Eine Annotation von Licita Geppert
Grisham, John:
Der Partner
Roman. Aus dem Amerikanischen von Christel Wiemken.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1998, 511 S.
Das Leben auf der Flucht steckte voller Träume; manche kamen nachts, während des Schlafs, wirkliche Träume, und andere, wenn der Verstand wach war, sich aber in Tagträumen verlor. Die meisten waren beängstigend, Alpträume von den Schatten, die immer kühner und größer wurden. Andere waren Wunschträume von einer rosigen, von der Vergangenheit befreiten Zukunft. Aber die waren selten, wie Patrick lernen mußte. Leben auf der Flucht war Leben in der Vergangenheit. Es gab keinen Schlußpunkt.
Der Held scheint seine glänzende Zukunft hinter sich zu haben, denn Patrick Lanigans Flucht ist bereits am Beginn des Buches beendet. Tief im Landesinnern Brasiliens, wo er ein bescheidenes Dasein führte, wird der - typisch für Grisham - einstige Anwalt und Partner einer renommierten Kanzlei in Biloxi/Mississippi aufgespürt. Aufgespürt von amerikanischen Kopfgeldjägern, die hinter ihm beziehungsweise dem von ihm gestohlenen Geld her sind. Es handelt sich um die bescheidene Summe von 90 Millionen Dollar, die er mittels eines gerissenen Coups in seinen Besitz bringen konnte. Seine einzige Vertraute und gleichzeitige Geliebte ist die brasilianische Anwältin Eva Miranda, die auch als einzige den Verbleib des Geldes kennt und damit kurze Zeit nach Patricks Aufgreifen ebenfalls zur Gejagten wird. Obwohl es die Rezensentin dazu drängt, verbietet sich leider die Preisgabe weiterer Details über die Handlung an dieser Stelle, um dem Leser die Spannung an dem atemverschlagenden Thriller nicht vorab zu nehmen. Es sei nur soviel verraten: Nichts ist, wie es scheint, alles bleibt anders, unentwegt werden Romanfiguren wie Leser mit überraschenden Wendungen und unglaublichen Erkenntnissen konfrontiert, bis hin zu einer völlig unerwarteten Schlußpointe. Dieser routiniert geschriebene Grisham entbehrt der üblichen Brisanz in der Themenwahl, der Ausgangspunkt ist geradezu banal, was aber den Lesereiz eher erhöht statt mindert. Die Stationen des Verschwindens, des Geldraubs, der Flucht werden vor dem Leser aus verschiedenen Blickwinkeln aufgerollt, vor dessen staunendem Auge sich ein gigantisches Szenario zu entwickeln beginnt. Patrick Lanigan manipuliert ebenso gekonnt die Menschen, nicht nur in seiner Nähe, wie Grisham den Leser, der schon recht früh auf die Seite des Mörders und Gejagten wechselt. Letztendlich ist Lanigans Traum der Traum vieler, und die ihn jagen, beneiden ihn um seine Gerissenheit, die neue Identität und um das Geld. Man kann Probleme hinter sich lassen. Das ist uns angeboren. Wir sind die Nachkommen von Immigranten, die erbärmliche Lebensverhältnisse hinter sich ließen und auf der Suche nach einem besseren Leben hierher kamen. Und dann sind sie weitergezogen, nach Westen, haben ihre Sachen zusammengepackt und sich auf die Reise gemacht, getrieben von der unstillbaren Sehnsucht, reich zu werden. Wohin soll man sich heutzutage wenden, wenn uns dieser Ort verlorengegangen ist? Patrick Lanigan ist seinen Weg gegangen. Hat er auch sein Ziel erreicht? Folgen Sie den Spuren seiner grandiosen Geschichte, wenigstens durch die 500 Seiten des Buches!