Eine Annotation von Kathrin Chod


Heller, Christa:

Ick liebe dir uff jeden Fall

Ein Berlin-Roman aus der Biedermeierzeit.

Frieling & Partner, Berlin 1998, 255 S.

Genauso hatte sich Schönfelder seinen künftigen Schwiegersohn vorgestellt: jung, etwas gebildet und vor allem tatkräftig. Als Hermann Horstmann den Wirtshausbesitzer in der Postkutsche nach Berlin kennenlernt, ahnt er natürlich noch nicht, welche Rolle er ab sofort in dessen Plänen spielen sollte. Man schreibt das Jahr 1817. Hermann Horstmann, Lehrer von fünfundzwanzig Jahren, macht sich auf den weiten Weg aus der Provinz, von Petershagen an der Weser in die große Stadt Berlin. Die Befürchtungen der Mutter, daß er auf die schiefe Bahn geraten könnte, vermochten ihn nicht aufzuhalten. Sein Bruder hatte es bereits zu etwas gebracht in Berlin, hatte Karriere gemacht im preußischen Innenministerium, und er würde es auch schaffen. Nur was er schaffen will, ist ihm noch nicht so ganz klar. Einerseits reizt eine Laufbahn im Staatsdienst. Andererseits hätte er auch Lust, sein Glück in der freien Wirtschaft zu versuchen. Zudem sucht er auch noch die große Liebe, denn er will niemals wie sein Bruder nur aus Karrieregründen heiraten.

Ebensowichtig wie die Geschichte des jungen Horstmann ist der Autorin die Schilderung Berlins zur Biedermeierzeit. So nutzt sie den beliebten Kniff, einen Fremden mit der Stadt vertraut werden zu lassen, um ein ganzes Panoptikum Berliner Figuren jener Zeit, die nicht gerade der besten Gesellschaft angehören, vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen zu lassen: Eckensteher, Marktfrauen, Blumenmädchen, Kutscher ... Hermann Horstmann lernt sie alle kennen, ebenso wie die Vergnügungen der Berliner: eine Schiffspartie nach Schildhorn, den Stralauer Fischzug und den Weihnachtsmarkt in der Breiten Straße. Nur die befürchteten Gefahren der Großstadt bleiben aus. So richtig übelnehmen kann man das der mit viel Liebe und Mutterwitz erzählten Geschichte aber nicht.

Die Berliner sind schließlich genauso, wie man sich Berliner eben vorstellt. Alle wollen Hermann nur bevatern und bemuttern. Das Herz haben sie auf dem rechten Fleck und immer einen kessen Spruch auf den Lippen: „Wenn ick so deene Kleedasche bedrachte, könnste wat Besseret sinn.“


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite