Eine Rezension von Horst Wagner


Evita - „die kleine Eva“

Alicia Dujovne Ortiz:

Evita Perón. Die Biographie

Aus dem Spanischen von Petra Strien-Bourmer.

Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1998, 433 S.

Bekannt geworden ist sie bei uns vor allem durch das Musical „Evita“ von Andrew Lloyd Webber und den gleichnamigen Film, in dem ihr die Pop-Sängerin Madonna Gesicht und Stimme gab: Maria Eva Duarte de Peron (1919-1952), die das Volk zärtlich Evita - d.h. die kleine Eva - nannte; außereheliche Tochter einer armen Köchin und eines Großgrundbesitzers, Gelegenheitsprostituierte, Schauspielerin, Präsidentengattin, Wohltäterin der Armen, Idol der Arbeiter und der „Descamisados“, der Besitzlosen. Seit ihrem Tod - sie starb 33jährig an Krebs - verklärt als eine Art Mutter Theresa Argentiniens, ist sie die wohl populärste und zugleich am meisten von Legenden umwobene Frau Lateinamerikas. Wer war sie wirklich, wie sah ihr reales Leben aus? Darauf versucht Alicia Dujovne Ortiz, seit 1978 in Frankreich lebende, und vor allem für „Le Monde“ schreibende argentinische Journalistin und Buchautorin, in ihrer 1995 erstmals erschienenen Biographie (deutsche Erstauflage 1996 als Hardcover bei Aufbau) eine definitive Antwort zu geben. In einigen Passagen einer Seifenoper ähnelnd, dann wieder spannend wie ein Kriminalroman oder sachlich-informativ wie eine zeitgeschichtliche Dokumentation, aber nie trocken-spröde, haben wir ein Buch vor uns, das in seiner Farbigkeit an die literarischen Gemälde Gabriel Garcia Marquez’ erinnert. Dabei bemüht sich die Autorin um historische Exaktheit und Ausgewogenheit. Sich mit eigenen Urteilen zurückhaltend, setzt sie Legenden einerseits und die sich oft widersprechenden Schilderungen von Zeitzeugen andererseits fast kommentarlos gegeneinander und verdichtet sie zu einem eigenen, unverwechselbaren Bild. Eben das macht wohl das Besondere ihrer Arbeit aus und läßt es berechtigt erscheinen, wenn sie der Verlag im Untertitel „Die Biographie“ nennt (obwohl es natürlich schon zahlreiche vorher gegeben hat).

Freilich bleibt dabei manches im Legendenhaften, Unbeweisbaren stecken. So die sicher besonderes Interesse findenden Passagen über den angeblich von den Perons genutzten Goldschatz der Nazis und über das Auftauchen Martin Bormanns nach dem Zweiten Weltkrieg in Argentinien. Geschichten über die, wie die Autorin schreibt, „die Nachforschungen bis vor kurzem noch nicht weit gediehen waren“ (S.432), obwohl bekanntlich der Tod Bormanns am 2. Mai 1945 in Berlin inzwischen mehrmals gerichtsnotorisch bestätigt wurde. Wesentlicher ist sicher, daß uns die Biographie zugleich einen interessanten Einblick in die Traditionen und die Zeitgeschichte Argentiniens, nicht zuletzt natürlich in Person und Herrschaftsmethoden des Präsidenten Perón (1895-1974), in das Wesen des nach im benannten „Peronismus“ bietet, den einige als eine Art Staatssozialismus, andere als argentinische Spielart des Faschismus sehen. Die Autorin, Tochter eines argentinischen Kommunisten, nennt ihn einen „weniger faschistischen Faschismus, weil eine Frau dazu gehörte“, einen „volksnahen Faschismus, den die Massen mit Einheitswohnblocks und Sommerhäusern ... Ferien am Meer, Wettkämpfen, Kinderspielen und dem Gefühl, einem Spektakel beizuwohnen, in dem sie eine Hauptrolle spielten, glücklich genossen“. (S.366) Und ihr abschließendes Urteil über die Porträtierte lautet: „Evita verdient es, von den heutigen Linken ... respektiert zu werden. Respektiert, aber nicht zum Mythos erhoben, denn der Mythos ist respektlos, ob er nun überhöht oder verteufelt.“ (S.422)

Schade, daß das Buch, sieht man vom Titelbild ab, ganz auf Fotos verzichtet. Dafür gibt es allerdings im Anhang einen werbenden Hinweis auf den 220 Abbildungen enthaltenden, bei Rütten & Loening erschienenen Band Evita - Bilder eines Lebens.


(c) Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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