Eine Rezension von Eberhard Fromm


Zeugen des Jahrhunderts

Marta Feuchtwanger: Leben mit Lion Lamuv Verlag, Göttingen 1991, 117 S.

Elisabeth Mann Borgese: Die Meer-Frau

Lamuv Verlag, Göttingen 1993, 127 S.

Freya von Moltke: Die Kreisauerin

Lamuv Verlag, Göttingen 1996, 174 S.

Drei Frauen stehen im Mittelpunkt dieser von Ingo Hermann herausgegebenen Bücher aus der Fernsehreihe „Zeugen des Jahrhunderts“, die seit 1978 gesendet wird und deren einzelne Repräsentanten dankenswerterweise durch den Lamuv Verlag aufgehoben und lesbar gemacht wurden. Hinter diesen Frauen stehen aber zugleich drei Männer, die so gleichzeitig über die hier Befragten zu Zeugen des Jahrhunderts ganz eigener Art werden. Am deutlichsten wird das bei Marta Feuchtwanger und Freya von Moltke, die vor allem von ihren Männern Lion Feuchtwanger und Helmuth James von Moltke sprechen. Aber auch bei Elisabeth Mann Borgese spielt die Beziehung zu ihrem Vater Thomas Mann eine wichtige Rolle im Gespräch.

Wenn Marta Feuchtwanger (* 1893) am Ende ihres Gesprächs, das Reinhart Hoffmeister mit ihr führte, sehr zurückhaltend meint, sie habe für ihr Leben eigentlich keine eigene Philosophie und das Glück sei zu ihr gekommen, ohne daß sie es gesucht hätte, dann wird darin die Bescheidenheit dieser Frau deutlich, die von 1912 bis 1958 an der Seite des Schriftstellers Lion Feuchtwanger (1884-1958) gelebt hat. „Ich war immer nur seine Frau und froh, wenn er mich zu Rate zog, wenn ich mitarbeiten konnte. Da war kein Augenblick der Langeweile, es war immer aufregend, mit ihm zu leben - manchmal nicht so angenehm aufregend, aber nie langweilig“, (S. 38) heißt es an anderer Stelle. Und so erzählt Marta Feuchtwanger denn auch in erster Linie vom Leben ihres Mannes: von seinen Arbeiten, seinen Freunden und Bekannten, seinen Begegnungen und Erlebnissen. Über solche aufregenden Dinge wie ein Treffen mit Stalin oder die Flucht aus Frankreich in die USA berichtet sie ebenso plastisch wie über kleine Streits oder anekdotenhafte Geschehnisse. Man erhält so interessante Einblicke in die Lebens- und Schaffensweise der Familie Feuchtwanger von München über Berlin bis in die Zeit in den USA.

Das 1991 aufgezeichnete Gespräch von Amadou Seitz mit Elisabeth Mann Borgese (* 1918), die erst kürzlich 1998 in Berlin weilte, wird wesentlich durch das eigene Leben und Wirken dieser streitbaren Frau bestimmt. Natürlich gibt es auch Fragen zum Elternhaus, zum Vater Thomas Mann und zu den ja nicht weniger berühmten Geschwistern Erika, Klaus und Golo Mann. Doch da fallen die Antworten eher spärlich aus. Lediglich bei der Beschreibung der Beziehungen zwischen Thomas Mann und ihrem ersten Ehemann Giuseppe Atonio Borgese (1882-1952) wird es etwas deutlicher: „Sie waren beide humanistische Sozialisten. Sie waren beide Antifaschisten. Mein Mann war vielleicht mehr ein berufsmäßiger politischer Denker. Mein Vater war vielleicht als politischer Denker etwas distanzierter. Mein Vater war in erster Linie Künstler, und mein Mann war eigentlich ein Politikwissenschaftler.“ (S. 31) Mit ihrem Mann arbeitete Elisabeth Mann Borgese in den USA zwischen 1946 und 1951 an einer Weltverfassung. Später beteiligte sie sich von Anfang an an den Arbeiten des Club of Rome. Hierzu hatte sie ihr zweiter Ehemann Alexander King aufgefordert. Nach langjähriger Arbeit in den USA wechselte sie nach Kanada. Seit den sechziger Jahren befaßt sie sich intensiv mit Fragen des Seerechts und einer Seerechtsverfassung. Engagiert setzt sie sich auf internationalen Konferenzen - so auf UNO-Seerechtskonferenzen - und eigenen Veranstaltungen für weitere Fortschritt auf diesem Gebiet ein und hat in Malta ein Internationales Ozeaninstitut gegründet. Symptomatisch für ihre Grundhaltung ist folgendes Bekenntnis gegen Ende des Gesprächs: „Ohne Visionen geht es überhaupt nicht. Das heißt natürlich nicht, daß wir nur Visionen brauchen. Aber das nehme ich den meisten Staatsmännern heute so übel, daß sie keine Visionen haben. Vorwärts geht es meiner Meinung nach nur, wenn Ideale und Wirtschaft irgendwie zusammengehen.“ (S. 111)

Im Gespräch, das Eva Hoffmann 1991 mit Freya von Moltke führte, bilden natürlich das Leben und Wirken von Helmuth James von Moltke (1907-1945) ein zentrales Thema. Immer wieder kommt Freya von Moltke (* 1911), die 1931 den Juristen und Mitbegründer des Kreisauer Kreises heiratete, auf die Ideen ihres Mannes und seine antifaschistische Grundposition zurück. Detailliert erzählt sie vom Kreisauer Kreis, seiner Entwicklung, den beteiligten Persönlichkeiten und ihren Schicksalen. So erfährt man auch, daß die meisten Gespräche nicht in Kreisau, sondern in Berlin, in der Wohnung von Yorck von Wartenburg, Hortensienstraße 50, stattgefunden haben. Erstaunlich sachlich berichtet Freya von Moltke über die Zeit von der Verhaftung ihres Mannes im Januar 1944, die Gefängniszeit, ihre Gespräche mit dem Gestapo-Chef Heinrich Müller und dem Präsidenten des Volksgerichtshofes Roland Freisler, über den Prozeß und das Todesurteil, das am 23. Januar 1945 vollstreckt wurde.

Nach dem Krieg lebte Frau von Moltke mit ihren Kindern in Südafrika, kehrte 1956 nach Deutschland zurück, wo sie begann, sich schriftstellerisch mit dem deutschen Widerstand zu befassen und die Herausgabe der Briefe ihres Mannes vorzubereiten. 1960 siedelte sie in die USA über, wo sie mit dem Juristen Eugen Rosenstock-Huessy, der bereits 1933 emigriert war, zusammen arbeitete und lebte. Um eine Selbstcharakteristik gebeten, sagte sie einfach: „Ich bin gut fürs Leben. Ich bin auch ganz nützlich für andere Leute, zur Unterstützung in deren Leben.“ (S. 121)


© Edition Luisenstadt, 1998
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