Eine Annotation von Sven Sagé

Spitzweg, Carl:

Und abends tu ich dichten. Gedichte und Zeichnungen

Herausgegeben von Eckhard Grunewald.

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997, 133 S.

In München geboren, gelebt, gestorben und begraben. Wenn das keine Idylle ist! Gar eine Spitzwegsche. Eine reine Spitzweg-Idylle war das Leben des Carl Spitzweg (1808-1885) nicht. Der autodidaktisch gebildete Maler war kein Mensch, der sich an den vermeintlich gemütlichen Kiez klammerte. Spitzweg ist manchen Weg zwischen Prag und London gegangen. Er hat die weite Welt gesehen und so einen sicheren Blick für die nahe Welt gehabt.

Der Maler des „Armen Poeten“ war selbst Poet. Ein armseliger Poet, dem ungewollte Komik ein Bein stellte wie der seligsentimentalen Friederike Kempner? Ein dilettantischer Dichter, der manchen humoristischen Haken durch die Lebensgefilde schlug wie Kollege Busch, Wilhelm? Ein launiger Lyriker, der serienweise Gebrauchslyrik ablieferte wie später der junge Erich Kästner? Warum können wir uns keinen rechten Reim auf die Reime des Carl Spitzweg machen? Weil es nicht lohnt, sich mit seiner Dichtkunst den Kopf zu verkleistern? Weil Spitzweg ein launiger, dilettantischer, armseliger Dichter war? Seine Lyrik war - Maler bleib bei deinem Pinsel! - Gelegenheitsdichtung. Wer Spaß am Verseschmieden vom Schlage einer Kempner, eines Busch hat, dem können auch die Dichtkunstwerke des schlitzohrigen, ironiegeladenen Bayern nicht den Spaß verderben. Seine in allen Lebenslagen für alle Lebenslagen verfaßten Poesiealbumverse erwischen sicher auch heute noch viele Gemüter. Und nicht nur die schlichtesten, einfältigsten, gläubigsten. Es wird einem schön warm ums Herz. Gelegentlich. Abends. Mit einem Gute-Nacht-Gedicht von Spitzweg im Sinn. Das einen davor bewahrt, sich ein Beispiel am Malerpoeten zu nehmen, der sagte: „Und abends tu ich dichten.“


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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