Eine Annotation von Lothar Erdmann
Luft, Friedrich:
Die Stimme der Kritik
Gespräch mit Hans Christoph Knebusch in der Reihe „Zeugen des Jahrhunderts“.
Lamuv Verlag, Göttingen 1991, 96 S.

Die von Ingo Hermann herausgegebene Buchfassung zur ZDF-Sendereihe „Zeugen des Jahrhunderts“ vertieft Informationen zu Leben und Werk einzelner vorgestellter Persönlichkeiten. Im Mittelpunkt steht ein Erfahrungen und Erinnerungen reflektierendes Gespräch, das Hans Christoph Knebusch in den 80er Jahren im ZDF mit Friedrich Luft geführt hat.

Luft, 1911 als Sohn eines Studienrats in Berlin geboren und aufgewachsen, hatte Geschichte, Kunst und Sprachen studiert.

Im Milieu seines bürgerlich konservativen Elternhauses und der Gymnasiumszeit der 20er Jahre galt die berühmte „Weltbühne“ als konspiratives Blatt, aber den theaterbesessenen und kinofreudigen jungen Mann interessierten „politische Dinge nur geringfügig“. Gleich beim ersten Theaterbesuch im Staatlichen Schauspielhaus - eine „Wilhelm Tell“-Inszenierung von Leopold Jessner - hatte er bedeutende Mimen jener Jahre wie Bassermann und Kortner erlebt. Fortan sah er natürlich auch Inszenierungen von Max Reinhardt, Stücke von Hasenclever, Wedekind, Brecht u. a. Friedrich Luft begann, Feuilletons und Essays zu schreiben, und für seine Bühnenerlebnisse mit Gründgens, George, der Bergner suchte er Bestätigung der Eindrücke in den Rezensionen Alfred Kerrs.

Das Jahr 1945 markiert einen Wendepunkt im Leben Friedrich Lufts. Zunächst war er gegen Kriegsende zur Heeresfilmstelle in Spandau abkommandiert und als Kulturoffizier in Sachen Wiederaufbau eingesetzt. Dabei kam es unter anderem zu Begegnungen mit Oberst Dimschütz, Paul Wegener, Friedrich Wolf, Johannes R. Becher, Bertolt Brecht und Wolfgang Langhoff, die er in diesem Interview hervorhebt, vor allem auch Langhoffs Engagement für den Kabarettisten Werner Finck, der bei den Nazis Berufsverbot hatte. Bedeutung erlangte der 1990 verstorbene Autor von Kinderbüchern, Hör- und Fernsehspielen schlagartig durch „Die Stimme der Kritik“, seine sonntägliche fünfzehnminütige Sendung, die seit Februar 1946 zu einem Markenzeichen des Berliner Hörfunks wurde und Friedrich Luft in über vierzig Jahren zu einer Institution des Berliner Kulturlebens werden ließ. Eine Passage in diesem Büchlein verdient unter dem Aspekt politische Wendezeiten besonderes Interesse. Es gab Ende der vierziger Jahre einen Beschluß der „Berliner Westpresse“, nicht mehr die Theater des Ostens zu besuchen.

Friedrich Luft hatte sich diesem Boykott als einziger konsequent widersetzt. Seine unvergleichliche, subjektive Art, die schnelle Sprache und der Mut zu moralischem Urteil machten ihn zu einem unbestechlichen, glaubwürdigen Kritiker schlechthin, zu d e m Berliner Theaterkritiker neben Herbert Ihering ...

Dem Gespräch sind drei Beispiele lebhafter Theaterkritiken angefügt, die in der „Welt“ abgedruckt waren und sich durch stil- und geschmackssichere Urteile auszeichnen, durch originelle Wortschöpfungen und unkomplizierte Verbindungen und Sprünge zwischen Gegenwart und Vergangenheit.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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