit 1997 bereits in dritter Auflage vorliegt, spricht dafür, daß es auf reges Interesse gestoßen ist. Das verwundert nicht, ist doch sein Gegenstand nur wenigen - im wörtlichsten Sinne - zugänglich: die Dunklen Welten all dessen, was sich unter Berlins Oberfläche befindet und abspielt. Und naheliegend, daß auch hier der Photograph auf dem Umschlag als Autor genannt ist, denn ohne die farbigen Photos der vorzüglich ausgeleuchteten unterirdischen Orte von Frieder Salm auf - natürlich - schwarzem Grund hätte es die Vorstellungskraft schwerer, sich diese nur wenigen zugänglichen Welten vor Augen zu führen (die zahlreichen Schwarzweißdokumente sind von historischer Wertigkeit). Salms Farbphotos haben einen eigenen ästhetischen Reiz, ohne dieses Untergründige zu ästhetisieren.
Die Erschließung der Berliner Unterwelt ist im wesentlichen ein Projekt der Industrialisierung seit Mitte des 19. Jahrhunderts, damit wegen der problematischen geologischen Gegebenheiten ein sehr junges, verglichen mit anderen Metropolen. Dann aber ging es zügig voran, und die neueste Technik nutzend bzw. indem man für Berlin spezielle Technologien entwickelte, wurden im Untergrund die modernen - in einer Reihe von Fällen die modernsten Europas bzw. der Welt - städtischen Versorgungseinrichtungen installiert. Die beiden Autoren Arnold scheinen sich exzellent zu ergänzen, denn Stadt- und Regionalplanerisches (das studierte Dietmar Arnold) und Geschichtliches (das Metier von Ingmar Arnold) finden in diesem Band auf einander erhellende Weise zusammen. So sind die Projektierungen und Realisierungen mitunter spannende Geschichten. An eine davon lassen sie sich einen Zeugen der Buddelei in Berlin am Ende des vorigen Jahrhunderts (Otto Schmelzer, 1896) am Ende dieses Jahrhunderts erinnern: an die der städtischen Wasserversorgung (Baubeginn 1853), die notwendig die Abwasserkanalisation nach sich zog, wodurch Berlin eine der gesündesten Städte wurde (von daher wohl die sprichwörtlich gute Berliner Luft). Die Berlin Waterworks Company sowie die Namen von James Hobrecht und Rudolf Virchow seien in diesem Zusammenhang wenigstens erwähnt. Der Entwicklung sowie den Ausmaßen der städtischen Wasser- und Abwassersysteme sind dann sehr detaillierte Abschnitte gewidmet; ebenso dem Berliner Rohrpostsystem oder den Berliner Brauereien, den Pionieren der Untergrundbebauung, mit ihren Kellern in den Tiefen von Prenzlauer Berg und Kreuzberg, damit übrigens auch die spätere Stadterweiterung vorgebend.
Viel Raum ist den Untergrundgroßbauten des 20. Jahrhunderts gewidmet, den friedlichen der U-Bahn (wenn auch im Krieg dem Luftschutz dienend) und den dem Kriege zu verdankenden Bunkerbauten der NS-Zeit.
Allerdings hatte der Krieg, der Erste Weltkrieg, auch Einfluß auf den U-Bahn-Bau. Er trennte nämlich den Aufbau der ersten Strecken in zwei Phasen; weil gegen Ende des Krieges die Mittel ausgingen, stagnierte er und hatte seinen Höhepunkt dann erst wieder in den zwanziger Jahren, vor allem mit dem geplanten Verkehrsknotenpunkt Alex (s. o.), von dem dann wegen der Weltwirtschaftskrise nur noch kurz vor der Vollendung stehende Projekte abgeschlossen wurden: die Weiterführung der GN-Bahn (Gesundbrunnen-Neukölln) und die neue Strecke Alex-Friedrichsfelde. - Dem Großunternehmen U-Bahn gingen übrigens einige Versuchstunnel voraus, u.a. der Straßenbahntunnel unter der Spree von Stralau zum Treptower Park, geplant für die Gewerbeausstellung 1896. Und es gab das Projekt der Hochbahngesellschaft (Siemens) und das Projekt der AEG-Röhrenbahn, das sich als Unterpflasterbahn später durchsetzte. Diese Konkurrenz ist noch heute erkennbar an den unterschiedlichen Breiten der Wagen für die (frühen) Kleinprofil- und (späteren) Großprofiltunnel (etwa U2 bzw. U5), und an dem langen Fußgängertunnel Stadtmitte, dem Übergang zwischen diesen beiden Betriebssystemen. Zu den einzelnen Linien gibt es eine Fülle von Informationen technischer und (bau)geschichtlicher Art. Spannend ist dabei die jeweilige Geschichte der vielen Blinden Tunnel, Überbleibsel aus Kostengründen nicht realisierter bzw. auch geänderter Projekte oder bereits mit Blick auf künftige Linien auf Vorrat angelegte wie die der Phantomlinie U10, die vom Potsdamer Platz nach Steglitz führen sollte.
Einer der Blinden Tunnel ist der Waisentunnel unter der Littenstraße, Reststrecke der dann veränderten Linienführung der GN-Bahn, einer der unheimlichsten, wie die Unterweltwanderer schreiben. Er spielte 1980 eine Rolle bei der Flucht eines BVB-Mitarbeiters. Über sie wurde Stillschweigen bewahrt, um den Transitverkehr nicht zu gefährden - eine Ausnahme im Kalten Krieg. Denn üblicherweise wurden von der jeweils anderen Seite die während dieser Zeit gegrabenen Tunnel propagandistisch ausgebeutet: Der englisch/amerikanische Spionagetunnel der Operation Gold, 1956 aufgedeckt von dem Doppelagenten George Blake, sowie die Fluchten per Tunnel nach 1961 von Ost nach West, die im Band beschrieben werden. 30 solcher Projekte soll es gegeben haben, von denen 8 realisiert wurden; auch die Kanalisation wurde anfangs zur Flucht genutzt, bis die DDR sie noch 1961 hermetisch abriegelte.
Der Mauerbau hatte erhebliche Auswirkungen auf das (nicht nur) unterirdische Verkehrssystem. Nicht nur daß er die Geisterbahnhöfe nach 1961 hervorbrachte, sondern Ost- und Westteil der Stadt entwickelten unterschiedliche Verkehrskonzepte: Während im Osten als erstes zwischen Kloster- und Littenstraße eine Verbindungslinie zur betriebstechnischen Nutzung gebaut wurde (um von westlicher Betriebswerkstatt unabhängig zu werden), wurde zur öffentlichen Nutzung lediglich die U5 zum Tierpark verlängert (sowie, sei hier zu ergänzen, deren weitere Verlängerung bis Hönow in den achtziger Jahren begonnen). Ansonsten setzte man auf überirdischen Verkehr, während der in Westberlin mit großzügiger Förderung in den 60/70er Jahren in den Untergrund ging.
Die Ursachen für die folgende Entwicklung liegen jedoch vor dieser Zeit. Das 12jährige Reich, wie ein Abschnitt überschrieben ist, brachte zwar außer Projekten keine neue Streckeneröffnung der U-Bahn zustande (wie auch der Wohnungsneubau in Berlin während dieser Zeit kaum der Rede wert ist), baute aber dennoch in bisher ungekanntem Ausmaß in die Tiefe. Während nach 1940 die Pläne einer Welthauptstadt Germania fallengelassen wurden, entstanden unterirdisch Bunkeranlagen, Befehls- und Leitzentralen einzelner Militär- und Zivilverwaltungen, Stollen für die unterirdische Rüstungsproduktion, Flucht- und Verbindungstunnel, Luftschutzkeller und Splittergräben. Die im Führer-Sofortprogramm von 1940 (nach dem ersten vereinzelten englischen Bombenabwurf) vorgeschriebenen Sicherungsstandards (vor allem für die Zivilbevölkerung) wurden mit dem Fortgang des Krieges und abnehmenden Materialressourcen immer lockerer gehandhabt, statt Tief- nun Hochbunker, Luftschutzräume in allen sich dafür eignenden Untergrundbauten, von Blinden Tunneln, über tiefer gelegene U-Bahnhöfe bis hin zur letzten Aktion, Stollen zum Luftschutz in den Kreuzberg (wiederentdeckt in den 80er Jahren) oder den Fichtenberg in Steglitz zu graben. Mit Zunahme der systematischen Bombardements durch die Engländer seit 1943 und die Amerikaner seit 1944 ging die deutsche Rüstungsindustrie unter die Erde: Telefunken westlich des Reichstags, BMW an der Mühlendammschleuse, Blaupunkt und Henschel unter Bauten des Olympiastadions...
Die umfangreichen Bunker-Anlagen im Bereich der Wilhelmstraße - 1990 erst stieß man noch auf den Bunker der SS-Fahrbereitschaft und bei Tiefbauarbeiten fürs Adlon auf einen Munitionsbunker am Pariser Platz - beanspruchen einen eigenen Abschnitt, der durch die sachliche Information über die Geschichte ihres Entstehens und ihre technische Ausrüstung der Legendenbildung über den sog. Führerbunker entgegenarbeitet. Daß die DDR in den achtziger Jahren über einem Großteil dieses Areals Wohnungsbauten errichtete - ein Unterfangen, das auch in der DDR öffentlichen Widerspruch über solchen zudeckenden Umgang mit den Zeugen der NS-Vergangenheit hervorrief -, wird von den Autoren nicht weiter kommentiert. Wie sie ihre Aufgabe insgesamt darin sahen, vor allem sorgfältig zu recherchieren und sachlich zu informieren.
Der Endkampf um die Festung Berlin fand auch im Kanal- und Tunnel-Untergrund statt; hier endete er mit einer Katastrophe am 2. Mai: Der Nord-Süd-Tunnel der S-Bahn unter dem Landwehrkanal wurde (wahrscheinlich von der SS) gesprengt, der S-Bahn-Tunnel wurde bis zum Bahnhof Friedrichstraße geflutet, und von dort gelangte das Wasser auch in andere U-Bahn-Schächte. Was aus all der Hinterlassenschaft des Tausendjährigen Reiches - von den Trümmermassen bis zu den Betonbauten im Untergrund - nach dem Krieg wurde? Auch das haben die drei Autoren detailliert recherchiert und erkundet.
Fast am Schluß eine Art Scherzo. Nicht nur Kriegsstrategen, Verkehrsplaner, Stadttechniker, Geheimdienstler hinterließen ihre Spuren im Berliner Untergrund, sondern hier tummelte sich auch tatsächlich die Unterwelt. Drei kriminellen Unternehmungen, von der Öffentlichkeit ob ihrer Pfiffigkeit nicht ohne Sympathie verfolgt, wird am Ende des Bandes nachgegangen: dem Tresorraub der Brüder Sass aus den zwanziger Jahren sowie dem Zehlendorfer Tunnelcoup und Dagobert aus der unmittelbaren Vergangenheit.
Ist dem vorstehenden Text etwa die Strategie eingeschrieben, ihn in Bemerkungen zu dem Band Berlins Gesicht der Zukunft. Die Hauptstadt wird gebaut gipfeln zu lassen? Von der Sache her schon. Denn wovon der Journalist Christoph Bahr, ausgewiesener Experte in den Bereichen Stadtplanung und Baugeschehen, und der Photograph Günter Schneider berichten, ist ja wohl das, was Berlin am Ende dieses Jahrhunderts seinen Stempel aufdrückt und was, fehlte es, das Bild verfälschen würde, weil wesentliche Orte fehlen, auch wenn sie überwiegend noch im Entstehen begriffen sind. Dies zu sagen fällt um so leichter, als der Band kein billiges PR-Produkt ist.
Informativ vorgestellt wird alles, was in Folge des Beschlusses des Bundestags vom 20. Juni 1991, der die Hauptstadt Berlin auch zum Parlaments- und Regierungssitz deklarierte, erschlossen, projektiert, neu gebaut, umgebaut und genutzt wird. Ist es verwunderlich, daß man nicht selten an Situationen erinnert wird, die Albert F. Schwartz vor über hundert Jahren festhielt? Doch auch die Differenz dazu ist deutlich: Die zentralen Areale der Parlaments-, Regierungs- und Nachfolgebauten wurden nicht in derart radikaler Weise wie damals beräumt. Hier hatten schon Krieg und Nachkriegswirklichkeit für Baufreiheit gesorgt...
Und da, wo Berliner Stadtplaner es gern so radikal gehabt hätten, am (damals noch) Marx-Engels-Platz, wo sie für das Außenministerium gern die sozialistische Mitte auf einen Schlag abgeräumt hätten, war Klaus Töpfer als Umzugsbeauftragter vor und überredete den Außenminister zum bekannten Sitz am Werderschen Markt. So blieb dem Staatsratsgebäude zum Beispiel die Chance, daß ihm inzwischen ein gewisser Charme zugesprochen wird.
Sicher, in der Presse, insbesondere der Berliner, wird laufend über alles, was sich in Sachen Parlaments- und Regierungssitz tut, berichtet; doch das hat naturgemäß die Tendenz zur Vereinzelung. Mit diesem Band aber verfügt man über eine Art Handbuch der Gesamtvorhaben. Nachzuschlagen ist alles Wichtige über Planungen, Wettbewerbsausschreibungen, die jeweiligen Architekten und deren Konzepte, Kosten, gegebenenfalls Varianten und Planungskorrekturen, Bau- und Bezugstermine usw. Hinter diesen Informationen über ein solch hochoffizielles und per Gesetz abgesichertes immenses Unterfangen aber verschwindet der Autor nicht, er hält seine persönlichen Ansichten durchaus nicht zurück: z. B. indem er nicht selten ironisiert - den aufwendigen Versorgungstunnel für 70 Millionen im Spreebogen etwa, der die Parlamentarier mit Papier, Post und Proviant versorgt (S. 31); oder die Sorge der Bundestagsabgeordneten, daß im Spreebogen-Park auch Platz zum Fußballspielen geschaffen werde, während Kenner diese Grünanlage als die bedeutendste landschaftsarchitektonische Aufgabe Europas ansehen; oder den unterschiedlichen Einsatz der Mittel für die Ministeriumsbauten, was den Leser zum Vergleichen von deren staatlicher Wertigkeit herausfordert (für das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 10 Mill., dagegen für die Berlin-Repräsentanz des Verteidigungsministeriums rund 110 Mill.!). Ironisch auch einige Kapitelüberschriften, z.B. die über dem ersten: Ein Brite baut den Bundestag, damit anspielend auf die jüngst immer wieder zu konstatierende Tatsache, daß gestalterische Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte mit Vorliebe an Ausländer delegiert wird. Sir Norman Foster hätte es nicht für möglich gehalten, daß einem Engländer, was heißt einem Nichtdeutschen, dieses Projekt übertragen wird. Nun ja, es war dann, wie Bahr schildert, auch das für den Architekten zäheste Projekt wegen der immer neuerlichen Wünsche der schwierigen Auftraggeber. Was übrigens Fosters Intention der Transparenz und Bürgerfreundlichkeit des Parlamentsbaus betrifft, ist es spannend zu erfahren, wie sich das dann nach 1999 mit der Begehbarkeit der Kuppel durch Besucher gestalten wird.
Eindeutig ist Bahrs Sympathie für das Konzept einer demokratischen Architektur des Architekten-Duos Axel Schultes/Charlotte Frank, sowohl was deren Entwurf-Auftrag, das Bundeskanzleramt, betrifft, wie insgesamt ihre städtebauliche Vision des Bundesbandes (Bundesspange) der Parlaments- und Regierungsbauten im Spreebogen, vor allem das Insistieren auf dem darin integrierten Bürgerforum, das aus Kostengründen zurückgestellt ist. Ob es wohl einst sein wird? Jedenfalls sorgt Bahr dafür, daß es nicht in Vergessenheit gerät.
Christian Bahr ist daran interessiert, bei dieser von Bruch zu Bruch eilenden Stadt die Kontinuität nicht aus den Augen zu verlieren (vgl. Brost/Demps); so ist bei seiner Darstellung zu den einzelnen Objekten die Vergangenheit immer mit im Spiel. Das bringt mit Blick auf die der DDR zwar gelegentlich diskursive Verschleifungen mit sich - etwa die, die suggeriert, daß die Gründung der DDR die Ursache der Teilung war (S. 41), was zumindest eine arge Verkürzung ist; oder die, daß der Palast der Republik seit Sommer dieses Jahres abgerissen wird (S. 48), wo es doch noch immer um Asbestsanierung gehen soll; oder daß er von sozialistischen Machthabern spricht (S. 44 ff.), weil er die jeweilige Zuständigkeit und Verantwortlichkeit nicht konkretisiert (etwas, was den Autoren der Dunklen Welten übrigens durch ihre exakten Recherchen und Analysen von Dokumenten nicht unterläuft - obwohl sie vielfach Gelegenheit dazu gefunden hätten). Doch an vielen Stellen sind diese Geschichtsexkurse außerordentlich spannend.
Vor allem das, was mit der Geschichte des Spreebogens zu tun hat und in welcher Tradition Schultes - und seiner Kollegin Charlotte Frank - Idee des Bundesbandes steht. Seit Schinkel Mitte des 19. Jahrhunderts sachte eine Nord-Süd-Achse andachte, hatte eine solche städtebauliche und Verkehrsausrichtung immer wieder Reize und Höhepunkte, ob gegen Ende des Kaiserreichs, in der Weimarer Republik oder in seiner Monströsität dann in der Nazizeit, als dafür in dem bürgerlich-vornehmen Wohngebiet des Alsenviertels nördlich des Reichstags schon die ersten Bauten abgeräumt wurden; den Rest dieses Viertels - bis auf die Schweizer Gesandtschaft - vernichtete dann der Krieg, als an die Nord-Süd-Achse der Welthauptstadt Germania keiner mehr dachte. Nicht ohne Symbolik ist es deshalb (wie überhaupt im Zusammenhang dieses Umbaus Berlins als Parlaments- und Regierungssitz eines einheitlichen Deutschlands vieles als symbolisch bezeichnet wird), daß mit dem nun quer zur Nord-Süd-Achse stehenden Band der Regierungs- und Parlamentariergebäude diese geschichtlich belastete Ausrichtung endgültig verbaut, die Ost-West-Ausrichtung der Stadt festgeschrieben wird und durch dieses Band die beiden Stadthälften verbunden werden.
Apropos Visionen. In den hier gesichteten Bänden war von mehreren die Rede, die dann gar nicht, modifiziert oder nur in Ansätzen realisiert wurden. Könnte dies auch der Hauptstadt-Vision am Ausgang des 20. Jahrhunderts drohen? Natürlich steht diese Frage nicht, sie stellt sich aber angesichts der aufgeführten Kosten bei immer größeren Spargeboten für Kommunes. Nach dem Prinzip nicht kleckern, sondern klotzen, wird hier vieles auf einmal geschaffen, sicher richtig, wenn auch der Grad der Perfektion vielleicht doch aus Zeiten stammt, wo mit Selbstverständlichkeit aus dem vollen geschöpft wurde. Allerdings wurde in den Planungsphasen auch bereits Überzogenheiten vorgebaut, den Forderungen nach Neubauten für alle Ministerien beispielsweise, sie wurden in die Nutzung vorhandener Gebäude korrigiert.
Alles Geplante ist begonnen, weniges bereits fertig, es sieht aber so aus, als ob aus Vision Realität wird. Bleibt dann, wie die politischen Inhalte ihren demokratisch gedachten architektonischen Formen gerecht werden. In diesem Sinne zeigt Bahr durchaus Spuren von Skepsis (z.B. im Hinblick auf das Selbstverständnis von Bundesbediensteten und Abgeordneten sowie ihren Forderungen).
Was wäre dieser Band ohne die Photos? Für vieles, was noch keine realen Konturen angenommen hat, sind die z. T. doppelseitigen Modell-Aufnahmen hilfreich, sich das Künftige vorzustellen. Historische Aufnahmen erinnern. Von besonderem Reiz aber sind die Aufnahmen von Günter Schneider, und hier wiederum die Luftaufnahmen der im Bau befindlichen Objekte bzw. dessen, was man im weitesten Sinne als Baugruben bezeichnen kann, wie die des Jahrhunderttraums Eisenbahntunnel und Zentralbahnhof (Lehrter Bahnhof). Mit diesen Aufnahmen dokumentiert Schneider Bauphasen, die bereits wieder überholt sind. Er gewinnt dieser Landschaft aber auch ästhetische Reize ab, wie beispielsweise der Seenlandschaft an der Baustelle für den Lehrter Bahnhof (S. 91) im blauen Nachtlicht, als Vorsatz-Großaufnahme außerordentlich attraktiv wie signifikant für das Berlin der letzten Jahre dieses Jahrtausends.
Harald Brost und Laurenz Demps: Berlin wird Weltstadt
Photographien von F. Albert Schwartz, Hof-Photograph.
Brandenburgisches Verlagshaus, 2.überarb. Aufl., Berlin 1997, 269 S.
Laurenz Demps: Die Oranienburger Straße
Von der kurfürstlichen Meierei zum modernen Stadtraum.
Parthas Verlag, Berlin 1998, 200 S.
Paulhans Peters: Eine Zukunft für die Karl-Marx-Allee
Fotos von Michael Lindner, Dölling und Galitz Verlag, Hamburg 1997, 160 S.
Das Alexanderhaus. Der Alexanderplatz
herausgegeben von Hans-Joachim Pysall, jovis Verlags- und Projektbüro.
Berlin 1998, 184 S.
Dietmar und Ingmar Arnold: Dunkle Welten
Bunker, Tunnel und Gewölbe unter Berlin. Mit Farbfotografien von Frieder Salm.
Ch. Links Verlag, 3.Aufl., Berlin 1998, 220 S.
Christian Bahr: Berlins Gesicht der Zukunft
Mit Fotografien von Günter Schneider.
Jaron Verlag, Berlin 1998, 112 S.