Eine Rezension von Klaus Polkehn


Schreib’ auf, ich bin ein Araber

Mahmoud Darwisch: Palästina als Methapher

Gespräche über Literatur und Politik.

Palmyra Verlag, Heidelberg 1998, 280 S.

Auch außerhalb seiner Heimat wurde er mit der Zeile „Schreib’ auf, ich bin ein Araber“ bekannt. Das 1964 geschriebene Gedicht des Palästinensers Mahmoud Darwisch - in Deutsch übrigens erstmals 1969 zusammen mit einem Artikel über den Autor in der Ostberliner „Wochenpost“ veröffentlicht - „blieb in der Folge an mir kleben und drohte, sich in meine dichterische Identität zu verwandeln“, so Darwisch 1993 zu einer arabischen Literaturzeitschrift. Die Aufzeichnung dieses Gesprächs ist jetzt erstmals in Deutschland erschienen, zusammen mit vier anderen Gesprächsprotokollen, zumeist aus dem Jahr 1996.

Die überwältigende Wirkung von „Schreib’ auf“ rührte seinerzeit daher, daß hier ein palästinensischer Poet eindringlich das Aufbegehren seines vertriebenen, unterworfenen, diskriminierten Volkes nachvollziehbar formuliert hatte. Allein, das wird in den Gesprächen nachdrücklich betont und das liest man auch aus den anderen Gedichten heraus, die den Band abschließen, greift eine Charakterisierung Darwischs als Politdichter viel zu kurz. Seine dichterische Identität ist von anderer Qualität. (Obschon sich, sei an dieser Stelle angemerkt, die arabische Poesie gegen eine Übersetzung sperrt, so daß die deutschen Versionen zwar inhaltlich korrekt und sprachlich ausgefeilt, dennoch nicht die „Musik“ des Originals wiedergeben können.)

Mahmoud Darwisch, Jahrgang 1942, Sohn armer Bauern in Galiläa, Augenzeuge der Naqba, der palästinensischen Katastrophe des Jahres 1948, der Besetzung, der Vertreibung, der fremden Herrschaft, geriet schon als 14jähriger nach einer Protestaktion in ein israelisches Gefängnis. Für einige Zeit bot ihm die Kommunistische Partei Israels eine politische Heimat. 1970 ging er freiwillig ins Exil, verließ Israel, lebte in Kairo, Tunis und Paris. 1982 erlebte er die wochenlange Belagerung und Bombardierung von Beirut durch die israelische Armee mit. 1987 wurde er ins Exekutivkomitee der Palästina-Befreiungsorganisation (PLO) gewählt. Dann 1993: Austritt aus dem Exekutivkomitee als Protest gegen das Abkommen von Oslo, das er wegen der seiner Meinung nach zu großen Zugeständnisse an Israel vehement ablehnt und das ihm doch 1996 erstmals wieder einen Besuch in seiner Heimat ermöglicht.

In den Gesprächen, die das Buch zusammenfaßt, zieht Darwisch gewissermaßen eine Bilanz, politisch wie literarisch. Man erfährt, wie er arbeitet, wo er Vorbilder und Quellen sieht. Im Anhang des Buches findet sich auch der 1992 geschriebene Gedichtzyklus Elf Sterne über den Auszug aus Andalusien, anspielend auf das Jahr 1492, auf die Kapitulation des arabischen Königreiches Granada vor der christlichen Reconquista, das Ende der siebenhundertjährigen islamischen Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel, der Vertreibung von Moslems und Juden durch die „allerchristlichsten Könige“. Für Darwisch ein Gleichnis: „Andalusien hat den Platz des verlorenen Ortes eingenommen, und später hat Palästina sich dann in Andalusien verwandelt“, sagt er. Aber: „Ich bin nicht der Auffassung, daß Andalusien mir gehört“, bemerkt der arabische Dichrter Darwisch, „oder daß Palästina ein verlorenes Andalusien ist.“ Er proklamiere kein Recht auf Andalusien, er führe einen Dialog mit den Exilierten der Erde. „Für mich repräsentiert Andalusien die Begegnung aller Fremden beim Aufbau einer menschlichen Kultur.“

Das ist das Credo des Poeten wie des Politikers Darwisch, der mit Israel und den Israelis hart ins Gericht geht. Seine Bilanz ist bitter. „Wenn wir uns im Krieg mit Pakistan befinden würden, hätte kein Mensch je von mir gehört“, sagt er zu der israelischen Schriftstellerin Helit Yeshurun. „Aber wir haben nun einmal das Pech, Israel zum Feind zu haben, das derart viele Sympathisanten in der Welt hat, und wir haben das Glück, daß unser Feind Israel ist, weil die Juden der Mittelpunkt der Welt sind. Euch verdanken wir unsere Niederlage, unsere Schwäche und unser Renommee.“ Die Dialektik dieser Worte spiegelt Darwischs Leben: Das längst zerbrochene Liebesverhältnis zu der israelischen Jüdin Rita (das dieser Beziehung gewidmete Gedicht - in diesem Band nicht enthalten - beginnt mit den Worten: „Zwischen Rita und meinen Augen erhebt sich ein Gewehr ...“), die Freundschaft zu dem jungen Israeli, der Israel verläßt, weil er die Politik des Landes nicht mehr mittragen mag. Darwischs Verse „Ein Soldat, der von weißen Lilien träumt“ erzählen davon.

Wenn er ohne Nachsicht den sogenannten Friedensprozeß verurteilt, so steht das also überhaupt nicht im Widerspruch dazu, daß er für ein Zusammenleben mit den Israelis plädiert. Im einem Gespräch betont Darwisch, er sei immer dafür gewesen, „daß das Land (Palästina) zwischen beiden Völkern aufgeteilt wird, nicht dafür, daß hier mal ein Stückchen, da mal ein Stückchen gegeben wird - und die Menschen in Ghettos eingeschlossen werden“. Und dann fügt er hinzu: „Ich habe unsere Führung in Zeiten unterstützt, wo sie schwach war. Jetzt, wo sie stark ist, habe ich auch das Recht, ihr keinen Beifall zu spenden. Sollte ein palästinensischer Staat das Licht der Welt erblicken, werde ich in der Opposition sein.“ Die Argumente dafür kann man in dem Buch nachlesen.

Ungeachtet der harschen Kritik an Arafat und der PLO hat Darwisch übrigens im April dieses Jahres den gewissermaßen offiziellen palästinensischen Appell zum 50. Jahrestag der Naqba von 1948 formuliert. „Die palästinensischen Menschen haben sich auf eine erlösende Reise in die Zukunft begeben“, heißt es darin. „Aus der Asche unseres Leids und Verlustes erstehen wir wieder als eine Nation, die das Leben und die Hoffnung feiert. Wir werden uns nicht ergeben. Und wir werden auch nicht den Glauben an einen gerechten und echten Frieden verlieren, der es uns ermöglichen wird, unser Recht auf Unabhängigkeit und Souveränität auszuüben.“


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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