Eine Rezension von Gunther Hildebrandt
Handbuch zur Geschichte deutscher Nationalparlamentarier
Heinrich Best/Wilhelm Weege:
Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49
Droste Verlag, Düsseldorf 1998, 499 S.
Vorliegendes Taschenbuch erscheint zwei Jahre nach der Ausgabe von 1996. Sie ist der erste Teil eines auf drei Bände konzipierten biographischen Handbuches deutscher Nationalparlamentarier von 1848 bis 1933, das von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (Ltg. R. Morsey und G. Ritter) herausgegeben werden soll. Letztere hat seit rd. einem Jahrzehnt schon eine Reihe von biographisch-statistischen Werken zur deutschen Parlamentsgeschichte, so die Handbücher zur Geschichte des preußischen Abgeordnetenhauses sowie zwei Bände über sozialdemokratische Parlamentarier, herausgebracht.
Das von zwei Soziologen (Weege: Mitarbeiter des Kölner Zentrums für Historische Sozialforschung; Best: früher Mitarbeiter ebenda, heute Soziologieprofessor in Jena) vorgelegte Buch unterscheidet sich von den einschlägigen Nachschlagewerken vor allem in zweierlei Hinsicht: 1. Es bietet die mehrfach verifizierte und nun definitiv als vollständig anzusehende Liste der 809 Abgeordneten (das 1989 von R. Koch herausgegebene Handlexikon der Paulskirchenversammlung nannte noch die Zahl 799) mit Kurzbiographien, die hinsichtlich Vollständigkeit und Präzision ein bisher nicht erreichtes Niveau aufweisen; 2. die nach einem standardisierten Muster gearbeiteten Biographien bieten Vergleichsmöglichkeiten (zumindest innerhalb dieses Fundus).
Die zugrunde gelegte Normalbiographie gliedert sich in Personenstandsangaben und Sozialisation, Berufliche Karriere und Politische Karriere der Abgeordneten. Es folgen gesonderte Informationsleisten über die Mitgliedschaft in wichtigen Parlamenten, an vorderster Stelle natürlich die Daten ihrer Frankfurter Parlamentstätigkeit, und über perönliche Publikationen sowie Quellenangaben.
Das Handbuch ist natürlich weit mehr als ein in formaler Hinsicht vereinheitlichtes Kompendium von Biographien. Es erlangt Aussagekraft dadurch, daß es Fragestellungen der Soziologie wie der Geschichtswissenschaft aufgreift (z. B. Zusammenhang von parlamentarischer und außerparlamentarischer Tätigkeit, wie Teilnahme an markanten politischen Aktionen, Versammlungen und Protestveranstaltungen; Relevanz des Bildungsweges für die politische Entwicklung der Abgeordneten) und zu aussagekräftigen Ergebnissen verarbeitet. Die Autoren und ihre Mitarbeiter haben in großem Maße selbst Forschungsarbeit geleistet, wie u.a. die rd. 1400 Anfragen an die verschiedensten wissenschaftlichen Einrichtungen beweisen. Sie erarbeiteten nicht nur ein methodologisches Grundgerüst, sie brachten auch neues Material bei (ein Beispiel: für den deutschböhmischen Abgeordneten Anton Rassl mußte das Handlexikon noch Geburts- wie Sterbedatum schuldig bleiben, Best/Weege fanden heraus: geb. 3.7.1801 in Altzedlitz, gest. 21.12.1873 in Petschau).
Die Autoren bieten keine Lebensschicksale, wie der Rückseitentext verspricht. Sie verzichten in den Biographien auf explizite Wertungen, sie beschränken sich auf objek-tivierbare, also hieb- und stichfeste Tatsachen, die im Telegrammstil geboten werden. Das spart Platz. Er konnte genutzt werden, um die Biographien in Gänze darzustellen und nicht der Gefahr zu verfallen, nur Momentaufnahmen für 1848/49 zu bieten.
Das Ergebnis: Für 98,5 % der Abgeordneten konnte das Geburtsjahr, für 97,4 % das Sterbejahr, für 97,8 % das volle Geburtsdatum und für 96,5 % das volle Sterbedatum ermittelt werden. 97,5 % der Geburts- und 97,2 % der Sterbeorte sind nunmehr bekannt. Für 99,6 % der Abgeordneten liegt ein Hinweis auf die berufliche Tätigkeit wenigstens bei Antritt ihres Paulskirchenmandates vor. Zur Aufbereitung und besseren Veranschaulichung der Biographien dienen ein 18teiliges Register (u.a. Mitgliederlisten des Vorparlamentes und Fünf-ziger-Ausschusses, des Stuttgarter Rumpfparlamentes und des Erfurter Parlamentes von 1850, Listen der Geburts-, Sterbe-, Tätigkeits- und Studienorte, Verzeichnisse der Wahlkreise und der Zielländer von Flucht und Emigration) sowie fünf Karten zur geographischen Herkunft der Abgeordneten. Das Datengerüst liegt nunmehr fast vollständig vor. Dennoch bleibt für die Forschung noch immer ein weites Feld - was die Wertung und die Einordnung vieler wichtiger Persönlichkeiten anbelangt.
Die Computertechnik hat, auch was die Aufbereitung geschichtswissenschaftlichen und soziologischen Materials anbelangt, längst ein neues Zeitalter eingeläutet. Der gesamte Materialfundus, der von den Bearbeitern erarbeitet bzw. genutzt wurde, liegt in Gestalt einer Datenbank vor, die weiter vervollständigt wird. Sie ist, wie man in der Einleitung liest, interessierten Wissenschaftlern ... als Hilfsmittel für weitere Forschungen ... grundsätzlich zugänglich.