Eine Annotation von Kathrin Chod
Dierks, Martina:
Das Oma-Komplott
Roman.
Altberliner Verlag, Berlin/München 1996, 199 S.
Charlotte Malenke hat es schwer. Gibt es für Sechzehnjährige nicht schon genügend Probleme mit der Pubertät, die ja nicht nur aus Pickeln und Liebesproblemen besteht? Nein, da leisten sich die völlig überforderten Eltern noch Nachwuchs, und das auch noch in Gestalt von Zwillingen. Die sehen zwar ganz niedlich aus, im übrigen krähen sie aber, was das Zeug hält. Dazu riecht es in der ganzen Wohnung nach angebrannter Milch und Babykacke. Da bleiben herbe Rückschläge für Charlotte nicht aus. So ist es dann kein Wunder, daß ausgerechnet Anna-Lies Borbach ihr in der Theater-AG die beste Rolle wegschnappt und dafür auch noch eine überschwengliche Kritik in der Schülerzeitung erhält. Im Gegensatz zur wahnsinnig attraktiven Anna-Lies ist Charlotte dürr wie ein Wurm und genauso formlos. Na, vielleicht nicht ganz so schlimm, sonst hätte sie schließlich überhaupt keine Chancen bei Valentin, dem Neuen an ihrer Schule. Doch es sollte alles noch viel ärger werden, als ihre Mutter aus purer Selbstverwirklichungssucht auf den abwegigen Gedanken kommt, wieder berufstätig zu werden. Der Vater flüchtet sich auf Dienstreisen. Nicht ganz zu Unrecht vermutet Charlotte so, daß nun der ganze Haushalt, einschließlich Kinderpflege, an ihr hängenbleibt. Zumal ein von der Mutter geschmiedetes Oma-Komplott sich als Rohrkrepierer ersten Ranges entpuppt: Die mit bösem Hintersinn eingeladene Oma Gerda, die ihrerseits froh ist, nicht mehr ganz alleine zu Hause zu sitzen, entwickelt nicht nur keine Anstrengungen bei Haushalt- und Kinderpflege, sondern wird selber zum Pflegefall. Zum Glück kommt nun aber Charlotte eine zündende Idee, mit der sie beweist, daß sie in Sachen Oma-Komplott ihre Mutter weit in den Schatten zu stellen vermag. Diese zündende Idee besteht darin, die tatkräftige Ost-Oma Hilde in den Haushalt einzuführen. Als Charlotte bei ihr auftaucht, bewohnt besagte Oma, von raffgierigen Alteigentümern vor die Tür ihres Hauses in Grünau gesetzt, eine armselige Laube in der Gartenkolonie Brüderlichkeit. Obwohl die planwirtschaftlich-indoktrinierte Ost-Großmutter im Organisieren der Hausarbeit einsame Spitze ist, bringt die von der sechzehnjährigen Heldin inszenierte private Wiedervereinigung von Ost-Oma mit West-Familie zunächst nicht den erwarteten durchschlagenden Erfolg. Oma Gerda wittert die Rivalin. Der Vater empfindet die Alt-Kommunistin als eine Zumutung. Und selbst die Mutter, immerhin Oma Hildes Tochter, bricht nicht gerade in Freudentränen aus. Auf dem Weg zu dem überraschenden, glücklichen Ende offenbart sich Charlotte immerhin das lange gehütete Geheimnis einer großen tragischen Liebe.
Martina Dierks erzählt die Geschichte der Malenkes mit viel Sinn für Situationskomik und einem offenen Blick für die alltäglichen menschlichen Schwächen. So bleibt es nicht aus, daß der schmunzelnde Leser, egal ob Oma, Mutter oder Tochter, so manche Ähnlichkeit mit der eigenen Familie feststellen kann.