Eine Annotation von Hans-Rainer John
Spinnen, Burkhard:
Langer Samstag
Roman.
Schöffling & Co, Frankfurt/M. 1995, 304 S.

Das ist eine kleine Geschichte um alltägliche Leute. Sie wird kühl, leidenschaftslos, sachlich erzählt, allerdings sprachlich brillant. Der „Neuen Zürcher Zeitung“ kann man sich durchaus anschließen: „Spinnens Sprache ist schlank und klar, sein Ton unverwechselbar. Selten liest man zur Zeit auf deutsch so einfache, dabei rhythmisch so abwechslungsreich gebaute Sätze.“

Die Story: Ulrich Lofart, 37 Jahre alt, Verwaltungsjurist und immer noch Junggeselle, ist ein bedächtiger, Katastrophen lieber gedanklich vorwegnehmender, im Alltag eher unbehilflicher und insgesamt nicht überaus interessanter Zeitgenosse. In einem Supermarkt entdeckt er Dorothee, eine junge, tatkräftige Unternehmensberaterin, die ihm gefällt. Er verabredet sich mit der Schönen, wird erhört, schläft mit ihr. Das Erlebnis freilich, um das ihn viele beneiden, verändert ihn nicht, im Gegenteil, die Wiederholung stumpft wohl eher ab, übermäßige Vorsicht und Angst vor Bindungen führten wieder zur alsbaldigen Trennung. Der Liebesgeschichte fehlte jede Leidenschaft, so ist auch der Abschied ohne Dramatik. Inzwischen ist eine Sachbearbeiterin mit Kind aus seiner Abteilung in seinen Blick gerückt, die einen Suizidversuch unternahm. Der Leser bekommt freilich wenig in die Hand, um dieser Beziehung eine größere Perspektive zu geben. Wenn sich zwei unsichere Leute zusammentun, muß das nicht dauernden Gewinn bedeuten.

Der zweite Handlungsstrang: Lofart ist mit einer Studie zur Effizienz seines Unternehmens beauftragt. Unterderhand rationalisiert er sich und seine Abteilung hinweg. Sein Vorschlag wird von der Leitung begrüßt und sofort umgesetzt. An der Entlassung kommt er vorbei, dafür wird er in eines der neuen Bundesländer versetzt. Die Sachbearbeiterin nimmt er mit.

In die Charaktere tiefer einzudringen ist die Absicht des Autors nicht. Er teilt nur mit, was sich zuträgt. Darin allerdings ist er überaus penibel. Die Probleme beim Einkauf, beim Beschneiden der Fingernägel, beim Aufheben eines heruntergefallenen Gegenstands können Seiten füllen: als kurze Studien brillant, für den Fortgang der Handlung freilich ohne viel Bedeutung. Wer zur Besinnlichkeit neigt, wird das überaus unterhaltsam finden, wer auf eine spannende und kräftige Handlung aus ist, wird kaum auf seine Kosten kommen.

Der Verlag empfiehlt das Buch „als einen wahrhaft komischen, skurrilen und humorvollen Roman über den gegenwärtigen Zustand der Überforderung des Menschen durch das schiere Leben“. Das ist schwer verständlich, denn wer um Gottes willen ist hier überfordert? Aber den Namen Burkhard Spinnen, der hier seinen ersten Roman vorlegt (bisher: 1991 der Geschichtenband Dicker Mann im Meer und 1994 das Buch Kalte Ente), wird man sich als eine Hoffnung für die deutsche Literatur merken.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite