Eintöpfe, mehrfach aufgewärmt, schmecken immer besser. Renate Holland-Moritz muß wohl daran gedacht haben, als sie sich entschied, in ihre journalistischen Anfangsjahre zurückzugehen und das eine oder andere Stück wieder hervorzuholen zur erneuten Kostprobe. Ein gewagtes Unterfangen. Denn die für ihr loses Mundwerk und für ihre flotte, humoristische und satirische Schreibweise gleichermaßen bekannte Berliner Autorin schrieb ihre Texte aus dem Tagesgeschehen heraus für den Tag. Sie stocherte genüßlich im üppig wuchernden DDR-Garten der Mißstände, nahm Spießer aufs Korn und Spießigkeiten. Die Satire-Zeitschrift Eulenspiegel bot ihr den Platz für die Sticheleien und glossierenden Betrachtungen, für ihre witzig formulierten Attacken auf Schlendriane und Bürokraten.
Was aber war glossierenswert in jenen Jahren? Kann man heute noch lachen oder sich ärgern über Dinge, über die man in den fünfziger und sechziger Jahren zwischen Kap Arkona und Suhl lachte oder sich ärgerte? Ist so ein Eintopf nicht vielleicht doch zu alt, zu oft aufgewärmt und schmeckt nun lasch und fade?
Angeschmiert und eingewickelt wird vor allem dem munden, der in jenen Zeiten im Osten des neuen Deutschlands sein Zuhause hatte und sich noch an Kampagnen und Aufrufe, an übereifrige Genossen und betriebsblinde Betriebsleiter, an Losungen wie Überholen ohne Einzuholen und Weltniveau-Appelle erinnert. Und er wird auch daran erinnert, daß so manches kritische Wort - zumindest im Eulenspiegel - möglich war in jenen Jahren, in denen die öffentlich geäußerte Kritik nur wenigen zugestanden wurde. Renate Holland-Moritz gehörte zu denen, die ihren Mund aufreißen durften. Zwar bekam sie auch hin und wieder Schelte, wurde für allzu ungestümes Vorpreschen gerügt, doch zum Schweigen wurde sie nie verurteilt. Sie durfte weiter, vorsichtig zwar, ihre satirischen Pfeile verschießen, zielte nun auf Handwerker, Verkäuferinnen und den Einzelhandel.
Die 36 Geschichten und Geschichtchen erschienen zwischen 1956, mit ihrem journalistischen Debüt Ich habe ein Dutzendgesicht, und 1969. Es sind kleine Alltagsbeobachtungen und größere Reportagen. Allen gleich ist der gekonnte Umgang mit dem Wort, die souveräne Beherrschung der Sprache, die sich nicht in elitäre Höhen begibt, sondern immer verständlich bleibt auch für den, den die Autorin - ob nun mit Florett oder Säbel - attackiert. Wo es unbedingt notwendig war, hat Renate Holland-Moritz Erläuterungen angefügt.
So dechiffriert sie die damals gängigen Abkürzungen von VVB bis DHZ, von BIWA bis DIA und weist am Beispiel der Glosse über das Verpackungs-(Un-)Wesen auch auf redaktionelle Eingriffe in ihre Texte (es fehlte das positive Element) hin. Doch diese Übersetzungen ins Verständnis der Jetzt-Zeit bleiben sparsam. Somit bleibt der Kreis derer, denen der wieder aufgewärmte Eintopf aus der Küche der Renate Holland-Moritz schmeckt, überschaubar. Das muß kein Nachteil sein. Jede Zeit hat ihre Geschichte und ihre Geschichtenschreiber. Die Autorin der Kino-Eule erzählt humorvoll und manchmal auch bissig erlebte Geschichte. Und der Leser von Angeschmiert und eingewickelt stellt dabei vielleicht fest: Es gab auch was zu lachen im Osten.