Eine Annotation von Bernd Heimberger
Garcia, Fernando Diego/ Sola, Oscar (Hrsg.):
Che. Der Traum des Rebellen
Rütten & Loening, Berlin 1997, 223 S.
Ja, du wirst immer ein Fremder sein. Dies scheint Dein ewiges Schicksal zu sein, schreibt Mama Celia an ihren Sohn Ernesto. Und Ernesto schreibt an Celia: Ich habe weder Zuhause, noch Frauen, Kinder, Eltern oder Geschwister. Der ewige Fremde, ewige Einzelgänger, der das während einer heftigen Gewitternacht in Indien notiert, denkt an Aleida, seine zweite Frau. Der Geschiedene, der Vater, der Bruder, der Mann, der immer wieder von seiner Mission spricht, sehnt sich immer wieder nach dem Privaten, Persönlichen. Der Befreier wollte befreit werden. Befreit vom schweren Schicksal des Fremdseins und des Einzelgängers. Als ewiger Rebell. Als ewiger Revolutionär. Che, die Inkarnation des Rebellischen, des Revolutionären. Che als einer von allen. Als einer für alle.
Che avancierte zum Jesus der Atheisten. Spätestens an dem Tage, an dem der argentinische Internationalist auf dem Becken eines bolivianischen Waschhauses gekreuzigt wurde. Dem Tag, an dem der Tote mit den geöffneten Augen per fotografischer Aufnahme seine Auferstehung erlebte. War Che der letzte Welt-Revolutionär der Welt? Hält die Welt, mangels lebender Revolutionäre, den toten Revolutionär lebendig? Die ganze, knapp vierzigjährige Biographie des Ernesto Guevara war für die Unsterblichkeit zu inszenieren. Das Buch ist eine fernsehzeitgemäße Choreographie der Che-Chronik. Der menschliche Held wird zum heldischen Menschen, über dessen Haupt der Heiligenschein schwebt. Wer käme da auf den Gedanken, 1998 einen Grauhaarigen, Alternden, Siebzigjährigen zu sehen? Che bleibt uns erhalten. Als der Schöne, der Schwungvolle, der Energische, der Entschlossene, der Unnahbare, der Unantastbare? Also doch als der Fremde? Bis der nächste Revolutionär kommt? Der nächste Revolutionär kommt bestimmt! Vielleicht ist er schon unter uns. Vielleicht ist der heutige Revolutionär Milliardär und hört auf den Namen Bill Gates?