Eine Sachbuch-Annotation von Christel Berger
Winkler, Gisela:
Circus Busch
Geschichte einer Manege in Berlin.
Be.bra Verlag, Berlin 1998, 131 S.
Erzählt wird - nein: sachlich berichtet, das trifft den Stil - die Geschichte des Berliner Circus Busch, der 1884 von Paul Busch gegründet worden war und nach großen Erfolgen und zunehmenden Pleiten 1961 in Konkurs ging. Die meiste Zeit stand eine Chefin diesem Unternehmen vor: Paula Busch, des Gründers Tochter, eine couragierte und interessante Frau, zäh und einfallsreich, wenn es um die Existenz ihres Circus ging, aber zwei Monate nach Erhalt des Bundesverdienstkreuzes - alleingelassen von Kommune und anderen möglichen Helfern - mußte sie 75jährig doch aufgeben ... Sie hatte nicht nur das Circusblut des Vaters geerbt, sie hatte auch studiert, sie trat in der Manege auf und schrieb Bücher, auch Drehbücher für Manegenschauspiele, die einmal der große Renner waren und heute fast ganz vergessen sind.
Gisela Winkler hat akribisch alle verfügbaren Dokumente studiert und verfolgt und mit deren Beweiskraft die Geschichte des Circus: Wann die jeweiligen Bauten erfolgten, welche Programme es gab, wie die Presse reagierte, was über die Finanzen zu erfahren war. Sie nennt die Bücher Paula Buschs und zitiert daraus und führt - so vorhanden - auch andere Quellen an, die die jeweiligen Fakten entweder bestätigen oder in ein anderes Licht setzen. So entsteht ein sehr genaues und teilweise widersprüchliches Bild eines Circusunternehmens von den Gründerjahren bis heute. Die Zeit des Nationalsozialismus bietet im besonderen Gelegenheit, sowohl die Widersprüchlichkeit des Unternehmens als auch der Aussagen darüber bloßzulegen. Zum einen mußte sich Paula Busch arrangieren, zum anderen half sie Gefährdeten, was dazu führte, daß sie denunziert wurde. Nach 1945 steht sie vor der Entnazifizierungskommission, und es sind teilweise dieselben Namen, die ein mal be- und nun wieder entlasten. So haben überhaupt einige Lebensdetails von Paula und ihrer Tochter Michaela das Zeug für einen spannenden Circus-Film.
Obwohl die Autorin eng an ihrem Fall Paul/Paula Busch bleibt, erfährt der Leser auch viel Allgemeingültiges über die Geschichte des deutschen Circus im 20. Jahrhundert - die Höhepunkte und Sterbestunden, die Glanzlichter und die Verwirklichungen. Auch einige Personen und ihre Schicksale werden (in der gebotenen Sachlichkeit) vorgeführt, so daß insgesamt ein Stück (nicht nur) Berliner Geschichte festgehalten wird, das nicht in Vergessenheit geraten soll.