Eine Rezension von Maria Careg


„Kunst ist nichts. Geheimrat ist alles.“

Helga Bemmann: Theodor Fontane

Ein preußischer Dichter.

Ullstein Verlag, Berlin 1998, 440 S.

 

Ewig mißtrauisch war er, dieser Theodor Fontane, ewig nörgelig. Immer fühlte er sich ungenügend beachtet, unzureichend gewürdigt. Sein Leben bewegte sich zwischen den beiden Polen, die sein Zitat in der Überschrift markiert. Ein großer Dichter wollte er sein, ein anerkannter darüber hinaus. Und die Geheimratswürde hätte ihm ganz selbstverständlich zugestanden - wie er meinte. Die sowohl von ihm als auch von der Literaturwissenschaft vielfach behauptete späte und spärliche Anerkennung seines Werkes kann derart pauschal nicht belegt werden, wie sich hier erweist. Es gab im Gegenteil sehr viel Zustimmung zu seinen Gedichten, später auch zu den Prosaschriften - den Wanderbüchern, den hervorragenden militärischen Abhandlungen, den Romanen. Gerade letztere brachten ihm, dem bejahrten Schriftsteller, große Anerkennung auch bei der jungen Generation. Seine lebenslangen Klagen über seine angespannte finanzielle Situation sind legendär. Aber er hatte auch zeitlebens Freunde in hohen Positionen, die ihm finanziell und mit ihren Beziehungen selbstlos halfen. Dankbarkeit durften sie dafür wenig erwarten. Fontane erhielt Gnadenerweise seitens des Kaisers (darunter eine gutdotierte Stelle mit Pensionsanspruch, die seine Finanzprobleme schlagartig gelöst hätte) - er befand sie für zu gering oder wies sie zurück, aus einer Laune heraus, aus momentaner Verstimmung. Kurz, er stand sich meistens selbst im Weg. Das ist das Bild, das Helga Bemmann in ihrer Biographie des „preußischen Dichters“ zeichnet. Sicher zu Recht, wie sich aus zahlreichen Zeugnissen von Zeitgenossen ergibt. Die Biographin bemüht sich um Ausgewogenheit, es wird auch der gutmütige, freundliche Fontane, der liebenswürdige Plauderer erwähnt, der Nachhall indes bleibt ein anderer. Einer seiner Jugendfreunde konnte „wenig Charakter an ihm bemerken“, und so verstand es Fontane, sich den Gegebenheiten des Lebens anzupassen und seine Freundschaften nach gesellschaftlichen Opportunitäten einzurichten. All dies ist hinlänglich bekannt. Auch, daß seine Gesundheit ebenso instabil war wie sein Gemüt, daß er von Krise zu Krise lebte. In den Phasen des Wohlbefindens war er der akribische, besessene Arbeiter, der begnadete Erzähler, der so wundervolle Werke zustande brachte, wie wir sie heute noch lieben. Die zumeist als problematisch beschriebene Beziehung zu seiner Frau, ihre angebliche Unfähigkeit, sein Schaffen hinreichend zu würdigen, stellt sich in Helga Bemmanns Biographie anders dar als gewohnt. Mit einem schwierigen, weltfremden Mann als Lebensgefährten, der sich selbst als „querköpfig, eigensinnig und selbstgerecht“, als „ewig Opfer seiner Eitelkeiten“ erkannte, blieb für sie nur wenig Spielraum. Zeitlebens mit den Reinschriften seiner Werke beauftragt, hatte sie ein umfangreiches Pensum und damit ihren Anteil an seinem Schaffen zu bewältigen. Ihre Bemerkungen und Hinweise aber wurden von ihrem Mann zurückgewiesen. Die gegenseitige Zuneigung blieb dennoch lebenslang. Leider wird in der Biographie das Familienleben der Fontanes bis auf ein paar Eckdaten gänzlich ausgeklammert, womit für mich ein wichtiger Mosaikstein im Bild des Menschen Theodor Fontane fehlt.

Das literarische Werk Fontanes und seine Bedeutung zu seinen Lebzeiten werden von der Autorin umfassend gewürdigt. Sein dichterisches Wirken - er begann als Kind mit der Dichterei -, das viele Jahre seines Lebens bestimmte, tritt (anders als zu seiner Zeit) heute glücklicherweise in den Hintergrund. Helga Bemmann dagegen setzt hier einen Schwerpunkt an und zwingt den Leser in ihrer Detailversessenheit von Gedicht zu Gedicht. Die Biographie verliert sich, besonders in der ersten Hälfte, in den Mäandern Fontanescher Literatur- und Lebenszeichen. Die Sprache bleibt so spröde wie die Fakten. Statt mit erzählerischverdichtender Raffinesse werden diese unbarmherzig chronologisch aneinandergereiht. Es bleibt dem Leser die schwere Arbeit, daraus ein Gesamtbild zu schaffen. Eine sinnvolle Auswahl hätte hier wesentlich hilfreicher sein können, zumal Helga Bemmann als routinierte Biographin bekannt ist durch mehrere schöne Biographien von Tucholsky bis Rilke.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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