Eine Rezension von Thomas Trumer

Schrifttumssammlungen zur Berlin-Geschichte

Berlin-Bibliographie 1985 bis 1989.
Band 1: Bibliographie. K. G. Saur Verlag, München 1995, 851 S.;
Berlin-Bibliographie 1985 bis 1989.
Band 2: Register. K. G. Saur Verlag, München 1995, 315 S.;
Berlin-Bibliographie 1990. K. G. Saur Verlag, München 1995, 247 S.

Nicht nur für den Berlin-Historiker sind sie in einer immer stärker wachsenden Flut des sich mit Berlin beschäftigenden Schrifttums eine unverzichtbare Orientierungshilfe, sondern auch für jeden an allgemeinen wie auch speziellen Themen der Geschichte und Gegenwart der deutschen Hauptstadt Interessierten: Die Berlin-Bibliographie, die als Gemeinschaftswerk der Historischen Kommission zu Berlin und der Berliner Senatsbibliothek 1965 in einem umfangreichen Band erschien und erstmalig das Berliner Schrifttum bis zum Erscheinungsjahr 1960 der interessierten Öffentlichkeit auf bequeme Art und Weise zugänglich machte. Der erste Nachtragsband erschien 1973 und ergänzte die bibliograpische Übersicht für die Jahre 1961 bis 1966, ihm folgte der von 1984 für die Jahre von 1967 bis 1977, und 1987, im Jahr der 750-Jahr-Feier, der zu diesem Zeitpunkt noch geteilten Stadt Berlin, der dritte Nachtragsband, bzw. der vierte Band der Bibliographie für die Jahre von 1978 bis 1984. Nun, zwanzig Jahre nach dem Eröffnungsband, liegen die Bände fünf und sechs vor. Allerdings bei einem neuen Verlag. Nach Walter de Gruyter & Co. in Berlin, erschienen die beiden jüngsten bibliographischen Nachschlagewerke über das Berliner Schrifttum beim Verlag K.G.Saur in München. Während der fünfte Band, den bisherigen Bänden folgend, einen Überblick über mehrere Jahre gibt, die Jahre 1985 bis 1989, eröffnet der sechste Band, der das Jahr 1990 zum Inhalt hat, eine neue Form der Fortsetzung der Bibliographie: das innerhalb eines Jahres erschienene Schrifttum über Berlin jeweils in einem Band vorzustellen. Dies durchzuhalten und dabei die Zeitabstände zwischen der Publikation des Bandes und dem bearbeiteten Jahr zu verkürzen, ist den Herausgebern - bis zum Band 5 zeichnete dafür die Senatsbibliothek Berlin verantwortlich, ab Band 6 die Stadtbibliothek Berlin - nur zu wünschen.

1985 bis 1990, das sind bemerkenswerte Jahre auch für die Geschichte Berlins. In vielen der aufgeführten 15 127 Titel spiegelt sich ein spannungsreiches Stück Berliner Nachkriegsgeschichte wider, die mit diesen Jahren gewissermaßen ihr Ende gefunden hat. Wir werden am Beispiel der Titel zur 750-Jahr-Feier sowohl nachhaltig an eine verstärkte und ergebnisreiche Beschäftigung mit der Geschichte seitens der Ost- und Westberliner erinnert wie auch an den Kalten Krieg, die Teilung der Stadt und deren Einfluß auf das Berliner Schrifttum. Neben anderen Ereignissen nimmt natürlich der Fall der Mauer einen besonderen Stellenwert ein. Allein die Titel-Überschriften zu Politik, Verfassung, Parteien, Stadtentwicklung und Kultur, die bis zum Fall der Mauer erarbeitet und publiziert wurden, belegen zum großen Teil, wie man sich in Ost und West in der geteilten Stadt für einige Zeit gewollt bzw. gezwungenermaßen eingerichtet hatte und daher um so mehr über den Fall der Mauer und das Tempo der Erosion des DDR-Machtapparates überrascht war. Der sechste Band, stellt 3 276 Titel aus Büchern und Zeitschriften vor, die 1990 erschienen sind. Für Berlin ebenfalls ein bemerkenswertes und ereignisreiches Jahr. Es ist das Jahr der ersten freien Wahlen in Gesamt-Berlin nach 1946, das Jahr der ersten freigewählten Volkskammer der DDR und ihrer Hauptstadt Berlin, das Jahr der Wiedervereinigung Berlins und der deutschen Einheit und der Beginn einer erst anwachsenden Literatur über den Herbst 1989 in Berlin. Wenngleich es verständlich ist, daß die Herausgeber aus Platzgründen auf Zeitungsartikel verzichten müssen, ist dies jedoch für den Band des Jahres 1990 äußerst bedauerlich. Die Titel der Bücher und Zeitschriftenartikel spiegeln in der Regel nicht die komplizierte, vielschichtige und rasante politische Entwicklung des Jahres 1990 wider. 1990 hört die DDR auf zu existieren. Mit ihr beginnt das Sterben vieler Verlage, Publikationsreihen, Zeitungen und Zeitschriften, die in den Bibliographien zum Berliner Schrifttum gewissermaßen einen Stammplatz hatten und in diesem Band zum letzten Mal Zeugnis ihrer Wirksamkeit ablegen. Auch insofern stellt die Bibliographie des Jahres 1990 ein historisches Dokument dar.

Bibliographien leben von ihrem Inhalt, ihrer angestrebten Vollständigkeit und einem überschaubaren Ordnungssystem. Erscheint dann eine Schrifttumssammlung wie die Berlin-Bibliographie in Fortsetzungen, gewöhnt man sich bald an das einmal eingerichtete Gestaltungs-, Gliederungs- und Suchprinzip. Genau diese Prinzipien sind zum Teil, wie ich meine ohne Not und überzeugende Gründe - zum Nachteil des Nutzers verändert bzw. gar preisgegeben worden. Es beginnt damit, daß die Titelnummer, die für den Nutzer von sekundärer Bedeutung ist, nicht wie bisher, am Ende des aufgenommenen Titels steht, sondern deren erste Zeile bildet. Dies mag aus Gründen der elektronischen Verwaltung der Daten vorteilhaft sein, für den Nutzer, der den Titel sucht und sich an ihm orientiert, wohl kaum, zumindest, wenn er besseres gewohnt war. Viel bedenklicher ist jedoch die Tatsache, daß die bisher vorgenommene Gliederung der Bibliographie neuen Ordnungsprinzipien gewichen ist, die dem Nutzer eine thematische Anknüpfung an die vorherigen Bände nicht nur erschweren, sondern einer bequemen Orientierung nicht förderlich sind. Selbst wenn es für die neue Gliederung wohlüberlegte Gründe gibt, ist der Verzicht auf eine detailliertere Unterteilung der Hauptabschnitte beklagenswert. Gewinn auf der einen, ein kleiner Verlust auf der anderen Seite ist bei den Registern festzustellen. Die Erweiterung der Bibliographie um ein Verfasser-/Titelregister ist ein bedeutsamer Vorzug der neuen Bände. Der Verzicht auf ein getrenntes Personen- und Sachregister bedauerlich.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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