Eine Rezension von Christa Niemann


Superweiber oder „nur“ Powerfrauen?

Hera Lind: Das Weibernest

Reihe „Die Frau in der Gesellschaft“. Herausgegeben von Ingeborg Mues.

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1997, 362 S.

 

Die Autorin läßt in ihrem nunmehr fünften Roman die Hauptfigur, eine erfolgreiche Bestsellerautorin, eine in vieler Hinsicht folgenreiche Entscheidung treffen. Um Franka Zis reißen sich die Medien. Mit drei Kindern, einem Lebensgefährten, zwei guten Geistern im Haus und beruflichem Erfolg könnte sie eigentlich zufrieden sein, wenn da nicht Enno wäre. Enno Winkel, seit sieben Jahren ihr Lebensgefährte und Vater ihres dritten Kindes, ist Rechtsanwalt und ständig damit beschäftigt, sie medienwirksam zu vermarkten. Als öffentliche Person unter der Fuchtel Ennos fühlt sie sich eingeengt und nicht mehr als sie selbst. Als Enno ihr wieder einmal anträgt, ihn zu heiraten, um geordnete Verhältnisse zu schaffen, beschließt sie, sich zunächst von ihm zu trennen. Sie fährt kurz entschlossen mit ihren drei Kindern in die Schweiz, um Urlaub zu machen, dabei Abstand von den Ereignissen zu gewinnen und über weitere Schritte nachzudenken. Diese Trennung wird, so ist der Lauf der Ereignisse, endgültig sein.

Es trifft sich gut, daß ihr zur gleichen Zeit von einem Fernsehsender in Gestalt des Programmdirektors eine eigene Talkshow angeboten wird. Franka, voller Tatendrang und fest entschlossen, ihr Leben einschließlich des Erfolgs selbst zu gestalten, nutzt mutig die Chance und sagt zu.

Die Autorin schildert nun in burschikosem, manchmal auch etwas biederem Stil den steinigen Weg von der blutigen Anfängerin im Showgeschäft zur einigermaßen erfolgreichen Fernsehmoderatorin. Auf diesem Weg gibt es überraschende Begegnungen und interessante Bekanntschaften, die zum Teil ihr weiteres Leben bestimmen. Sie lernt Marie kennen, in der sie eine Gleichgesinnte erkennt und mit der sie auf Anhieb eine herzliche Freundschaft verbindet. Marie, auch eine Frau um die Vierzig, hat sich gerade von ihrem Mann getrennt. Voller Power und Optimismus möchte sie nach ihrer Scheidung trotz oder gerade wegen ihrer Kinder noch einmal von vorn beginnen. Ihr schwebt vor, eine Kampfsportschule für Frauen einzurichten und ein Modeatelier für die Frau über Vierzig zu gründen, für das sie die Kollektionen selbst entwirft. Als ehemalige Modedesignerin, die ihren Beruf wegen ihres Mannes aufgegeben hat, sieht sie so eine Möglichkeit für eine erfolgreiche Selbstverwirklichung.

Franka, ebenfalls am Beginn einer neuen, eigenständigen Karriere, ist begeistert von so viel Enthusiasmus und engagiert sich sofort für diese Projekte. Beide sind zu der tiefgründigen Erkenntnis gekommen, daß Männer und Frauen sowieso nicht zusammenpassen. Man kann Männer zwar lieben, aber nicht mit ihnen leben. Sie stehen übereinstimmend auf dem Standpunkt, daß Frauen zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen müssen, um auch ohne die Hilfe von Männern erfolgreich zu sein. Fest entschlossen gründen sie gemeinsam mit zwei Gleichgesinnten - Alma mater, der jung und aktiv gebliebenen Mutter Ennos, und Paula, der Erzieherin von Frankas Kindern - eine muntere Wohngemeinschaft, genannt Das Weibernest.

Das Unternehmen Weibernest kann allerdings nur so ablaufen, wie es nun abläuft, weil es absolut frei von existentiellen Sorgen ist. Es ist finanziell abgesichert durch Erträge aus früheren Ehen Frankas und Maries und Frankas Erfolgen als Autorin. Probleme, die auftreten, sind ausschließlich organisatorischer und emotionaler Natur und werden meist auf amüsante Weise gelöst.

Frankas Kampf um Erfolg findet in einem Berliner Fernsehstudio statt, in dem die Staffeln für ihre Fernsehshow aufgenommen werden. Ihr Leben spielt sich fortan zwischen Berlin und Köln ab. In Berlin kämpft sie einerseits gegen eine überhebliche Chefredakteurin und andererseits gegen ihr eigenes Unvermögen. In Köln tankt sie im Weibernest im Kreise ihrer Kinder und Freundinnen wieder Kraft für die nächste Staffel und unterstützt Marie bei der Realisierung ihrer Projekte.

Hera Lind schildert einen fröhlichchaotischen Weg zum Erfolg, an dem alle Beteiligten des Weibernestes, einschließlich die zahlreich vorhandenen Kinder, ihren Anteil haben.

Beide Frauen verbindet neben positiver Lebenseinstellung, gegenseitiger Zuneigung, Erfolgswillen und Harmoniebestreben eine weitere Gemeinsamkeit, die hier nicht verraten wird. Sie ist eine Fügung des Schicksals bzw. eine pikante Idee der Autorin.

Der Roman erhebt keinen Anspruch auf Ernsthaftigkeit. Die amüsante Lebensabschnittsbeschreibung von vier Powerfrauen, die möglichst alles - Kinder, beruflichen Erfolg ohne und persönliches Glück mit Mann - haben wollen, sollte man mit Augenzwinkern und reichlich Toleranz lesen. So wird das Buch sicher seine Leserschaft finden.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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