Eine Rezension von Waldtraut Lewin

Ein Vulkan ohne Feuer

Antonio Sarabia: Die Hüter des Vulkans

Roman.

Aus dem mexikanischen Spanisch von Björn Goldammer.

Ullstein Verlag, Berlin 1998, 208 S.

 

Das ist ein Sujet, wie wir es aus Lateinamerika lieben. Wilde Natur und dörfliche Begrenztheit, Wunderheiler und Katholizismus, eine Frau, die unschuldsvoll und wissend zugleich ist, und jede Menge magisches Geschehen. Eine Mischung, die verheißungsvoll ist. Die ganze Sache hat nur einen Fehler: Der Autor ist kein Literat. Antonio Sarabia hat als Rundfunkjournalist gearbeitet, bevor er mit der Belletristik anfing, und wenn auch der Klappentext ihn als „eine der bewegendsten Erzählstimmen unserer Tage“ bezeichnet - der gute Wille allein tut’s nicht.

Sarabia bedient sich der Figur eines Erzählers, bei dem es sich offenbar um so etwas wie einen dörflichen Briefsteller handelt. Merkwürdigerweise schreibt dieser Erzähler zunächst in der Wir-Form, so daß man ein ganzes Konsortium von Schreiberlingen hinter ihm vermutet, was aber offensichtlich nicht der Fall ist.

Zu berichten weiß er, daß in ihrem Dorf unter den Hängen des Vulkans ein Mädchen heranwächst, das (durch Linkshändigkeit „markiert“) bald in die Fußstapfen ihrer Tante, einer Kräuterheilerin, tritt. Zudem zeigt sich, daß offenbar der Vulkan mit beträchtlicher Eifersucht über sie wacht - jedenfalls macht er dem jungen Vulkanologen, mit dem sie anbandelt, schon nach der ersten Liebesnacht den Garaus. Auf dem Totenbett vertraut ihre Tante ihr an, daß sie einen Geliebten gehabt hat, dem sie ein bestimmtes Kästchen zurückgeben soll, ohne den Namen desjenigen zu nennen. Vier mehr oder weniger skurrile Typen des Dorfes, die - wie sich später entpuppt - Hüter des Vulkans, kommen dafür in Frage. Und als sie schließlich den rechten erwischt hat, wird sie selbst quasi mythisch vom großen Berg aufgesogen. Das hört sich alles ganz spannend an und hätte durchaus das Zeug zu einer bewegenden Geschichte außerhalb des Mainstream - wenn Männer wie Marquez oder Llosa sie in der Mache gehabt hätten. Aber von literarischem Atem, vom Zauber durchs Detail, vom farbigen Ausschildern einer Szene ist hier nichts zu merken. Es wird in gleichförmigem Fluß erzählt. Besser kann es der Dorfschreiber hinter seiner alten Schreibmaschine nicht. Punktum. Bei alledem habe ich nach der Lektüre dann noch nicht einmal verstanden, was es soll. Dieser machtvolle und geheimnisvolle Vulkan, der offenbar der menschlichen Vermittlung oder Wartung bedarf! Diese Auserwählten, von denen letztlich keiner so richtig weiß, wozu sie eigentlich auserwählt sind! Zum Schluß gar das Absorbieren der Heldin. Tja.

Wenn man bedenkt, mit welch finsterer Grandezza, mit welcher Hintergründigkeit und gleichzeitigem Realitätsbezug Llosa in seinem letzten Meisterwerk den Mythos zitiert - dann frage ich mich, warum ich diesen sicher achtenswerten, aber in keiner Weise aufregenden Import von jenseits des großen Teiches nun unbedingt auch noch in Europens, respektive Deutschlands Bücherregalen finden muß.

Ich habe mich, und das will was heißen, zum ersten Mal im Leben bei einem Latino gelangweilt. - Schade.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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