Literatur-Kalender April 1998

 

Wie in den vorangegangenen Heften, setzen wir mit dieser Ausgabe die Aufstellung literarischer Gedenktage fort. Neu ab diesem Heft ist eine Auflistung im Buchhandel lieferbarer Literatur mit den wichtigsten bibliographischen Angaben. Dabei erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit; es soll eine Anregung sein, sich mit den Werken der Dichter zu befassen.

2. April August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 200. Geburtstag

* 2. 4. 1798 Fallersleben

† 19. 1. 1874 Corvey (Weser)

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (eigentlich August Heinrich Hoffmann, nannte sich nach seinem Geburtsort Fallersleben [heute Ortsteil von Wolfsburg] im damaligen Kurfürstentum Hannover „von Fallersleben“) - deutscher Dichter, Lyriker und Literaturwissenschaftler. Angeregt durch Theodor Körners Leier und Schwert, fing der kaum 16jährige an, sich in der Dichtkunst zu versuchen. Von 1816 bis 1821 studierte er an den Universitäten Göttingen und Bonn Theologie, Philosophie und Kunstgeschichte. Die Begegnung mit Jakob Grimm, dem Begründer der Germanistik und deutschen Altertumskunde, am 5.September 1818 in der Kasseler Bibliothek war für den jungen Hoffmann, der sich für alte Kunst begeisterte und nach Italien und Griechenland reisen wollte, bedeutsam - er entschied sich „für die vaterländischen Studien: deutsche Sprache, Literatur- und Kulturgeschichte ...“ (aus seiner Autobiographie Mein Leben [1868]). Fortan sammelte er mündlich überlieferte Volksdichtung, insbesondere Lieder. In seiner Breslauer Zeit (1823-1843), beschäftigt als Bibliothekskustos und später Professor für Deutsche Philologie an der dortigen Universität, veröffentlichte er als wissenschaftliche Werke u. a. die Textsammlung Horae Belgicae, die Schriften Geschichte des deutschen Kirchenliedes bis auf Luthers Zeit sowie Die deutsche Philologie im Grundriß. Daneben sammelte er Lieder, verfaßte eigene und gab zahlreiche Liedsammlungen heraus, z. B. Deutsche Lieder, Bonner Burschenlieder, Schlesische Volkslieder, Alemannische Lieder, Kirchhofslieder, Jägerlieder, Soldatenlieder sowie Lieder der Landsknechte. In den Liedsammlungen Fünfzig Kinderlieder und Die Kinderwelt in Liedern finden wir solche bekannten Lieder mit dem Text von Hoffmann von Fallersleben wie „Ein Männlein steht im Walde“, „Alle Vögel sind schon da“, „,Kuckuck! Kuckuck!‘ ruft’s aus dem Wald“, „Maikäfer, flieg!“, „Winter, ade!“, „Der Frühling hat sich eingestellt“, „Der Kuckuck und der Esel“, „Summ, summ, summ“, „Auf unsrer Wiese gehet was“, „Wer hat die schönsten Schäfchen?“, „Morgen, Kinder, wird’s was geben“ und „Morgen kommt der Weihnachtsmann“. Neben diesen Kinder- und volkstümlichen Liedern, die praktisch zu Volksliedern wurden, schrieb er freiheitlich-patriotische Gedichte und Gesänge. Als Lyriker des Vormärz (und der 1848er Revolution) verfaßte er am 26. August 1841 auf der damals britischen Insel Helgoland „Deutschland, Deutschland über alles, / über alles in der Welt ...“, das Deutschlandlied g e g e n die deutsche Reaktion, f ü r Deutschlands Einheit. (Ab 1922 die deutsche Nationalhymne, wurde das Lied von deutschnationalen Kräften der Weimarer Republik und später insbesondere von den Nationalsozialisten chauvinistisch interpretiert und dadurch mißbraucht. In der Bundesrepublik dient seit 1952 die dritte Strophe [„Einigkeit und Recht und Freiheit / für das deutsche Vaterland ...“] als Hymne.) 1840 und 1841 veröffentlichte Hoffmann von Fallersleben seine satirischen, äußerst politischen Unpolitischen Lieder; sie richteten sich gegen den preußischen Absolutismus, forderten Presse- und Literaturfreiheit sowie die Aufhebung der Zensur. Wegen dieser Gedichtsammlung vom Dienst suspendiert und des Landes verwiesen, zog er nun - gleich einem fahrenden Sänger - durch Deutschland, von Ort zu Ort, und trug seine Gedichte und Lieder vor einem begeisterten Publikum vor. Er, der sein Vaterland über alles liebte, ersehnte die deutsche Einheit und forderte: „Deutschland erst in sich vereint! / Lasset alles, alles schwinden, / was ihr wünschet, hofft und meint! / Alles, alles wird sich finden.“ Auch in den folgenden Sammlungen politischer Zeitgedichte Deutsche Lieder aus der Schweiz, Deutsche Gassenlieder, Deutsche Salonlieder, Maitrank sowie Hoffmannsche Tropfen besang er Einheit und Freiheit seines deutschen Vaterlandes. Erst nach dem preußischen Amnestieerlaß vom 20. März 1848 rehabilitiert, führte er sein unruhiges Wanderleben weiter. Ab 1860 war er Bibliothekar auf Schloß Corvey (Weser) und veröffentlichte 1868 seine 6bändige Autobiographie Mein Leben. - Seit 1991 gibt es in Wolfsburg ein Hoffmannvon-Fallersleben-Museum.

2. April György Konrád 65. Geburtstag

* 2. 4. 1933 Debrecen (Ungarn)

György Konrád - ungarischer Schriftsteller. Der bedeutendste Romancier der ungarischen Gegenwartsliteratur war nach Soziologie-, Psychologie- und Literaturstudium bis 1973 als Soziologe tätig, hatte ab 1978 in Ungarn Publikationsverbot. Beachtung finden seine sozialkritischen Romane, durch echtes Mitleid mit den Ausgestoßenen der modernen Stadt geprägt. Seine Erfahrungen im Jugendschutz und Reflexionen über das menschliche Dasein schlugen sich nieder in dem Roman Der Besucher. In den essayistisch durchwirkten Romanen Der Stadtgründer, Der Komplize, Geisterfest sowie Melinda und Dragoman konzentrieren sich seine geistvoll-analytischen Betrachtungen auf soziale und politische Probleme, vor allem in den kommunistisch beherrschten Gesellschaften. Konrád schreibt auch Essays, z. B. Antipolitik, Mehr Europa und Die Intelligenz auf dem Wege zur Klassenmacht. György Konrád ist seit 1990 Präsident des internationalen Schriftstellerverbandes P. E. N. und erhielt 1991 den Friedenspreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

3. April Peter Huchel 95. Geburtstag

* 3. 4. 1903 Berlin-Lichterfelde

† 30. 4. 1981 Staufen (Breisgau)

Peter Huchel - deutscher Lyriker. Aufgewachsen auf dem Bauernhof seines Großvaters im märkischen Alt-Langerwisch, studierte er Literatur und Philosophie in Berlin, Freiburg im Breisgau und Wien. Zwischen 1927 und 1930 reiste er durch Frankreich, den Balkan und die Türkei und war danach Mitarbeiter der Literaturzeitschrift „Die literarische Welt“, in der er wie auch in den beiden anderen Zeitschriften „Das innere Reich“ und „Die Kolonne“ seine ersten Gedichte veröffentlichte. In seiner autobiographischen Skizze Europa neunzehnhunderttraurig (1931) begründete er sein Einzelgängertum (er war weder Marxist noch bürgerlicher Dichter, sondern er verstand sich als Naturlyriker). 1932 erhielt er von der Dresdner Zeitschrift „Die Kolonne“ seinen ersten Lyrikpreis für die Gedichtsammlung Der Knabenteich; die Drucklegung verhinderte er jedoch, weil er befürchtete, die Nationalsozialisten könnten seine Naturlyrik vereinnahmen. In der „inneren Emigration“, zurückgezogen in Alt-Langerwisch, verfaßte er unpolitische Funkdichtungen, die Hörspiele Dr. Faustens Teufelspakt und Höllenfahrt (1933), Die Magd und das Kind (1935) sowie Der Bernsteinwald (1935), schrieb in dieser Zeit aber k e i n e Gedichte. 1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen, geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft und kam 1945 nach Deutschland zurück. Bis 1948 künstlerischer Direktor und Sendeleiter des (Ost-)Berliner Rundfunks, wurde er danach Chefredakteur der von Johannes R. Becher und dem Literaturhistoriker Paul Wiegler herausgegebenen Literaturzeitschrift „Sinn und Form“. Huchels freiheitliche Auffassungen von einem undogmatischen marxistischen Literaturdiskurs brachten ihn in Konflikt mit der offiziellen Parteilinie; 1962 mußte er als Chefredakteur zurücktreten. Zurückgezogen und isoliert, lebte er in seinem Haus in Wilhelmshorst bei Potsdam. 1971 konnte er in die Bundesrepublik ausreisen. - Peter Huchel gab zwar nur fünf schmale Gedichtbände heraus (Gedichte [1948], Chausseen Chausseen [1963], Die Sternenreuse. Gedichte 1925-1947 [1967]; Gezählte Tage [1971] und Die neunte Stunde [1977]), gehört aber dennoch unbestritten zu den bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikern unseres Jahrhunderts. Seine Dichtung ist vom Naturerlebnis seiner märkischen Heimat geprägt; seine Sprache ist knapp, präzise, schlicht mit einprägsamen, kraftvollen Bildern. - Der Südwestfunk und das Land Baden-Württemberg vergeben seit 1984 den Peter-Huchel-Preis (10 000 DM); die Auszeichnung 1997 ging an den Lyriker Thomas Kling für seinen Gedichtband Morsch.

3. April Theodor Kramer 40. Todestag

* 1. 1. 1897 Niederhollabrunn (Niederösterreich)

† 3. 4. 1958 Wien

Theodor Kramer - österreichischer Lyriker. Aus dem Ersten Weltkrieg schwerverletzt zurückgekehrt, arbeitete er nach kurzem Studium der Staatswissenschaften in Wien u. a. als Angestellter und Buchhändler und - nach ersten Erfolgen - als freier Schriftsteller. In seinem ersten Gedichtband Die Gaunerzinke (1929) greift er immer wieder auf die Landschaft seiner Kindheit und auch auf andere, in Wanderungen erschlossene ländliche Gebiete Niederösterreichs und des Burgenlandes zurück. Seine herben, sozialkritischen Gedichte schildern das Leben der Heimat- und Arbeitslosen auf den Landstraßen, das der Dichter gut kannte: das Leben der Tagelöhner, Wanderarbeiter, Häusler, Vaganten und Steinbrecher, d.h. der dörflichen Unter- und Randschichten. In dem erschütternden Gedichtband Wir lagen in Wolhynien im Morast ... (1931) erinnert er aus eigenem Erleben an die verrohende und entwurzelnde Wirkung des Krieges und wendet sich gegen die vorherrschende Tendenz, die furchtbaren Fronterlebnisse zu verklären. Im Gedichtband Mit der Ziehharmonika (1936) beschreibt er das Leben der städtischen Außenseiter, wie sich ihr Existenzraum durch Arbeitslosigkeit, Krankheit, Armut und Gefängnis immer mehr einengt. Nach dem „Anschluß“ Österreichs an das faschistische Deutsche Reich (März 1938) erhielt Theodor Kramer als Jude und Sozialist Publikationsverbot. Im britischen Exil, seit 1939, verfaßte er Verbannt aus Österreich (1943) und Wien 1938. Die grünen Kader (1946) - Gedichte über die Verluste, die der aus seiner Welt Vertriebene erlitten hat. In den damals entstandenen Gedichten, aus denen die Gedichtsammlungen Die untere Schänke (1946) und das posthum veröffentlichte Lob der Verzweiflung (1972) hervorgegangen sind, dominieren Einsamkeit, Krankheit und Alter. 1957, kurz vor seinem Tod, kehrte er als Ehrenpensionär der Republik Österreich nach Wien zurück. - Theodor Kramer, dessen Œuvre mehr als 10 000 Gedichte umfaßt, ist bis heute einer der großen (relativ) unbekannten Lyriker deutscher Sprache geblieben, der sich als Stimme derjenigen verstand, „die ohne Stimme sind“. Mitte der 80er Jahre - durch aktives Wirken der Theodor-Kramer-Gesellschaft und seines Nachlaßverwalters Erwin Chvojka, der 3 Bde. Gesammelte Gedichte herausgab - wurde das Schaffen Theodor Kramers wieder ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gerufen.

9. April François Rabelais 445. Todestag

* 1494 La Devinière bei Chinon (Touraine)

† 9. 4. 1553 Paris

François Rabelais - französischer Schriftsteller. Für eine geistliche Laufbahn bestimmt, verbrachte er rund 17 Jahre bei den Franziskanern und bei den Benediktinern, wo er eine gründliche theologischscholastische Ausbildung erhielt. Er machte aber auch die Bekanntschaft mit neuen humanistischen Ideen und führte u. a. Briefwechsel mit dem Humanisten Erasmus von Rotterdam. Nach dem Austritt aus dem Kloster wurde Rabelais Weltpriester, studierte in Paris und Montpellier Medizin und Naturwissenschaften und arbeitete mehrfach als Arzt. Nach langen Wanderungen und Reisen durch Frankreich und halb Europa veröffentlichte er medizinische, juristische, archäologische, astrologische und militärische Abhandlungen. Bekannt und berühnt wurde François Rabelais, Dichter und Humanist, aber vor allem durch sein 1532-1564 erschienenes phantastisch-skurriles satirisches Prosawerk, den Romanzyklus Gargantua und Pantagruel, die sogenannte „Pentalogie“, die aus fünf Büchern besteht: Pantagruel (1532/33), Gargantua (1534-1536), Drittes Buch (1546), Viertes Buch (1552) und Fünftes Buch (posthum 1562-1564, die Autorschaft dieses Teils ist nicht eindeutig gesichert). Ausgelassen, derb und witzig, in bilderreicher, phantasievoll konstruierter Sprache erzählt dieses Romanwerk und übt scharfe Kritik an mittelalterlich gebundener Lebensweise, an Kaiser, Kirche und dem Kanon für Erziehung und Bildung. Obgleich es zu den schwierigsten Werken der französischen Literatur gehört, zählt es dennoch zu den am meisten gelesenen und interpretierten Werken.

12. April Alexander Ostrowski 175. Geburtstag

* 12. 4. 1823 Moskau

† 14. 6. 1886 Schtschelykowo/Gouvernement Kostroma

Alexander Nikolajewitsch Ostrowski - bekanntester russischer Dramatiker des 19. Jahrhunderts, Begründer des nationalen russischen Theaters. In seinen realistischen Dramen - er schrieb rund 50 Stücke - stellte er die alte russische Kaufmannswelt wirklichkeitsgetreu dar: im Äußeren - in ihren Kaftanen und Stiefeln; aber auch im Charakter - gerissen, bildungsfeindlich und als Tyrannen im Familienverband. Dabei bewegten ihn nicht die gesellschaftlichen Probleme, sondern die menschlichen - die Konflikte zwischen Arm und Reich, das Zusammenstoßen von Gut und Böse. Außer dem Kaufmann brachte Alexander Ostrowski den zaristischen Beamten und den Schauspieler auf die Bühne. Von den Stücken über die Welt der Kaufleute sind insbesondere hervorzuheben: Wir sind ja unter uns, auch: Es bleibt ja in der Familie bzw. Wir werden uns schon einigen (1847 erschienen; auf Grund der Proteste der Kaufmannschaft konnte es jedoch erst ab 1860 aufgeführt werden), Schuster, bleib bei deinem Leisten (1853), Armut ist kein Laster (1853), Eine Dummheit macht auch der Gescheiteste (1868) und vor allem die Tragödie Das Gewitter (1859). Die Welt der Beamten wird dargestellt in den Schauspielen Die arme Braut (1852) und Eine einträgliche Stelle (1857); hier prangerte Alexander Ostrowski Vetternwirtschaft, Bestechlichkeit, Geldgier und Erpressung an. Historisches verarbeitete der Dramatiker in den historischen Stücken Der falsche Demetrius und Wassili Schuiski (1867) - an Friedrich Schillers Drama Demetrius anknüpfend - und Ein Schauspieler des XVII. Jahrhunderts (1872) - ein Stück zur 200-Jahr-Feier des russischen Theaters. Die Veränderungen in der russischen Kaufmannswelt der 70er/80er Jahre schlugen sich auch in seinen Theaterstücken dieser Zeit nieder. Ostrowski zeigte nun den neuen Typ des Kaufmanns, den westlich gekleideten Geschäftemacher, der sich gerissen am Niedergang des Adels bereichert: Wölfe und Schafe (1875). Die Gestalt des Schauspielers wird in den Stücken Der Wald (1871), Talente und Verehrer (1881) und Schuldlos schuldig (1884) positiv dargestellt. - In Deutschland begann man erst in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts auf die Bühnenstücke Alexander Ostrowskis aufmerksam zu werden; am bekanntesten hier sind Das Gewitter und Der Wald.

21. April Boris Pilnjak 60. Todestag

* 11. 10. 1894 Moshajsk

† 21. 4. 1938 in Haft

Boris Andrejewitsch Pilnjak (eigentlich Wogau) - sowjetrussischer Schriftsteller. Pilnjak, Sohn eines wolgadeutschen Tierarztes und einer Russin, bereiste Westeuropa, Amerika und Japan. Die Traditionen Leskows (1831-1895) und Belys (1880-1934) fortführend, wurde er mit seinem episodenhaften Bürgerkriegsroman Das nackte Jahr (1922) zu einem der meistbeachteten Erzähler der sowjetrussischen Literatur, die er durch lyrische Experimente und lyrisch-ornamentale Sprachführung bereicherte; das Revolutionsgeschehen schilderte er als einen elementaren Aufruhr des noch weitgehend bäuerlichen Rußlands. Diese Interpretation brachte ihn in Konflikt mit dem offiziellen kulturpolitischen Kurs. 1925 erschien sein Roman Maschinen und Wölfe. Wegen der Erzählung Die Geschichte vom nichtausgelöschten Mond (1927) wurde er aus politischen Gründen heftig angegriffen und wegen des im Ausland erschienenen Kurzromans Mahagoni (1929) aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Obgleich Boris Pilnjak sich in Die Wolga fällt ins Kaspische Meer (1930) - einem Roman über den sozialistischen Aufbau der Industrie - der geforderten Sichtweise anzupassen suchte, wurde er interniert und (wahrscheinlich) hingerichtet. (Pilnjaks letzte Jahre und die Umstände seines Todes liegen im dunkeln.) Nach 1956 wurde er teilweise rehabilitiert. - Im Deutschen erschienen die Sammlungen/Erzählungen Eisgang (1981) und Die Stadt der Winde (1991). Viele seiner Werke sind noch nicht ins Deutsche übersetzt.

26. April Vicente Aleixandre 100. Geburtstag

* 26. 4. 1898 Sevilla

† 14. 12. 1984 Madrid

Vicente Aleixandre - spanischer Lyriker. Angeregt durch die Gedichte des nicaraguanischen Schriftstellers Rubén Darío (1867-1916), schrieb Aleixandre ab 1926 erste poetische Versuche und veröffentlichte 1928 seinen ersten Gedichtband: Umkreis. In seiner ersten Schaffensperiode - bis etwa 1945 - herrschte in seiner Poesie ein düsterer, erotischer Pantheismus vor; Liebe und Tod sind keine Gegensätze, der Tod ist die Verschmelzung des Menschen mit dem Kosmos, ist die Vollendung der Liebe. Das bedeutendste Werk ist Die Zerstörung oder die Liebe (1935), weiterhin Schwerter wie Lippen (1932) sowie Schatten des Paradieses (1944), wobei hier als neues Thema die Sehnsucht des Menschen nach der Wiedergewinnung des verlorenen Paradieses auftaucht. Mit der Geschichte des Herzens (1945-1953 entstanden, 1954 veröffentlicht) begann die zweite Periode; Aleixandre sieht den Menschen nun als historisches Wesen, das sich nur im sozialen Prozeß verwirklichen kann. Der Gedichtband In einem weiten Gebiet (1962) markiert den Übergang zur letzten Schaffensperiode, eine Verbindung der vorhergehenden Phasen. In den Gedichtsammlungen Gedichte der Vollendung (1968) und Dialoge der Erkenntnis (1974) ist die Liebe als Beziehung und als Erkenntnis das zentrale Thema. Als Repräsentant der spanischen Poesie erhielt Vicente Aleixandre, der Vertreter der Dichtergeneration von 1927 und einer der bedeutendsten spanischen Surrealisten, 1977 den Nobelpreis für Literatur. Viele seiner Werke sind noch nicht ins Deutsche übersetzt.

Quellen:
Brockhaus Enzyklopädie in 24 Bdn. 19., völlig neu bearbeitete Auflage. F. A. Brockhaus, München 1986-1994. - Harenberg Lexikon der Weltliteratur. Autoren - Werke - Begriffe. 5 Bde. Vollständig überarbeitete und aktualisierte Studienausgabe. Harenberg Lexikon Verlag, Dortmund 1995. - Illustrierte Geschichte der deutschen Literatur. 6 Bde. Naumann & Göbel, Köln o. J. - Kindlers neues Literatur-Lexikon. Hrsg. von Walter Jens. 21 Bde. Studienausgabe. Kindler Verlag, München 1996. - Lexikon der Weltliteratur. Hrsg. von Gero von Wilpert. 4 Bde. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997. - Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Hrsg. von Walther Killy. Bd. 1-12: Autoren und Werke von A-Z. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1988-1992.

Zusammengestellt von Wolfgang Buth


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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