Eine Annotation von Thomas Przybilka
Kaminsky, Stuart M.:
Blutige Rubel
Goldmann Verlag, München 1997, 346 S.
Die besten Krimis, die in Rußland spielen, werden von Amerikanern geschrieben. Dies ist jedenfalls mein Eindruck nach Gorki Park von Martin Cruz-Smith und der fantastischen Inspektor-Rostnikow-Serie von Stuart M. Kaminsky. Nun endlich liegt wieder ein neuer Krimi von Kaminsky vor: Blutige Rubel.
Inspektor Porfirij Petrowitsch Rostnikow und sein Team haben mit wenig, dafür aber um so unzureichender Ausrüstung gleich mehrere Fälle gleichzeitig zu bearbeiten. Eine Bande knapp Zehnjähriger hat sich ganz offensichtlich auf die Ermordung und Beraubung Betrunkener verlegt. Ein neureicher Existenzgründer wird entführt, um die unvorstellbare Summe von 3 Millionen US-Dollar zu erpressen. Die Moskauer Steuerpolizei funkt dem Inspektor mit einer ihrer dilettantischen Razzien in die Arbeit, mit dem unglaublichen Ergebnis, daß ein Haus voller beschlagnahmter Kunstschätze aus der Zarenzeit am folgenden Tag besenrein leergeräumt ist. Und zu allem Überfluß ist noch ein Kalaschnikow-Massaker der Mafia am hellichten Tag aufzuklären, bei dem auch die Freundin von Emil Karpo, Rostnikows verschlossenem Kollegen, getötet wird. Für den Inspektor und seine Mannschaft fast ein Tag wie jeder andere in der Metropole Moskau. Unterstützung erhält Rostnikow durch den Austauschbeamten Craig Hamilton vom FBI, der vor Ort die Methoden und Taktik der russischen Kriminalpolizei studieren soll.
Wie Inspektor Rostnikow, der Muße bei Meditation und Klempnerarbeit findet und der die Kriminalromane des Schriftstellers Ed McBain liebt, aus denen er sein Amerikabild und seine Vorstellung von amerikanischer Polizeiarbeit zieht, an seine Fälle herangeht und löst, wird wie immer auf hervorragende Weise von Stuart Kaminsky beschrieben. Rostnikow, der schon längst zu dem Schluß gekommen ist, daß die Russen nicht für den Kapitalismus geschaffen sind, weil er sie zu Opfern, Feiglingen und Verbrechern gemacht hat, läßt sich dennoch nicht unterkriegen. Obwohl auch die neue Ordnung den Inspektor manchmal an seiner Arbeit verzweifeln läßt. Das Bild eines Landes, das sich nach dem Ende des Kalten Krieges im Umbruch befindet, zugleich aber immer noch von den erstarrten Strukturen der alten Zeit geprägt ist, wird eindrücklich und meisterhaft dargestellt.