Eine Annotation von Bernhard Meyer
Brandenburger Tour. Reiseverführer zu kulinarischen
Entdeckungen und mehr
Herausgegeben vom Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg.
TR Verlagsunion, München 1996, 88 S.

Wie bereits üblich, folgt quotenreichen Fernsehsendungen alsbald der schriftliche Beweis für den Erfolg. Auch bei den Landessendern, auch in den neuen Bundesländern. Die vom Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg vorgelegte Publikation wird ihre Wirkung nicht verfehlen, weder auf Brandenburger und Berliner noch auf weiter weg Wohnende. Vorgestellt werden Städte und Dörfer der verschiedenen Regionen sowie das typische Gericht der Gegend im jeweils „ersten“ Haus am Platze. So ist die Prignitz mit Kyritz und dem „Deutschen Haus“ vertreten. Dort empfiehlt der Küchenchef „Knieperkohl mit Kartoffeln, Bauch und Kohlwurst“. Das Rezept zum Nachkochen für zu Hause wird selbstverständlich mitgeliefert. So nebenbei, gewissermaßen zwischen Bestellung und Servieren, kann man dann lesen, daß Kyritz gar nicht an der „Knatter“, sondern am Flüßchen Jäglitz liegt und das „Geknattere“ mit dem früheren Kutschverkehr Berlin-Hamburg zu tun hat. Gleichzeitig kann der Gast schon mal einen Blick auf das gerade in Auftrag gegebene Gericht werfen, das jeweils im Bild vorgestellt wird und den Appetit zweifellos anregt. Für weitere Informationen zu Kyritz und Umgebung finden sich die Adresse des Fremdenverkehrsamtes und farbige geographische Karten. Im Nachgang zum köstlichen Mahl können bereits die nächsten Wochenendziele ausgemacht werden. So etwa das Ruppiner Land mit Zechlin Dorf und dem „Gebratenen Saibling“, das Kremmener Luch mit dem „Havelzander“, das Barnimer Land mit einem „Wildschweinrückenfilet“, Bad Saarow mit der „Brandenburger Grünkohlwurst“, das Schlaubetal mit der „Schlaubeforelle blau“ oder Lehde mit der „Spreewälder Fischplatte“. Für jeden Geschmack herzhaft-deftige, hervorragend angerichtete und präsentierte Hausmannskost oder doch mehr die gehobene Gastlichkeit mit den jeweiligen ortsüblichen Spezialitäten.

Angezogen fühlt sich nach der Lektüre vorrangig der kulinarisch Interessierte, weniger der auf lange Märsche Erpichte. Ersterem werden leibliche Genüsse angekündigt, die ihn unwiderstehlich in die verschiedenen Brandenburger Landschaften ziehen, das Kennenlernen von Land und Leuten wird sich für ihn mehr nebenbei ergeben, gewissermaßen durch Gaumen und Magen. Wer sich dagegen in erster Linie die reizvollen, noch weitgehend natürlich gebliebenen Fleckchen erobern will, bekommt manche Anregung und wird sicherlich an den geschmackvoll offerierten Gastmahlen nicht achtlos vorbeigehen.

Die Einheimischen (die Berliner kann man getrost dazuzählen) werden Bekanntes und weniger Bekanntes an schmackhaften Gerichten ihrer näheren Heimat wiederfinden. Wie steht es aber mit auswärtigen Bundesbürgern? Der märkische Sand und die (ehemals) weiten Kartoffeläcker sind nicht jedermanns Sache; die Landschaften meistens nicht so bekannt wie andere Gegenden Deutschlands. Natürlich, der Spreewald, das Scharmützelsee-Gebiet, die Märkische Schweiz haben einen Ruf. Wer aber kennt schon die Prignitz, die Uckermark, das Oderbruch näher? Die „Brandenburger Tour“ vermittelt durch die schmackhafte Küche den Zugang zu Sehenswürdigkeiten und Kulturschätzen, Landschaften und Menschen. Und wer dann noch bereit ist, sich der von Theodor Fontane empfohlenen „feineren Art Landschaft- und Natursinn“ anzunähern, die er dem Besucher der Mark dringend ans Herz legt, der wird auf ein rundum nachhaltiges Erlebnis stoßen.

Über Gastlichkeit, Landschaft und Ereignisse wird kurzweilig und informativ unterrichtet. Die gelungenen Fotos bringen dem Betrachter Gegend und Gerichte nahe; Landkarten ermöglichen die schnelle Orientierung.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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