Eine Rezension von Christel Berger


Geschäft mit der Unsterblichkeit

Stefan Heym: Pargfrider

C. Bertelsmann Verlag, München 1998, 224 S.

Das ist ein Buch, bei dem man merkt: Der Autor hatte seinen Spaß beim Schreiben. Der wiederum überträgt sich auf den Leser.

Mit Gottfried Joseph Pargfrider, dem Napoleon des Zwillichs, wie ihn böse Zungen nannten, ist Heym eine Figur gelungen, die gleichrangig neben Feuchtwangers Jud Süß stehen dürfte, ein Händler und Geschäftsmann, ein Knauser und Genießer, ein Grübler und Pragmatiker, ein Schlitzohr und ein Einsamer. Heym, selbst ein „Pappenheimer“, kennt seine „Pappenheimer“, und er hat die Chuzpe und nimmt sich das Recht, so über Juden zu schreiben. Daß dabei noch knapp zweihundert Jahre europäische Geschichte „mitspielen“, macht das Ganze zusätzlich vergnüglich, lehrreich und vielleicht sogar bedeutsam.

Pargfrider stammt aus höchst ärmlichen Verhältnissen zur Hoch-Zeit der Habsburger - kein Vater, und die schöne Mutter stirbt 1790 im Kindbett. Onkel Moser nimmt ihn früh in sein Tuchgeschäft, und da lernt der pfiffige Bursche schnell, was es mit Skonto und Rabatt, Zins und Gewinn auf sich hat. Als dann die Kriege mit Kaiser Napoleon kommen, ist der Neffe mit Waren und Know-how besser gerüstet als der Onkel und macht alsbald das Geschäft seines Lebens: Er wird dank Erfindungsreichtum und seiner Art, den Verantwortlichen um den Bart zu gehen und sie gut zu schmieren, der einzige Tuchlieferant für die österreichische Armee. Uniformen braucht das Land, und Pargfrider wird steinreich dabei.

Dies erfährt der Leser alles aus den angeblich aufgefundenen Manuskripten von Pargfrider höchstselbst. Von deren Existenz hat Heym wiederum als amerikanischer Offizier zum erstenmal kurz nach dem Zweiten Weltkrieg vom sowjetischen Leutnant Wladimir Dawidowitsch Grinberg in Wien erfahren. Die beiden kommen sich näher - zwei Juden und zwei Offiziere im Dienst von Armeen, die sich noch als alliiert bezeichnen. Beide skeptisch und aus Erfahrung kritisch, was die Vorgesetzten betrifft. Leider kommt es nicht zur Übergabe der Papiere, denn Grinberg wird in die Heimat zurückbeordert. Erst nach 50 Jahren treffen sie sich wieder, als die Welt erneut eine ganz andere geworden ist. Wieder ist Wolodja Grinberg in Wien, diesmal auf der Durchreise zur neuen Heimat Israel. Nun erhält Heym endlich die Papiere. Dies ist ein Freundschaftsakt, aber auch ein kleines Geschäft, der Freund wird das Geld beim Neuanfang brauchen können.

Was ist denn nun das Besondere am Tuchhändler Pargfrider? Es ist wohl der Tick, den der Geschäftsmann hat, sein Sinn für „Höheres“. Er nämlich hat nicht nur sein gutes Geschäft mit der Armee gemacht und davon ein Schloß samt Dorf wiederum günstig erworben. Nein, immer rumort in ihm die Frage danach, was am Menschen unsterblich ist, was von ihm bleibt, und praktisch und vermögend, wie er ist, findet er für sich eine Lösung, die Heldenverehrung und Gewinn, Ansehen und Moral glücklich verbindet. Er veranlaßt, daß auf seinem Schloßgelände eine Allee mit Statuen der Großen aller Zeiten - Shakespeare und Galilei, Kopernikus und Newton, Mozart und Haydn, Goethe und Leibniz und noch vieler anderer - errichtet wird, ein „Heldenberg“. Die Krönung ist die Gruft ebenda, hier sollen die beiden damaligen „Großen“ des kriegerischen Österreich, Marschall von Wimpffen und Feldmarschall Radetzky bestattet und für ein ewiges Angedenken einbalsamiert werden. Die Zusage der beiden hatte Pargfrider dank seiner guten Beziehung zu ihnen aushandeln können. Und „Handel“ ist dabei das richtige Wort, denn diese hohen Adligen waren stets knapp genug bei Kasse, um das Aufgeld des reichen Emporkömmlings zu brauchen. Für den wiederum war das Mausoleum nicht etwa nur uneigennützige Helden- oder gar Freundesverehrung: Mit den großen Toten und deren Begräbnissen lockt er den Kaiser höchstpersönlich auf sein Anwesen, zwingt den Hochgeborenen, ihn als Partner zu respektieren, und damit alles standesgemäß bleibt, wurde aus dem Hoflieferanten aus der Gosse der Josef Ritter von Pargfrider, und nebenbei stimmte auch noch die Kasse. Unser Held, mit allen Wassern gewaschen, hat außerdem verfügt, daß er als Dritter im Bunde in die Gruft kommt - nach 100 Jahren stößt dann die Rote Armee auf dieses seltsame Denkmal von Unsterblichkeit.

Heym und Pargfrider sind fürwahr ein treffliches Paar, zumal man den Witz und Schabernack des einen im anderen findet und die gegenseitige Sympathie unverkennbar ist. Aber letztendlich geht es ja um „Heldenverehrung“, und da ist der Realist Heym ganz in seinem Element. Die Statuen und die Vorgänge um die Gruft erweisen sich mehr und mehr als ein gutes Geschäft, und den Glorienschein dazu gibt es eben nie gratis. Die Eingeweihten wissen um den Preis, aber wer schon ist eingeweiht? Heym läßt den Leser teilhaben an solchem Insiderwissen, und er ist abgeklärt und weise genug, daraus eine Posse zu machen. Das Buch über den Habsburger Heldenberg in Klein-Wetzdorf sollte überall zur Lektüre angeboten werden, wo „Nationalmonumente“ Ruhm und Unsterblichkeit verkünden. Pargfrider und Heym wissen es besser: Alles Eitelkeit und Geschäft!


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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