Eine Rezension von Grace Maier
Eine Leiche kommt selten allein
Janwillem van de Wetering: Ölpiraten
Deutsch von Hans J. Schütz.
rororo thriller 43291.
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1998, 272 S.
Robert Crais: Kidnapping
Deutsch von Jürgen Bürger.
rororo thriller 43301.
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1998, 272 S.
Wolf Haas: Komm, süßer Tod
rororo thriller 43287.
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 1998, 224 S.
Welcher Liebhaber spannender Unterhaltung kennt und schätzt sie nicht - die kriminalistische Dreieinigkeit von Grijpstra, de Gier und dem Commissaris, die Helden des holländischen Krimiautors Janwillem van de Wetering. Seit einer kleinen Ewigkeit schon sind sie Synonym für hochkarätige Cocktails aus Spannung und Witz, aus einfühlsamen Charakteren und dreisten Persiflagen. Jahrelang haben sie als erfolgreiches Polizisten-Trio die Amsterdamer Unterwelt aufgemischt und im Rahmen staatlicher Moralvorgaben gehandelt. Nach elf routiniert und mit Bravour gelösten Fällen hat sich van de Wetering in Ölpiraten eine besondere Herausforderung für sie ausgedacht: Jetzt müssen sie selber über Gut und Böse nachdenken und ihren Weg finden - als Private Eyes. Dabei haben sie es gar nicht mehr nötig, sich die Hände im kriminellen Sumpf schmutzig zu machen, nachdem sie dort nach dem hintersinnigen Willen ihres geistigen Vaters einen sagenhaften Schatz aufgespürt haben, der es ihnen erlaubt, unverschämt faul zu sein und in Amsterdam wie Gott in Frankreich zu leben. So schwimmen sie denn auch lieber im illegal erworbenen Geld, als im Auftrag eines zwielichtigen Reeders einer Schiffsladung Rohöl hinterherzuschippern, die auf der Route vom Iran nach Kuba von Piraten gekapert worden ist. Selbst 100000 Dollar Vorschuß und eine Million Erfolgshonorar können sie nicht so recht stimulieren. Aber Leere, mit Reichtum gefüllt, schafft Ungeziefer, so groß wie ein Kamel. Und außerdem sind da noch ihre fiesen Ex-Kollegen Karate und Ketchup, die fette Beute wittern ...
Van de Wetering hat routiniert und einfallsreich wieder alle Register krimineller Verwicklungen gezogen, um seine etwas träge Truppe in Schwung zu bringen, und weder an skurrilen Figuren und interessanten Schauplätzen noch an witzigen Dialogen und philosophischen Sentenzen gespart. Trotzdem kommt das Geschehen nicht so recht in Fahrt, und es hat mich einige Anstrengung gekostet, an der so unglaublich anmutenden, aber zweifellos wahr sein könnenden Geschichte über die unheilige Allianz von skrupellosen Geschäftemachern und gewissenlosen Staatsdienern dranzubleiben und auf das Finale neugierig zu sein. Wir haben uns überschätzt, stellt Grijpstra fest. Sartre hat recht. Freiheit ist furchtbar. Wenn das keine Aufforderung ist, die drei Schnüffler wieder härter in die Pflicht zu nehmen.
Intelligent, scharfsinnig, hart und sauber geschrieben, urteilt James Ellroy über Kidnapping von Robert Crais. Vielleicht ist es diese Wertschätzung, die den Rowohlt Verlag bewogen hat, einige der bereits Ende der achtziger Jahre bei Bastei erschienenen Krimis des amerikanischen Autors in seine rororo-Reihe aufzunehmen. Auch Elvis Cole, Crais Protagonist, ist Privatdetektiv und in seiner smarten, cleveren, schnoddrigen Art ein Geistesverwandter von Philip Marlowe, was bedeutet, daß er, so schlimm es auch kommt, (fast) immer Oberwasser behält, zumal er einen Freund fürs Grobe hat. Klar, daß die Story im Büro des Detektivs beginnt, und zwar mit dem Besuch zweier attraktiver, aber höchst unterschiedlicher Damen, die ihm - jede auf ihre Weise - das Leben schwer machen. Der einen ist der Ehemann, ein Filmagent, der sich womöglich als Drogenhändler betätigt hat, nebst Sohn abhanden gekommen, und Cole soll ihr die Vermißten wiederbeschaffen. Die Suche führt ins Sodom und Gomorra von Hollywood und endet mit einer guerillahaften Stürmung einer Gangsterbastion.
Crais zeichnet seinen Helden als sympathischen Typ, insbesondere wenn er als Seelentröster schöner Frauen gefordert ist. Nachdenklich, schlau, sensibel - so wird er beschrieben. Um so irritierender ist die bluttriefende Brutalität, mit der der gewitzte und anfangs eher softig daherkommende Lebenskünstler über Leichen geht. Das hat mir den Spaß an der ansonsten mit augenzwinkerndem Charme offerierten mörderischen Intrige, in die der Held gerät, stellenweise ziemlich verdorben.
Da gibt es diese Menschen, bei denen du nicht weißt, ob sie sich blöd stellen oder ob sie wirklich so naiv sind, teilt der Erzähler in Wolf Haas drittem Krimi Komm, lieber Tod dem atemlos gespannten Leser mit, und man könnte glauben, er denkt dabei an sich. In einer schwer zu beschreibenden breiten, gemütlichen, schnörkelreichen wienerischen Diktion meldet sich dieser etwas deppert und infantil wirkende Typ zu Wort, um mit dem Entsetzen Scherz zu treiben, indem er in pietätloser, irrwitziger, bösartiger, hinterhältiger, makabrer Erzählweise Alltägliches, Kurioses und Gruselkomisches aus dem Leben Wiener Rettungsfahrer zum besten gibt und insbesondere über einen bizarren Doppelmord berichtet. Ein rätselhaftes, gänsehautspannendes Verbrechen, bei dessen Aufklärung der Rettungsfahrer und ehemalige Privatdetektiv Brenner beinahe den Geist aufgibt, aber eben nur fast. Schließlich gehört er zur Spezies der Stehaufmännchen. Und im übrigen wird in dem erbittert geführten Kampf um die Nummer eins im Wiener Rettungswesen schon genug gestorben.
Schwarzer Humor ist, wenn man trotzdem lacht, nämlich trotz Mord und Totschlag. Altmeister der schwarzhumorigen angelsächsischen Literatur wie John Collier, Patrick Quentin oder Roald Dahl haben für diese amüsante, eigenwillige Krimigattung Maßstäbe gesetzt. Mit Komm, lieber Tod hat es auch Wolf Haas geschafft - auf heutige, etwas gewöhnungsbedürftige, österreichische Weise.