Eine Rezension von Bertram G. Bock
Verknäult
Dominique Sylvain: Blutschwestern
Krimi. Aus dem Französischen von Olga Linz.
Rotbuch Verlag, Hamburg 1998, 236 S.
Irgendwann wird es kompliziert. Da laufen fast plötzlich alle Fäden zusammen, die Namen, die vorher noch so schön alleine standen und die man mit Leichtigkeit auseinanderhalten konnte, überlagern sich, und da dauernd irgend jemand im Verdacht steht, doch jemand ganz anderes zu sein, wird die Lektüre mit der Zeit richtig anstrengend. Und dabei hat der Krimi so richtig schön und spannend begonnen. Personen werden auf den ersten Seiten eingeführt, die Charakter haben und die den Eindruck erwecken, daß sie im Verlauf des Krimis noch so richtig zu Geltung kommen - was aber dann doch nicht immer der Fall ist. Es gibt eine Detektivin, Louise Morvan, die ebenfalls vielversprechend ist und auch ohne Spleen auskommt. Jedenfalls ist sie keine begeisterte Extrem-Bergsteigerin, keine Fischdosensammlerin und auch nicht mit dem Hetitischen vertraut - sie ist einfach eine Detektivin, einigermaßen jung, unverheiratet, mit gesundem Menschenverstand gesegnet und - wie alle aus ihrer Branche - etwas knapp bei Kasse. Und dann der Fall: Ana Chomsky beauftragt Louise Morvan, einen Ex-Liebhaber aufzuspüren. Die einzige Spur, die vorhanden ist: das Gesicht des Liebhabers auf einem CD-Rom-Computerspiel, Mord in Babylon. Nicht spektakulär, eine Routineaufgabe, denkt sich Louise - alle anderen wissen natürlich schon längst, daß der Gesuchte ganz anders heißt und in der Zwischenzeit auf der Flucht ist, liegt doch seine Freundin, eine berühmte Sängerin, tot auf dem Bett in seinem Hausboot.
Kann der Ex-Liebhaber der Mörder sein, oder seine stumme Schwester, oder doch der Freund Klaus Baumann? Und warum schickt Ana Chomsky Louise hinterher? Die Wege führen nach Berlin - doch dort potenziert Dominique Sylvain die einzelnen Handlungsstränge etwas zu stark. Plötzlich spielt eventuell die RAF doch noch eine Rolle, der französische Kommissar ist immer dann da, wenn es niemand erwartet, Nebenfiguren sorgen für weitere Verwirrung, und die Künstler, die schon seit Beginn immer wieder auftauchen, entwirren das ganze Personenspektakel nun auch nicht gerade. Das ist das einzige, aber nicht ganz unerhebliche Manko an diesem Krimi, der ansonsten wahrlich nicht schlecht daherkommt. Zum Teil sehr plastisch geschildert, gleichen Szenen Kamerafahrten, die Dialoge sind nur selten bemüht, nie geschwätzig und mit dem einen oder anderen Witz (ohne es aber zu übertreiben). Die Story an sich ist gut aufgebaut, und auch der Spannungsbogen hat eine schöne Form, bis, ja bis diese Personenkonstellation eben vieles erstickt.
Des Falles Lösung ist letztlich eher unspektakulär - was gar kein Manko sein muß -, versucht aber zudem, eine Dimension damit zu greifen, was mit virtueller Welt ausreichend umschrieben sein mag. Doch so ganz gelingt es der Autorin dann doch nicht, hier mit Bedeutung, mit Gewicht zu schreiben, die wohl ursprünglich geplante Idee bzw. Message verliert sich etwas. Ab da hatte Sylvain wohl auch einen etwas zu großen Anspruch an sich, einen in diesem Fall nicht notwendigen.