Eine Rezension von Horst Wagner


Wie ein Stern

Frank Schöbel:

Frank und frei. Die Autobiographie.

Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1998, 730 S.

Einmal, Ende der 70er Jahre war es, wollte der „Stern“, die Illustrierte Nr. 1 der BRD, ein Interview machen mit dem Schlagerstern Nr. 1 der DDR. Offiziell angemeldet natürlich über das Außenministerium. Es sollte während einer Veranstaltung in Pritzwalk stattfinden. Wegen Nebels kamen die Illustriertenleute nicht rechtzeitig hin. Schöbel konnte die Herren aus Hamburg - es war inzwischen kurz vor Mitternacht - gerade noch in eine kleine Dorfkneipe in der Nähe mitnehmen. Natürlich blieb Fränki dort nicht unentdeckt. Einer holte die Dorfkapelle in den Saal, Fränki bekam sein Ständchen, mußte wohl auch was singen. Auch der Bürgermeister - schon im Schlafanzug - war gleich mitgekommen. „Ach, ihr kommt aus dem Westen“, sagte dieser, als Fränki ihm seine Begleiter vorstellte. „Paßt mal uff. Wenn ihr Scheiße schreibt über unseren Fränki, dann komm ich eigenhändig rüber und hau euch’n Ding.“ Schöbel dazu rückblickend: „Ich lachte in mich rein und dachte, wie will er denn rüberkommen.“ (S. 323)

Episoden wie diese, unkompliziert, mit ein bißchen berechtigter Eitelkeit, ein bißchen Unterstatement, vor allem aber humorvoll erzählt, machen den doch recht gewichtigen Wälzer zu einer unterhaltsamen und vergnüglichen Lektüre. Das Buch beginnt am 11. Dezember 1942, als Frank-Lothar Schöbel in Leipzig geboren wurde, und endet im Dezember 1997, gleichsam mit seinem 55. Geburtstag, nachdem er den Frust darüber, wie bestimmte Medien seine Trennung von Aurora für Skandalgeschichten ausschlachteten, gerade so einigermaßen hinter sich gebracht hatte. Vorwiegend heiter wird von der ersten Fünf im Musikunterricht und der ersten Gitarre als Konfirmationsgeschenk, der ersten Freundin und dem ersten „Herzklopfen kostenlos“ erzählt. Von Freuden und Leiden beim Erich-Weinert-Ensemble wird berichtet, von den Dreharbeiten zur „Reise ins Ehebett“, von der Hochzeit mit Chris und wie es schließlich zur Trennung von ihr kam. Wir erleben, wie Frank Schöbel mit einem Leiterwagen seinen ersten richtigen Umzug bewältigte und wie er mit dem Fahrrad von Lichtenberg zu Auftritten in den Friedrichstadtpalast fuhr, wie ihm ein fremdes Kind „angedreht“ werden sollte, wie er als erster Schlagersänger den Nationalpreis bekam und wie er es schaffte, daß 230 seiner Kollegen gemeinsam Schöbels „Wenn ein Stern verlischt“ sangen. Wir erfahren, daß Kurt Hager ihm nach seiner, Schöbels, Stimmbandoperation vorschlug, Direktor des Friedrichstadtpalastes zu werden, und wie ihm Jahre nach der Wende RTL einmal anbot, Chef eines neuen Senders in Sachsen zu werden - wobei ersteres an Schöbels Abneigung gegen Leitungstätigkeit und Bürokratismus, letzteres schließlich daran scheiterte, weil der Posten einem CDU-Mitglied zufiel. Mit Interesse liest man davon, wie Schöbels durchaus DDR-kritisch gemeintes Lied „Wir brauchen keine Lügen mehr“ noch vor der Wende über die Sender wie in die Plattenproduktion ging und wie es zur Resolution der 50 Unterhaltungskünstler vom 4. September 1989 kam, in der es hieß: „Wir wollen in diesem Land leben, und es macht uns krank, tatenlos mit ansehen zu müssen, wie Versuche einer Demokratisierung, Versuche der gesellschaftlichen Analyse kriminalisiert bzw. ignoriert werden.“ (S. 145)

Schöbels Blick auf die DDR, wo er manchmal bei den Oberen aneckte, aber letztlich wegen seines Könnens und Ansehens von diesen protegiert wurde und - wie er selbst schreibt - „Narrenfreiheit“ hatte, ist weder unkritisch noch anklägerisch.

„Tja, man ist so aufgewachsen, fand sich zurecht und richtete sein Leben ein“, antwortet er auf die Frage, wie er die DDR „ertragen“ hat. „Ich habe am Tag über unsere Situation Witze gemacht und in der Nacht mit den Zähnen geknirscht.“ (S. 243) Und an anderer Stelle über Erfahrungen gestern und heute: „Na, das war in gewisser Weise ’ne totale Abhängigkeit und Überwachung. Aber im Detail trat das so nicht ein. Und glaub mir, wenn man heute einen Plattenvertrag unterschreibt, ist man eigentlich Leibeigener seiner Plattenfirma.“ (S. 308)

Wie schon Katarina Witt in ihrem Jahre zwischen Pflicht und Kür (1994) illustriert auch Frank Schöbel seine Autobiographie mit Auszügen aus seiner Stasiakte. Mehr noch als bei Witt geschieht das bei Schöbel eher auf die nachsichtig-heitere Art, und er verrät, nach vier Stunden Akteneinsicht sei er „sogar ein wenig gehüpft auf der Straße. Meine Befürchtungen haben sich nicht bestätigt, es hat keinen gegeben, der mir wirklich bösartig schaden wollte.“ (S. 369/370) Ansonsten, scheint es, gibt es für ihn in den Jahren seit 1990 eher Frust als Fröhlichkeit. Frust darüber, daß man ihn, der zu DDR-Zeiten mit Titeln „Wie ein Stern“ und anderen Spitzenplätze auch in westlichen Schlagerparaden belegte, zunächst - und in der „alten BRD“ auch heute noch - nicht zur Kenntnis nehmen will. Natürlich freut er sich, daß ihn die „Super-Illu“ aufbaut, daß er im MDR ein gern gesehener Gast ist, aber er ärgert sich über die ihm aus DDR-Zeiten nicht bekannte Schnüffelei in der Intimsphäre durch die Medien und die zunehmende Ellbogenmentalität allerorten. „Es gibt viele Kollegen, die sich eine harte Haut wachsen lassen wollen, aber ich will sensibel bleiben. Das ist das Wichtigste, was wir hatten.“ (S. 660) Ein paar Seiten weiter schreibt er über „Gedanken an ein verlorengegangenes Land. Manchmal denke ich zurück an dieses frühere Leben. Hilflos wie ein kleines Kind fühle ich mich manchmal auch, vor allem, wenn ich in die Zukunft schaue, dieser Egoismus und Neid machen mir Angst. Scheinbar haben wir mehr Freiheit gewonnen. Aber diese Gesellschaft ist so materiell eingestellt, daß man sich diese Freiheit nur leisten kann, wenn man über das Geld verfügt.“ (S. 673)

Natürlich gäbe es auch manches zu mäkeln an Franks gewichtigem Werk. Ein bißchen weniger an jubelnder Fanpost und anderen lobenden Stimmen wäre vielleicht mehr gewesen. Für meinen Geschmack sind auch zu viele nebensächliche, belanglose Dinge mit Tag und Stunde belegt. Dafür scheint Frank Schöbel bei anderen, nicht so persönlichen Ereignissen sein von ihm vielfach zitierter „Hermes-Kalender“ ein wenig durcheinander geraten zu sein. Die „D- Mark-Wahl“ (womit offensichtlich die letzte zur Volkskammer gemeint ist) war natürlich nicht am 18. März 1991 (S. 591), sondern genau ein Jahr früher. Egon Krenz ist auch nicht am 7. November 1989 als SED- und DDR-Staatschef zurückgetreten (S. 553), sondern am 3. bzw. 6. Dezember. So was müßte doch eigentlich auch aufmerksamen Verlags-Lektoren auffallen. Oder gibt es die nicht mehr? Ein bißchen ärgerlich finde ich auch, daß es offenbar bei den Verlagen Mode wird, Lebensbeschreibungen oder Erinnerungen gleich „Die Biographie“ bzw. „Die Autobiographie“ zu nennen. Bei Schöbels Werk finde ich es ja noch insofern berechtigt, weil es natürlich seine erste ist und vermutlich einzige bleiben wird; weil er sie selbst geschrieben, einen Ghostwriter ausdrücklich abgelehnt hat; vor allem aber, weil er darin er selbst und sich treu geblieben ist: Wie ein Stern, aber immer auf dem Teppich bleibend; bescheiden bei allen Erfolgen und auch nach Niederlagen wieder Optimist.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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