Eine Rezension von Bernd Sander
Ein Journalist erzählt
Klaus Polkehn: Das war die Wochenpost
Geschichte und Geschichten einer Zeitung.
Christoph Links Verlag, Berlin 1997, 375 S.
Die Wochenpost war ohne Zweifel über Jahrzehnte hinweg eine der interessantesten und beliebtesten Wochenzeitungen der DDR. Sie war gewissermaßen ein Wochenblatt für jung und alt, ein Familienblatt, in dem jeder das für ihn Interessante fand. Häufig wurde sie im Verwandten- und Bekanntenkreis weitergereicht, und gar dann und wann war sie nur durch gute Beziehungen und einen kleinen Aufpreis unter dem Ladentisch zu erhalten, denn es gab keine andere vergleichbare Zeitung. Ein Abonnement zu erhalten war äußerst schwierig, und glücklich war derjenige, der eins hatte.
Mit knapp 1,3 Millionen wöchentlicher Auflage - und man rechnete damit, daß weitere drei bis vier Leser das Blatt in die Hände bekamen - war sie die meistgelesene Zeitung der DDR. Und sie war billig, sie kostete lediglich 30 Pfennig. Theoretisch bestand zwar die Möglichkeit, die Auflagen noch zu steigern, doch das scheiterte stets an der strengen Papierkontingentierung.
Warum diese Zeitung so beliebt war, das beschrieb im nachhinein die Süddeutsche Zeitung treffend: Es war wohl das Geheimnis des Blattes, daß es das Lebensgefühl des Landes ziemlich genau widerspiegelte und auch nicht viel opportunistischer war als die meisten Leser.
Klaus Polkehn (Jahrgang 1931), der von 1954 bis 1991 und davon seit 1968 als Stellvertretender Chefredakteur in der Wochenpost arbeitete, hat mit Das war die Wochenpost ein äußerst interessantes und lebendig geschriebenes Buch vorgelegt, das vor allen Dingen durch seine detaillierte Sachkenntnis besticht. Treffend ist auch der Untertitel Geschichte und Geschichten einer Zeitung gewählt.
Der Leser erfährt, wie und wann die Zeitung auf Weisung des Zentralkomitees der SED gegründet worden war. Mit vielen Anekdoten wird über die ständige Einflußnahme des ZK, konkret der Agitationskommission beim ZK, auf den Inhalt des Blattes berichtet und wie die Chefredaktion so manche Gratwanderung machen mußte, um einerseits den Bedürfnissen der Leser gerecht zu werden, aber um andererseits kein Tabu oder eine vorgegebene Redewendung um der eigenen Existenz willen zu verletzen. Und es wird von einigen Fällen berichtet, wie auch die Staatssicherheit sich in die Belange des Blattes eingemischt hat, z. B. bei der Berichterstattung über die Suche nach dem Bernsteinzimmer.
Feinfühlig schildert der Verfasser, wie die Zeitung mit der Fülle von Leserbriefen (darunter einige nicht veröffentlichte) umgegangen ist. Abgesehen von einigen Kuriositäten, widerspiegelten sie die Stimmung der Bevölkerung, und nicht alle abgedruckten Leserbriefe fanden die Zustimmung der Obrigkeit. Um diese sowie einige brisante Themen in die Zeitung zu bringen, dazu gehörte in jener Zeit viel Fingerspitzengefühl, aber auch Mut.
Ironisch schildert Polkehn, wie man durch den chronischen Devisenmangel gezwungen war, bei westdeutschen Zeitungen und Zeitschriften Fotos, Karikaturen und Zeichnungen zu klauen und dabei auch einmal kräftig auf die Nase fiel.
Wie kam es, daß die Wochenpost so etwas wie ein weißer Rabe in der DDR-Medienlandschaft war? Befanden wir uns in einer der legendären Nischen dieser ,Nischengesellschaft? Wenn ja, wie konnten wir dahin geraten? Weil man uns ließ? Vorsätzlich sozusagen? Hat man uns Freiräume zugestanden? Haben wir sie uns erobert? fragt der Autor. Das gesamte Buch und seine thematischen Kapitel geben darauf Antwort.
Bedauerlicherweise ist der zum Teil kuriose Niedergang dieser beliebten Zeitung nach der Wende etwas zu kurz geraten. Wie der Autor treffend schreibt, konnten die neuen Herren (Gruner und Jahr) mit der Wochenpost nichts anfangen. Was nicht sonderlich verwundert. Die Wochenpost war ein eigenes DDR-Gewächs, das in keine westdeutsche Schublade paßte, so Polkehn.
Die Geschichte der Wochenpost, die einst mit dem Verdienstorden der DDR ausgezeichnet worden war, fand nach 43 Jahren ihr (bitteres) Ende. Das geschah zwar nicht so abrupt und brutal wie bei anderen DDR-Zeitungen und -Zeitschriften, eher sanft, aber eben auch gnadenlos. Am 22. Dezember 1953 erhielt der Leser die erste Ausgabe und am 23. Dezember 1996 die letzte. In dieser Zeit waren 2 244 Ausgaben mit 72 144 Druckseiten erschienen, die zum großen Teil ein Stück Zeitgeschichte der DDR widerspiegelten.
Wer sich etwas für die Medienlandschaft der DDR interessiert, erfährt in diesem Buch viel über die Arbeitsweise einer Redaktion, besser gesagt dieser Redaktion, über Teamgeist, über die Arbeit mit den Autoren sowie mit den Lesern - und das alles gewissermaßen eingeordnet in die Geschichte der DDR. Das Buch Das war die Wochenpost ist ein Stück lesenswerte Zeitgeschichte.
Klaus Polkehn, den ich als Vollblutjournalisten kennen- und schätzengelernt habe und für dessen Zeitung ich rund zwei Jahrzehnte journalistisch tätig war, hat verschiedene Bücher geschrieben, insbesondere über die arabische Welt. In all seinen Reportagen, Berichten und Büchern spürt man das journalistische Engagement für jenes Problem, mit dem er sich gerade beschäftigt. Seine Sprache ist nie eintönig, sondern vielfältig und locker und fesselt den Leser so auf eine besondere Art und Weise.