Eine Annotation von Berd Heimberger
Schmidt, Michael:
Das Hurenhaus
Auskünfte über den Umgang mit einem Bedürfnis.
WeymannBauer Verlag, Rostock 1997, 193 S.
Verdammt! Wie hieß das? Verdammt. Hieß das nicht Zubettung? So hieß das. Zubettung. Zubettung konnten sich solvente, honorige Geschäftsmänner aus dem NSW - nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet - leisten, wenn sie im Ostberliner Palast-Hotel oder im Metropol nächtigten. Oder in Leipzig. Oder in Dresden. Oder in Rostock. In den Nobelherbergen konnten Huren auch per Katalog bestellt werden. Lustig war das Prostituiertenleben in East Germany, wo per Gesetz keine Prostitution praktiziert wurde. Statt dessen Zubettung in Damast. Oder zu ihr nach Hause. Das war zwar wenig professionell, dafür um so familiärer. Darum ist in der weiten Welt ein andauerndes Jammern und Klagen, daß die Heimatstube der Seeleute sämtlicher Kontinente, die Rostocker Storchenbar in der Langen Straße, verschwand, wie die DDR verschwunden ist. Bevor die rabiate soziale Marktwirtschaft die Damen ausm Storch abtrieb, lebten sie so etwas wie fröhliche Marktwirtschaft. Und das in einem Gewerbegebiet, das sich bekannterweise so wenig aufs Gewerbliche verstand!
Bringe einer einem die DDR bei! Unmöglich? Auf jeden Fall war das Ländchen bunter als im nachhinein in bunten und buntesten Blättern behauptet. Sexualität war in der DDR freier, behauptet Franky nicht nur. Einst Oberkellner und Barleiter im Storch. Was er und zwei Damen aus dem netten Nest der größten Hafenstadt der DDR erzählen, wird manchem nicht nur heiße Ohren machen.
Aufgezeichnet und veröffentlicht hat die Gespräche Michael Schmidt in seinem Buch Das Hurenhaus. Was nicht heißt, daß Schmidt eine späte, nachgereichte Chronik des erwähnten ehemaligen Liebesladens unter die Leute brachte. Es geht um Hurenhäuser an sich. In Deutschland. Im Allgemeinen. Speziellen. Gesetzgeberischen. Die Kapitel über die Rostocker Storchenbar heben das Buch über alle vergleichbaren Publikationen hinweg. Die Erinnerungen an das Etablissement erinnern daran, daß in der aufrechten DDR ein heiteres horizontales Leben möglich war, wie nirgendwo sonst. Schon gar nicht in Hamburg! Ließen die welterfahrenen Seeleute die Girls im Storch wissen, die immer für eine long time zu haben waren. Jetzt ist nicht mit Knutschen, erklärt eine Altgediente das Aus für die Dirnen der DDR.