Eine Rezension von Grace Maier
Tristesse eines LebensVictor Aadlon: Alles im Fluß
MännerSchwarmSkript, Hamburg 1997, 192 S.
Wie setzen sich schwule Autoren bzw. literarische Figuren mit ihrer Lebensrealität auseinander? Meinen Leseerfahrungen nach so verschieden wie heterosexuelle und also manchmal eben auch, wie in dem vorliegenden Fall, auf einem pure Langeweile verbreitenden banalen Niveau.
Carl ist vierunddreißig und leidet an einer vorgezogenen Midlifecrisis. Er hat viele schöne Sachen wie Funktelefon und Fax und Laptop und (m)eine schöne Wohnung ... Yves-Kleinblau die Küche, bougainvillea der Flur, koralle könnte man auch sagen, orange das Klo, lime oder giftgrün das große Zimmer, das Bad bemalt wie ein Dschungel ... (S. 6, 9, 10) - na ja, über Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten. Sein Beruf, was immer der ist, spielt zwar in der Geschichte, und das heißt in dem nüchtern bis monoton erzählten Alltag des Helden, kaum ein Rolle, erlaubt ihm aber, ein sorgloses und recht komfortables Leben zu führen. Und doch ist Carl ziemlich schlecht drauf: Ich will meine Ruhe; ein bißchen kochen, ein bißchen Musik hören, meinen Tag vertrödeln und vielleicht heute abend ins Kino. Was einkaufen sollte ich auch noch, aber selbst das ist mir zuviel. (S. 11) So reduziert, wie seine Bedürfnisse, so reduziert wirkt das soziale Umfeld, in dem er sich bewegt; Personen, zu denen er eine engere, gar emotionale Bindung hat, scheinen (außer Oma und Mutter) nicht zu existieren, lediglich ein paar namenlose Bekannte finden Erwähnung. Immerhin spürt Carl, daß ihm etwas fehlt. Um der Tristesse seines Daseins zu entfliehn, hält er Ausschau nach einem Mann. Nicht nach irgendeinem - Nach Hamburg bin ich ja auch deswegen gezogen, weil in der Stadt, in der ich vorher gelebt habe, alle, aber auch wirklich alle Plätze schon mit irgendeiner Erinnerung an irgendeinen Mann behaftet waren. (S. 47) -, sondern nach dem Mann fürs Leben. Und so fokussiert sich sein Blick fast wie von selbst auf geile Ärsche, über die, wie zu erfahren ist, u. a. Fahrradkuriere verfügen. Dann, endlich, tritt François, ein Franzose auf Besuch in Hamburg, in sein ödes Leben - leider ohne spürbaren Schwung in dasselbe und diese Geschichte zu bringen, von geistiger Substanz und psychologischem Tiefgang gar nicht zu reden. Dieser synthetischen Beziehungskiste ist, auch wenn Carl es nicht zur Kenntnis zu nehmen versucht, von Anfang an keine Zukunft beschieden - was bleibt ihm letztendlich da anderes übrig, als weiter nach geilen Ärschen zu schielen.
Der Autor dieser als Roman untertitelten Story arbeitet, so heißt es in dem Rückseitentext, freiberuflich in ganz Deutschland, indem er auf unterschiedliche Art und Weise gute Laune verbreitet. Das ist ihm mit dieser Geschichte über die Sinnkrise eines schwulen jungen Mannes gründlich mißlungen - jedenfalls bei mir.