Eine Rezension von Alfred Loesdau

Geschichte der USA im Spiegel ihrer Präsidenten

Jürgen Heideking (Hrsg.):

Die amerikanischen Präsidenten 41 historische Portraits von George Washington bis Bill Clinton.

C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1995, 468 S.

 

Das Buch verknüpft drei Ebenen miteinander: die Lebensgeschichte der Präsidenten, die Entwicklung der Präsidentschaft als Institution sowie die inneren und äußeren Wirkungsbedingungen der Präsidenten. Die Autoren sind um einen weitgehenden Kontext des Schicksals der höchsten Repräsentanten der USA mit den Höhen und Tiefen der Geschichte der amerikanischen Nation bemüht.

In dieser Geschichte werden verschiedene Phasen unterschieden: die Zeit der Gründerväter von 1789 bis 1829 (George Washington, John Adams, Thomas Jefferson, James Madison, James Monroe, John Quincy Adams), die Phase der beginnenden Parteiendemokratie von 1829 bis 1845 (Andrew Jackson, Martin Van Buren, William H. Harrison, John Tyler), Expansion und nationale Krise von 1845 bis 1861 (James K. Polk, Zachary Taylor, Millard Fillmore, Franklin Pierce, James Buchanan), Bürgerkrieg und Wiedereingliederung des Südens von 1861 bis 1881 (Abraham Lincoln, Andrew Johnson, Ulysses S. Grant, Rutherford B. Hayes, James A. Garfield), das „Vergoldete Zeitalter“ von 1881 bis 1897 (Chester A.Arthur, Grover Cleveland, Benjamin Harrison, nochmals Grover Cleveland), Imperialismus und Erster Weltkrieg von 1897 bis 1921 (William McKinley, Theodore Roosevelt, William H. Taft, Woodrow Wilson), das republikanische Zwischenspiel von 1921 bis 1933 (Warren G. Harding, Calvin Coolidge, Herbert C. Hoover), die liberale Ära von 1933 bis 1969 (Franklin Delano Roosevelt, Harry S. Truman, Dwight D. Eisenhower, John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson), die konservative Wende seit 1969 (Richard M. Nixon, Gerald R. Ford, Jimmy Carter, Ronald W. Reagan, George Bush, Bill Clinton).

In einem einleitenden Beitrag skizziert der Herausgeber Jürgen Heideking, Professor für angloamerikanische Geschichte an der Universität Köln, Entstehung und Geschichte der Präsidentschaft in den USA. Dabei werden die verfassungsmäßigen Kompetenzen des Präsidenten, das Verhältnis von Kongreß, Parteien und Präsidenten, der Durchbruch zur modernen Präsidentschaft (sowohl die quantitativen als auch die qualitativen Veränderungen des Regierungssystems) untersucht. Die Darstellung kulminiert in der Analyse der in den 1970er Jahren durch Vietnam und Watergate ausgelösten Krise der Präsidentschaft in Gestalt der sog. „Imperial Presidency“ - imperial sowohl hinsichtlich der äußeren Beziehungen der USA als auch in bezug auf ihre innere Verfassung.

Dabei widmet er sich der Frage, woran Größe, Mittelmäßigkeit und Scheitern eines Präsidenten gemessen werden könnten. Er hebt den persönlichen Einfluß auf Regierung und Verwaltung, das öffentliche Ansehen und die Glaubwürdigkeit des Präsidenten, seine geistig-moralischen Qualitäten und Führungskraft, seine Menschenkenntnis und Personalentscheidungen, sein Verhältnis zum Kongreß und zu seinen Parteianhängern sowie nicht zuletzt die Fähigkeit, den vermeintlichen weltweiten Missionsauftrag der USA zu vermitteln, hervor. „Größe, Mittelmäßigkeit und Scheitern eines Präsidenten messen sich also letztlich daran, inwieweit er in diesem komplexen Beziehungsgefüge das Macht- und Einflußpotential seines Amtes ausschöpft, ohne die Grenzen zu überschreiten, die ihm Geist und Buchstabe der Verfassung setzen.“ (Jürgen Heideking, S. 47)

Den Hauptteil des Buches nehmen die biographischen Porträts der Präsidenten ein, verfaßt von zwanzig Autoren, die als ausgewiesene Amerikanisten gelten. Diese Abrisse vermitteln in komprimierter Form die Lebensläufe der Präsidenten der USA, d. h. sie behandeln ihr Leben vor, während und nach der Präsidentschaft. Herkunft, Bildung, Beruf, der Einfluß der Ehefrau, die gesellschaftliche Position, Charakterstärken oder auch -schwächen, Neigungen, Verfehlungen, Einflußbereiche, Führungsstil dieser Männer fügen sich zu eindrucksvollen Lebensbildern zusammen, die den schwierigsten Job der Welt gemeinsam haben, sich aber in vielerlei Hinsicht voneinander unterscheiden. Die einen waren vor ihrer Amtszeit Rechtsanwalt, die anderen General. Der jüngste Präsident war bei Amtsantritt 43 Jahre alt (John F. Kennedy), der älteste 69 Jahre alt (Ronald Reagan). Republikaner lösten Demokraten ab und umgekehrt. Einige Präsidenten waren und sind sehr beliebt und zu mythischen Figuren geworden (so besonders George Washington, Thomas Jefferson und Abraham Lincoln), über andere gab und gibt es höchst kritische Äußerungen. Letztlich ist das Leben eines jeden einzelnen informativ und aufschlußreich für die Vielfalt des „American Way of Life“.

Schließlich werden in einem umfangreichen Anhang des Buches dem Leser eine kommentierte Bibliographie, statistisches Material über die Präsidentschaftswahlen und die Parteienstärke im Kongreß, eine Übersicht über die Amtszeiten der amerikanischen Präsidenten, ein Autorenverzeichnis und ein Personenregister geboten.

Summa summarum: Angesichts der Tatsache, daß die Präsidenten der USA mehr oder weniger die internationale Politik beeinflussen und im 20. Jahrhundert eine besondere Verantwortung für den Weltfrieden tragen, und angesichts des Umstands, daß die meisten Präsidenten in Deutschland kaum bekannt sind - im Hinblick auf die nunmehr engen deutsch-amerikanischen Beziehungen offenbar ein eklatanter Mangel - hilft das Buch (von dem 1997 eine 2., durchgesehene und aktualisierte Auflage erschienen ist), eine unübersehbare Lücke im gegenwärtigen Amerikabild zu schließen.


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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