Warum sind sie vergessen: die Rose Austerlitz, die in ihren Romanen über die Berliner Boheme die Cabarettwelt zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschrieb; Maria Eichhorn, die sich in ihren Schriften um die Jahrhundertwende erotischen Themen zuwandte und von den Zeitgenossen als Die dolla Rosa apostrophiert wurde; die vielseitig begabten Erfolgs-Autorinnen Dora Duncker und Nataly von Eschstruth; Elisabeth Gnauck-Kühne, die vor allem mit ihren sozialpolitischen Schriften seit Ende des vergangenen Jahrhunderts große Wirkung erzielte - ihr Leitfaden zur Volkswirtschaftslehre erlebte zwischen 1909 und 1928 einundfünfzig Auflagen; die Ratgeber-Autorin Bertha Wegner-Zell und die vielen der mehr als 1000 in Berlin zwischen 1871 bis 1945 schriftstellerisch tätigen Frauen? - Petra Budke und Jutta Schulze suchen darauf zu antworten und mit ihrem Lexikon zu Leben und Werk von 200 Schriftstellerinnen (nicht nur vergessenen) Abhilfe zu schaffen.
In ihrem sehr informativen Vorwort verweisen die beiden Autorinnen darauf, daß das Vergessen von Schriftstellerinnen, die in ihrer Zeit berühmt und nach heutigen Maßstäben oft Bestsellerverfasserinnen waren, wesentlich einem oft zu eng gefaßten Wertmaßstab männlich geprägter Literaturwissenschaft und Literaturgeschichtsschreibung geschuldet ist. Exil, Krieg, Stellenwert der Literatur von Frauen in öffentlichen Medien, der Zwang, mit vielen Pseudonymen zu publizieren, das Desinteresse am literarischen Werk und Wirken und am Bewahren unveröffentlichter Schriften seitens der Familien von Schriftstellerinnen beförderten das Vergessen ebenso, wie die Verfolgung jüdischer Schriftstellerinnen nach 1933 in Deutschland. Damit sind zugleich einige der Schwierigkeiten benannt, die die Verfasserinnen des Lexikons zu meistern hatten. Berlin, insbesondere das Berlin der Jahrzehnte von der Wilhelminischen Kaiserzeit bis zur Befreiung Deutschlands und Europas vom Nationalsozialismus, bot sich wie keine andere Stadt Deutschlands an, die Spuren deutscher Schriftstellerinnen zu verfolgen. Die sprunghafte Entwicklung Berlins zur Weltstadt, zur geistigen Metropole Deutschlands, war der Humus, auf dem die Teilnahme der Frauen an der kulturellen Produktion Deutschlands am besten gedeihen konnte. Aber, und dies dokumentiert das Lexikon auf eindrucksvolle Weise, daß Berlin zu dem kulturellen Zentrum Deutschlands bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts werden konnte, war zugleich ein Verdienst der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen, das zu unrecht bis in die Gegenwart zu wenig gewürdigt wird. Lexikalischen Skizzen von Personen und ihrem Wirken in der Geschichte können keine Biographie, gründliche Werk- und Wirkungsgeschichte ersetzen. Gleichwohl ist es den Autorinnen gelungen, so wie sie es sich vornahmen, eine erste Orientierung über das Leben, den Weg zum Schreiben und das literarische Schaffen der vorgestellten Schriftstellerinnen zu geben und so neugierig auf diese zu machen, ihre Wiederentdeckung zu befördern. Das Lexikon ist ein bemerkenswerter Beitrag zur Färbung eines noch weitgehenden weißen Fleckes Deutscher und Berliner Kulturgeschichte.