Eine Annotation von Karl-Heinz Körner
Pomplun, Kurt:
Berlins alte Dorfkirchen
Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung,
Berlin 1984, 110 S.

Berlin hat 55 Dorfkirchen. Das ist kaum im Bewußtsein der Öffentlichkeit. Die großen Kirchen und Dome der Stadt stehen im Vordergrund des Interesses. Sei es nun die Anwesenheit hoher Besucher, wie unlängst des Papstes, sei es die historische Besonderheit der spätgotischen Marienkirche am Neuen Markt oder die stadtgeschichtliche Bedeutung der Nikolaikirche, die Architektur der Friedrich-Werderschen Kirche von Baumeister Schinkel oder auch nur die Tat-sahe, daß für die Besichtigung des evangelischen Doms Eintrittsgeld erhoben wird - die Großen sind immer im Gespräch.

Kurt Pomplun hat mit seinem Büchlein die Ausstrahlung und besonderen Reize der Berliner Dorfkirchen entdeckt. Es ist nicht nur ein Reiseführer, sondern viel mehr noch ein Kunstführer. Ein knapper geschichtlicher Exkurs macht mit dem Thema bekannt und erklärt die relativ große Anzahl von Dorfkirchen in der doch noch gar nicht so alten Stadt. Bis in das frühe Mittelalter führt er mit seinen Erläuterungen über Entstehung, Architektur und Geschichte der Dorfkirchen im Berlin-Brandenburger Raum zurück. Die Schilderung baulicher Besonderheiten gibt dem Leser Kenntnisse an die Hand, die ihn anregen, sich selbst in der Bestimmung von Baustil und Entstehungszeit zu versuchen und sich so ein zusätzliches Erlebnis zu verschaffen.

Um Eintritt zu erhalten, bedarf es zumeist auch nur eines freundlichen Gesprächs mit dem Pfarrer oder dem Küster. Auch Kirchenälteste schließen einem auf und sind gern zum Gespräch über ihre Kirche bereit.

Grundrisse und Zeichnungen vervollständigen die Texte. So entstand eine empfehlenswerte Dokumentation über Berlins alte Dorfkirchen. Sie stellt gewissermaßen ein Gesamtberliner baugeschichtliches Kurzinventar zu den Dorfkirchen der Stadt dar. Es wurde zu einer Zeit zusammengetragen, da der Blick aufs Ganze durchaus nicht üblich war. Jetzt liegt die sechste Auflage vor, und das spricht sowohl für den Autor als auch für seinen Gegenstand und seine Darstellung. Überholt sind allerdings einige Fakten der jüngeren Vergangenheit. Nun wäre es an der Zeit, einen kritischen Blick darauf zu werfen und solche Hinweise wie die Besuchsmöglichkeit Ost-Berlins nach dem Passierscheinabkommen zu eliminieren. Für eine Neuauflage wäre auch die aktuelle bezirkliche Einordnung Marzahns zu berücksichtigen und sicherlich noch manch anderes, das der Autor aber bestimmt selbst weiß.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 09/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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