In dem vorliegenden voluminösen Werk über die Krisenherde der Welt werden die nicht wenigen kriegerischen Konflikte seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit allen wichtigen Daten und Fakten dargestellt.
Der Autor, Rüdiger Dingemann, analysiert mit einem historischen Ansatz die Hintergründe, die zur gewaltanwendenden Eskalation geführt haben. Er zeichnet nicht nur den äußeren Ablauf eines Konflikts nach, sondern zeigt Zusammenhänge auf und erläutert anschaulich, warum mit Waffengewalt erzwungene Konfliktlösungen keinen Erfolg hatten und warum die Gefahr besteht, daß es in dieser oder jener Region wieder zu kriegerischen Handlungen kommen kann, wie zum Beispiel in Uganda, oder warum es zum Tschetschenien-Konflikt kam, der unter dem Stichwort Rußland behandelt wird, da die Kaukasus-Region bis heute völkerrechtlich zu Rußland gehört. So sind auch alle andern Unabhängigkeitskonflikte dem Staat zugeordnet, von dem sich die politischen Kräfte der jeweiligen Region lösen wollten oder wollen (Biafra z. B. bei Nigeria). Die Autonomiebestrebungen der Kurden und Basken sowie die gewaltsamen Übergriffe der islamischen Fundamentalisten werden ebenso berücksichtigt wie blutige Regierungsumstürze und Terrorakte. Der erste Teil dieses im renommierten Westermann Verlag erschienenen Lexikons ist eine Art Atlas der Krisenherde mit allen wichtigen Überblickskarten; Detail- und Verlaufskarten befinden sich bei den jeweiligen 105 Konfliktstaaten-Artikeln. Im Abschnitt historischer Hintergrund eines jeden Artikels werden die geschichtlichen Ausgangsbedingungen dargestellt; im Kapitel Konfliktparteien die gegnerischen Gruppierungen und ihre Verbündeten vorgestellt; im Abschnitt Konfliktverlauf überblicksartig die Chronologie der Ereignisse aufgezeigt sowie in den Abschnitten Ergebnis und Entwicklung seit Konfliktende - soweit sich überhaupt von einem Ende und einem eindeutigen Ergebnis sprechen läßt - die Darstellung bis zur Gegenwart fortgeschrieben.
Die soziographischen Daten zeigen die aktuelle Situation (Anfang 1996) des Konfliktstaates, und die Literaturangaben geben weiterführende Leseempfehlungen. In der Marginalspalte werden die wichtigsten Personen porträtiert und Zeitdokumente abgedruckt. Im Anhang findet sich eine Übersichtsbibliographie und ein ausführliches Personen- und Sachregister.
Der Wert des Nachschlagewerkes wird noch dadurch erhöht, daß es mit zahlreichen Schwarzweißfotos und farbigen Karten sowie mit 105 Lagevignetten ausgestattet ist.
Nun mag der Fachmann zur Bewertung des einen oder anderen behandelten Konflikts eine andere Meinung haben, zur Aufnahme dieses oder jenes Beitrages Vorbehalte vorbringen können oder die Prioritäten in der Darstellung anders gewichtet sehen wollen. Aber diese Kritik kann ein Rezensent in der Regel allen Nachschlagewerken vorhalten. Nur erhält dieses Argument in diesem Falle etwas mehr Berechtigung, denn Dingemann fungiert als alleiniger Autor, nicht als Herausgeber eines Lexikons, und es muß schon erlaubt sein zu fragen, ob eine einzelne Person die notwendigen Voraussetzungen mitbringen kann, um sowohl aussagefähig zum arabisch-israelischen Konflikt, zum Zerfall und den daraus resultierenden Kriegen im damaligen Jugoslawien, der Kuba-Krise 1962, dem sogenannten Anden-Krieg zwischen Peru und Ecuador bis hin zum angolanischen Unabhängigkeitskrieg oder den Ereignissen 1953 in der DDR zu sein. Ein Blick in die Auswahlbibliographie zeigt dann auch, daß hauptsächlich mit bereits vorhandenen Überblicksdarstellungen gearbeitet wurde und weniger mit Sach- und Spezialliteratur.
Aber, und dies sei ausdrücklich vermerkt, das Lexikon ist nicht vorrangig für Fachleute geschrieben worden, sondern als Überblicksdarstellung für den interessierten Leser, und als populäres Nachschlagewerk, mit dessen Hilfe man sich schnell einen Ein- und Überblick über die nach 1945 entstandenen Krisen und Konflikte auf allen fünf Erdteilen der Welt verschaffen kann, ist das Buch allemal zu empfehlen.