Eine Rezension von Sabine Graßmann

Alberichs Fluch

Thea Dorn: Ringkampf
Rotbuch Verlag, Hamburg 1996, 243 S.

„Der rote Hahn hatte Frankfurt aus dem Schlaf gekräht.“ Die Oper steht in Flammen. Vor ihr verzweifelte Menschen, deren Arbeitsstätte und Lebenswerk in Rauch und Asche sinken. Zwanzig Jahre hat Hans von Gluck, Technischer Direktor der Oper, für das Haus gelebt; der Intendant und Generalmusikdirektor Haffner führte hier neuneinhalb Jahre den Taktstock - in acht Tagen sollte er einen triumphalen Abschied mit dem Ring des Nibelungen nehmen. Sein Nachfolger Benito Bellini sitzt schon in den Startlöchern. Regisseur Alexander Raven und seine Geliebte, die Dramaturgin Cora Starneck, hatten monatelang hart um die Inszenierung des berühmten Wagner-Zyklus gerungen.

In letzter Sekunde konnte Cora ihren inzwischen Ex-Geliebten Alexander und die Regiebücher dem flammenden Inferno entreißen.

Unter den Schaulustigen ein junger Cottbusser, der einen Tag zuvor, aus Sri Lanka kommend, auf dem Rhein-Main-Flughafen beschlosssen hatte, nicht mehr in seine Heimat zurückzukehren. Wenig später stellt er sich als Brandstifter der Polizei. „Ein verirrter Junkie aus dem Osten, der auf seine verzweifelte Lage aufmerksam machen wollte...?“ Die Zeitungen haben bald andere Schlagzeilen, die „Ungereimtheiten der Brandnacht“ werden nur noch kurz erwähnt „und danach war das Thema wie vom Erdboden verschluckt“.

Jahre später soll das wiedererbaute Opernhaus mit dem Ring des Nibelungen neu eröffnet werden. Alexander Raven und Cora Starneck werden gebeten, die alte Inszenierung wieder aufleben zu lassen. Allerdings unter anderen Vorzeichen. Die neue Kulturdezernentin der Stadt hat kein Geld, an allen Ecken und Enden muß gespart werden. Alexanders eifersüchtige Ehefrau hegt Argwohn gegen die Dramaturgin. Der ehemalige Technische Direktor wurde in den Ruhestand versetzt. Benito Bellini, neuer Generalmusikdirektor und künstlerischer Intendant der Frankfurter Oper sieht nun die Chance, sich zu profilieren.

Mit Hilfe der geretteten Regiebücher werden die alten Regieeinfälle Stück für Stück umgesetzt. Aber die rechte Freude will dabei nicht aufkommen. „Euer Ring ist verflucht“, sagt Elli, ehemalige Souffleuse, nun zur Nachtpförtnerin degradiert, zu Cora. Unerklärliche Unfälle, technische Unzulänglichkeiten, Eifersüchteleien und unfähige Mimen stören die Probenarbeit empfindlich. Und schließlich erwacht der Fluch, der seit Alberichs Tagen über dem Ring liegt, zu neuem Leben. Kurz vor der Premiere brennt die Frankfurter Oper, erneut.

Ein fiktiver Roman, an wenigen Fakten festgemacht - tastsächlich brannte 1987 die Frankfurter Oper nieder, und für die Presse wars sicher auch eine pekuniäre Sensation.

Alles andere frei erfunden, so die Autorin - bis auf Richard Wagner natürlich.

In zartem Jugendalter habe ich mich an Wagners Werke herangetastet; Der fliegende Holländer und Tannhäuser begeisterten mich. Dann sah ich Das Rheingold - und verstand nichts. (Zu diesem Zeitpunkt war Thea Dorn noch nicht geboren) Schade eigentlich. Denn obwohl ich einen dicken Opernführer gewälzt hatte, blieb mir dieses Wagnersche Werk verschlossen. Das war dann auch meine letzte Begegnung mit dem Meister. Erst jetzt, als ich einen Krimi lese, erinnere ich mich, lasse mich gern in theatralische Lebens- und Opernwelten führen, in denen sich mir neben expressiv gezeichneten Charakteren auch Rheingold erschließt. Kompliment, Thea Dorn! Faszinierend nicht nur der Blick hinter die Kulissen, sondern auch die verblüffende Lösung dieses Kriminalromanes. Thea Dorn, Jahrgang 70, (Raymond-Chandler-Preisträgerin) hat außer einem Philosophiestudium auch eine Gesangsausbildung absolviert. Nicht von ungefähr also spielt der Roman im Opernmilieu. Winziger Schönheitsfehler - Benito Bellini spricht mir etwas zuviel italienisch, aber das ist Geschmackssache. Ansonsten - ein Buch, spannend bis zur letzten Seite.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite