Eine Belletristik-Annotation von Bernd Heimberger

Grimsley, Jim:

Dream Boy

Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert.

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1997, Bd. 13758, 167 S.

 

„Auch ein schöner Rücken kann ...“ Kennen wir! Ein abgedroschenes Sprüchlein, nicht wahr? Offenbar nicht für den Fischer Taschenbuch Verlag. Ein schöner männlicher Rücken und seine nicht minder schöne Verlängerung, die Jim Grimsley schleimscheißerisch Po zu nennen pflegt, ist auf dem Titelumschlag von Grimsleys neuem Roman Dream Boy zu sehen. Schwule Klischees „springen“ uns an. Und halten, was sie versprechen? Ja, ja, ja! Der „kleine“ Nathan kriegt tatsächlich seinen Traumboy: den „großen“ Roy. Nachbarjunge liebt Nachbarjunge. Zwei Boys bewegen sich im Dunstkreis von Elternhaus, Schule und Camping. Der Atem - eine vom Autor gern gebrauchte Vokabel-, also der Atem der Pubertät, weht durch den Roman. Kein Atem, den die Leser riechen und hören können, wie Nathan Roys Atem riecht und hört. Kein Atem, der vor Aufregung atemlos macht und vor Spannung den Atem verschlägt. Das sind nur Nathans Erfahrungen. Sie bleiben das auch, als der Erzähler den Roman in einer dramatischtragischen Szene rigeros zuspitzt. Der immer wieder mißbrauchte Nathan, der Liebe nur in der Nähe von Roy - und durch sie - spürt, wird das Opfer sexueller Gewalt. Auch das ist nicht jenseits der Klischees. Auch das wäre nicht der besonderen Beachtung wert, wäre Grimsleys Geschichte nicht eine, die für die Hilflosigkeit homosexueller Liebe steht. Einer Liebe, die geradezu zwanghaft - oder erzwungen? - zur Verleugnung neigt. Einer Liebe, die sich zu selten selbst verteidigt und deshalb so leicht zu stören und zu zerstören ist. Grimsleys schöne Liebesgeschichte wird gruslig. Wird alptraumhaft. Wird scheußlich. Das will der Erzähler seinen Lesern nicht ersparen. Der Roman jagt Schwärmern einen Schrecken ein und kippt garantiert das Klischee vom schönen schwulen Sein. Das es gar nicht gibt?


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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