Eine Annotation von Bernd Heimberger
Ford, Michael Thoma:
Viren sind nicht wählerisch
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1995, 207 S.

„Die Aids-Problematik präsentierte er uns wie ein schulisches Lehrstück, zu dem man Hausaufgaben zu lösen hat und in dem man geprüft werden kann“, sagt Peter über den Vortrag eines Arztes in der Schule. Peter lebt in Miami. Er ist Amerikaner kubanischer Herkunft. Als 17jähriger bekam der muntere und intelligente Bursche das Ergebnis einer Blutuntersuchung. Peter ist HIV-positiv. Er hat lernen müssen, mit Aids zu leben. Er warnt vor dem Palaver der Pädagogen, die den Schülern einpauken, nicht für die Schule, sondern für das Leben zu lernen, und Lebenskunde in der Schule völlig vernachlässigen.

Sexual-Kunde auf dem öffentlichen Klo hat so manchen mehr Last als Lust gebracht und, schlimmstenfalls, das Aus fürs Leben bedeutet. Was die Penne verpennt hat, will das Jugend- Taschenbuch Viren sind nicht wählerisch ausbügeln. Auf 100 Fragen zum Thema Aids, die bestimmt niemand hat, gibt das außerschulische Lehrbuch 100 Antworten, die bestimmt keinem schaden können. Die Schrift ist nicht noch ein Buch ü b e r Aids. V o n Aids ist die Rede, in einem Buch, das bester Nach-Hilfe-Unterricht für Mädchen und Jungen ist, die sich nicht mehr in Schulhofecken herumquetschen, um kichernd und kühn ein Kondom aufzublasen. Schamlos wird über Sexualwünsche, -praktiken, -probleme gesprochen, von denen Jugendliche im Zeitalter von Aids alles wissen sollten. So direkt wie die Fragen, so deutlich sind die Antworten. Einem Schreckgespenst wird der lähmende Schreck genommen. Die Angst vor Aids wird durch Achtsamkeit gegenüber Aids ersetzt. Schämen muß sich nur, wer sich schämt, über Sexualität, also auch über Aids, zu sprechen. Eine Schande ist, sich vor Sexualität zu schützen und sich ungeschützt Aids auszusetzen. Mit Aids leben heißt, nicht an Aids sterben zu müssen. Das ist die Botschaft, die zu beherzigen ist, wenn das Herz hämmert.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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