Eine Rezension von Lili Hennry


„Verständnis ist das unstete Kind der Verwirrung“

Mark T. Sullivan: Die Jägerin
Roman. Aus dem Amerikanischen von Lutz Kliche.
Hoffmann und Campe, Hamburg 1998, 319 S.

Björn Larsson: Der Keltische Ring
Roman. Aus dem Schwedischen von Jörg Scherzer.
Berlin Verlag, Berlin 1998, 351 S.

„Abenteuer im Eis“ wäre eine ebenso passende Überschrift für diese beiden Romane gewesen, die neben Jahreszeit und Witterungsverhältnissen bei aller Verschiedenheit des Themas noch weitere Gemeinsamkeiten aufweisen: Ausgangspunkt für die Handlung ist in beiden Büchern die Flucht vor der Wirklichkeit, dem Eingeschnürtsein in Zwänge und Konventionen, mit der auch ein Selbstfindungsprozeß einhergeht. Beide Geschichten bedienen gekonnt sowohl das Genre des Abenteuerromans als auch das des Thrillers, wodurch die Auseinandersetzung mit den Naturgewalten mindestens ebenso große Bedeutung erlangt wie der Kampf Mensch gegen Mensch. Und schließlich wird die Handlung in beiden Fällen bereichert durch einen gehörigen Schuß Mystik und Magie.

Die Jägerin ist eine junge Frau, Diana Jackman, die von Kindesbeinen an gelernt hat, sich ihren indianischen Vorfahren gemäß im Wald zu verhalten und zu jagen. Sie begreift die Jagd als natürliches Geschehen, bei dem Mensch und Tier einander ebenbürtig sind. Und so ist der Tod des Tieres für sie auch eine Art Opferung, die sie mit Dankbarkeit annehmen muß. Anderthalb Jahrzehnte hatte Diana dieses Wissen um die Magie der Natur verleugnet, war in eine Ehe geflüchtet, die sie von ihrem Elternhaus und den alten Überlieferungen weit wegführte. Die Ursachen dafür erfährt der Leser bruchstückweise und in dem Maße, wie die Heldin selbst ihren Entwicklungsweg geistig zurückverfolgt. Daß dieser Prozeß zu einem Kampf um Leben und Tod führen würde, ist zu Beginn des zehntägigen Jagdausfluges, der sie und sieben weitere Jäger in die Tiefen der idyllisch verschneiten kanadischen Wälder führt, keineswegs abzusehen. Als aber ein Jagdgefährte nach dem anderen getötet und ausgeweidet wird und die Jäger selbst zu Gejagten werden, fällt Diana die Aufgabe zu, den Rachefeldzug des über magische Kräfte verfügenden Mörders zu stoppen. Dies ist nur möglich unter intensiver Rückbesinnung auf die schamanistischen Lehren ihrer Vorfahren. Mit der Aufnahme des uralten Rituals der Jagd kehrt Diana zu ihren eigenen Wurzeln zurück, was ihre emotionalen Verwirrungen in ein tiefes Verstehen der eigenen Situation und der Liebe ihrer Eltern auflöst.

Eine anders geartete Mystik durchzieht die sich ganz geradlinig entwickelnde Geschichte um den Keltischen Ring, auf dessen Spuren sich zwei Männer begeben: Ulf, ein segelbesessener Schwede, und sein dänischer Freund Torben, ein Bücherwurm, gehen mitten im Winter von Kopenhagen aus auf große Fahrt, um das Geheimnis des Finnen Pekka zu lüften, der Ulf kurz vor seiner Ermordung noch unter größter Geheimhaltung sein Logbuch anvertraute. Dieses enthält neben zahlreichen Hinweisen auf keltische Heiligtümer und Geschichte auch Andeutungen über eine geheimnisvolle Organisation - den Keltischen Ring, der sich die weltweite Wiederauferstehung des Keltentums zur Aufgabe gesetzt hat. Die beiden Männer segeln die Tour des Finnen in umgekehrter Richtung nach Schottland, was angesichts der stürmischen, eisigen, nebligen See an sich schon ein unglaubliches Wagnis darstellt. So nehmen die Beschreibungen des Törns auch viele Seiten ein, was erstaunlicherweise selbst für den Laien ungemein spannend zu lesen ist. Der Ich-Erzähler gibt diesen seinen Bericht an den Leser quasi als Lebensversicherung vor weiterer Verfolgung (der Autor kann sich auf diese Weise elegant über einige Ungereimtheiten hinwegmogeln). In Schottland erleben die Abenteurer eine „skurrile Mischung aus Herzlichkeit, Gastfreundschaft und verbitterter Ablehnung alles Fremden“. Als aber die beiden Unerschrockenen schließlich ungewollt in eine blutige Verschwörung dieses keltischen Geheimbundes verwickelt und von Verfolgern zu Verfolgten werden, ist mehr als nur seemännisches Geschick notwendig, um sich selbst und die ihnen anvertraute Schottin Mary in Sicherheit zu bringen.

Der Leser, in beiden Büchern in die packend geschilderten Vorgänge mit einbezogen, folgt atemlos und staunend den Helden, er erlebt ihre Verwirrung mit, bis schließlich die Geheimnisse gelüftet sind und die Rettung möglich wird.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite