Dr. Ken A. Gourlay ist ein bekannter Umweltexperte, der sich seit vielen Jahren mit der universellen Umweltverschmutzung auseinandersetzt. In seiner langen und vielfältigen akademischen Karriere an verschiedensten Orten der Welt lernte er die Umweltzerstörung von allen ihren Seiten kennen. Seine Kritik am fehlerhaften Kreislauf von Wachstum und Umweltzerstörung äußerte er in vielen Büchern, zuletzt in Mord am Meer. Bestandsaufnahme der globalen Zerstörung.
Das vorliegende Buch Deponie Erde ist eine fast lückenlose Darstellung der Produktion, der Verteilung und Vernichtung von Müll, die in der Zerstörung der Umwelt, der Existenzbedingungen des Lebens auf der Erde durch das Wirtschaftswachstum gipfelt.
Einleitend analysiert Gourlay einige spektakuläre Fälle, den meist hochgefährlichen Müll aus den hochentwickelten Industrieländern in unterentwickelten und verarmten Staaten Afrikas und Asiens verschwinden zu lassen. Er zeigt, daß Beispiele wie die Odyssee des Schiffes Khian Sea, das 1986 mit toxischer Asche beladen den Hafen von Philadelphia (USA) verließ und 18 Monate lang versuchte, die gefährliche Fracht in einem der unterentwickelten Länder zu löschen, nur die Spitze des Eisbergs sind. Wo die Asche schließlich entsorgt wurde, ist nie bekannt geworden, ebenso wenig bekannt ist die Zahl der Schiffe einer Müll transportierenden Geisterflotte und das Ausmaß des Handels mit dem Abfall der Industrie und des Wohlstandes. Das Resultat seiner Analyse formuliert der Autor in drei Grundzügen des Handels mit toxischem Müll: 1. stammt der Müll aus hochentwickelten Industrieländern, wo Firmen den Müll billig loswerden wollen; 2. Empfänger des Mülls sind die Ärmsten der armen Länder, deren Regierungen den Müll gegen harte Dollars abnehmen; 3. wird der Handel von einer Gruppe von Abenteurern, Politikern, Schiffseignern organisiert und durchgeführt. (S. 30) Gourlay gebraucht den Begriff nicht, aber was er beschreibt, könnte man auch als internationale Müllmafia bezeichnen.
Im ersten Teil des Buches versucht der Autor, Müll zu definieren und alle Seiten und Erscheinungsformen von Müll aufzuspüren. Mit seiner Arbeitsdefinition Müll ist, was wir nicht wollen oder was wir verabsäumen zu nutzen ... (S. 38) vermag Gourlay alle Erscheinungsformen des Abfalls, den der Mensch erzeugt, als Müll zu erfassen, sogenannte Abprodukte, nicht zu verwertende Stoffe, Abwärme, Abwasser, Abgase, Emissionen usw. Das führt dazu, alle Probleme der Umweltzerstörung, wie die Belastung der Böden, der Gewässer und der Luft, der Treibhauseffekt und die Klimaveränderung, die Zerstörung der Ozonschicht durch FCKW (Fluorkohlenwasserstoffe) oder die radioaktive Verseuchung von Gebieten der Erde als Aspekte der Produktion von Müll zu begreifen. Produzenten des Mülls sind daher sowohl der einzelne Mensch und seine Formen des Zusammenlebens, Industrie, Bergbau und Hüttenwesen, Landwirtschaft und Fischzucht, der nukleare Sektor, aber auch Satelliten und Raumschiffe, das gesamte Verkehrwesen usw. Nach der Auflistung der Müllproduzenten und der verschiedenen Formen von Müll widmet sich der Autor im zweiten Teil des Buches der Frage Was geschieht mit dem Müll?. In diesem umfangreichen Teil beschreibt der Autor, daß es faktisch kein Fleckchen unseres Planeten Erde gibt, das nicht als Mülldeponie genutzt wird, und begründet damit seine These: Je mehr wir über die Industriegesellschaft von heute und die Dritte Welt von morgen nachdenken, desto stärker realisieren wir, daß wir in einer vom Abfall dominierten Welt leben, auf einer DEPONIE ERDE. Und daß die Menschheit, wenn sie nichts gegen ihren Müll tut, an ihm ersticken wird. (S. 35)
Im dritten Teil schließlich setzt sich Gourlay mit der Frage auseinander: Wie werden wir den Müll los? und zeigt hier das ganze Dilemma unserer Welt. Es gibt kaum ernsthafte Bemühungen, das Problem wirklich zu lösen. Auch hier analysiert der Autor aufs genaueste, welche Lösungsansätze Industrie und Wissenschaft, nationale und internationale Politik und Organisationen bieten. Das Ergebnis der Analyse ist Ausweglosigkeit und tiefer Pessimismus. Es ist mir nicht möglich, zu diesem Buch einen befriedigenden Schluß zu schreiben. Es gibt zu viele Unbekannte, zu wenig Gewißheit ... (S. 290) Drei Wege scheint es für die Menscheit zu geben, schreibt Gourlay abschließend: Wir tun nichts, um die Erwärmung des Planeten zu vermeiden, außer uns auf solche Veränderungen vorzubereiten; ...wir ändern unseren Lebensstil von Grund auf, stoppen den Verbrauch fossiler Brennstoffe ... und gebrauchen altenative Energiequellen; ...wir zielen auf einen Kompromiß, auf dauerhafte Entwicklung, die durch die Erhaltung von Energie ... vielleicht möglich ist. (S. 290) Aber Gourlay kommt nicht umhin festzustellen, daß alle Lösungsversuche daran scheitern, daß die heutigen Führer der Welt, woher sie auch kommen mögen, so der Wachstumsideologie verfallen sind, daß sie sich eine Alternative gar nicht vorzustellen vermögen. Als hätte es noch eines Beweises der Ausweglosigkeit bedurft, folgt im Epilog des Buches eine vernichtende Kritik des Erdgipfels von Rio de Janeiro. Der Gipfel hat nichts getan, um den Grundwiderspruch zwischen weiterem Wachstum ... und dem Abfallproblem zu lösen. Als hätte dies nicht gereicht, setzt Gourlay noch einen Punkt drauf. Das Treffen von Rio war auf paradoxe Weise nur zu erfolgreich. Das wochenlange Bombardement der Medien hat die Menschen abgestumpft gegenüber den tatsächlichen Problemen, man will nichts mehr davon hören. Globalen Themen wird seit Rio weniger Augenmerk geschenkt als zuvor, was nicht heißt, daß sie geringer geworden seien. Das Thema Umwelt scheint überholt, und Rio hat ihm den Rest gegeben. Welch ein Pessimismus!