Analysen · Berichte · Gespräche · Essays

Heinrich Lange

Wo sind die Juwelen und
Perlen der Kronen geblieben?

Wechselvolles Schicksal der Pretiosen Preußens

Krone

In der im Rahmen der gemeinsamen Landesausstellung „Preußen 2001“ von Berlin und Brandenburg gezeigten Hauptausstellung „Preußen 1701 - Eine europäische Geschichte“ des Deutschen Historischen Museums und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg vom 6.Mai bis 5. August 2001 in der Großen Orangerie des Schlosses Charlottenburg bilden die preußischen Kroninsignien einen der Glanzpunkte.

Von der Krone des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, der als 12jähriger an der Krönung seines Vaters Friedrich I. am 18. Januar 1701 im Königsberger Schloss teilnahm, kann nicht einmal mehr die Karkasse, auch Gestell oder Skelett genannt, gezeigt werden. Die goldene Kronprinzenkrone,

die laut Nachlaßinventar, das 1713 nach dem Tode Friedrichs I. aufgenommen wurde, mit 110 Diamanten, 8 Brillanten, 8 Birnperlen und 83 runden Perlen besetzt war, holte der spätere „Soldatenkönig“ im Jahre 1737 aus dem Krontresor im Berliner Schloß, zerschnitt sie und nahm die Stücke und Juwelen an sich, ohne daß die Beamten über den Zweck Mitteilung erhielten. Im Nachlaßinventar des ersten Königs in Preußen im Geheimen Staatsarchiv Berlin heißt es dazu: „Wie Se. Königl. Majestät den 15. August 1737 in's Tresor die 300000 Thlr. brachten, so haben Sie die Krone Nr. 3 mit Herrn Brandhorstens Scheere entzwei geschnitten, und nebst zwey großen Hemdknöpffen aus dem Tresor mit oben genommen, so wie mir Herr E[versmann] gesagt hat. Denn zugegen ist Keiner gewesen.“

Von den Kronen Friedrichs I. und Sophie Charlottes haben hingegen die goldenen Karkassen mit dem in der Mitte aufgesetzten blau emaillierten, von Goldbändern umfangenen und von einem Kreuz bekrönten Reichsapfel alle Zeitläufte überdauert. Sie sind seit 18. Januar 1995 im Kronkabinett und jetzt in der Jubiläumsausstellung in der Großen Orangerie des Schlosses Charlottenburg zu sehen. Der Berliner Goldschmied, der die Kronen um 1700 ausführte, ist nicht mehr bekannt: „Ueber die Herstellung der ersten Königskrone von 1701 sind keine Akten oder Rechnungen aufgefunden worden“, so Paul Seidel in seiner grundlegenden Abhandlung „Die Insignien und Juwelen der preußischen Krone“ im Hohenzollern-Jahrbuch von 1913.

Die ungewöhnliche Ausführung der Krongestelle in massivem Gold ist für den Stifter und ersten Träger der Krone Preußens nicht nur eine Frage des Prestiges, sondern auch des hohen Symbolwerts gewesen. „Der erste König von Preußen“, so Reinhold Koser in der Einleitung zu Paul Seidels genanntem Beitrag anläßlich des 25jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Wilhelms II. und seiner Gemahlin Auguste Viktoria im Jahre 1913, „hat sich die Krone mit eigner Hand auf das Haupt gesetzt als Symbol seiner Souveränität, zum Zeichen, daß er seine Königswürde keiner menschlichen Gewalt, keiner fremden Verleihung verdanke. ,Nächst Gott‘, sagte damals Leibniz, ,hat der König von Preußen sein Königreich nur der königlichen Vollgewalt und der ihm von Gott verliehenen Weisheit zu danken.‘“

Das ursprüngliche Aussehen der Krone Friedrichs I. ist am besten durch einen Stich des Amsterdamer Kupferstechers und Verlegers Pieter Schenk d. Ä. (1660- 1718/19) von 1703 überliefert, von dem ein Druck in der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin erhalten ist. Oberzeremonienmeister Johann von Besser beschreibt die Krone in der vom König beauftragten „Preußischen Krönungs-Geschichte“ von 1702- 1712: „Die Krone war gleich dem Zepter von purem Golde / aber nicht / wie gewöhnlich / mit Laub-Wercke; sondern von lauter dicht aneinander gefügten Diamanten: Die auf den geschlossenen Bügeln und dem gantzen Umbkreise / wie aus einem Stück zusammen gegossen / und nicht anders / dann durch den Unterscheid ihrer Größe getheilet zu seyn schienen; da einige zu achtzig / neuntzig und hundert Grain / ja einige Brillanten gar zu hundert und dreyßig / an Gewicht hielten / und folgends auch mit unterschiedenem Feuer in das Gesichte fielen.“

Der Hofjude Liebmann leiht die Juwelen für die Königinkrone
Der Hauptlieferant Friedrichs I. für Juwelen und Perlen war der Hofjude oder „Hofjubilirer“ Jost Liebmann und nach dessen Tode die Witwe. Adolf Kober informiert 1929 als einziger genauer über Liebmann und seine Familie im Jüdischen Lexikon: „Der Hofjude des Großen Kurfürsten, gest. 1702, stammte vermutlich aus Halberstadt. [...] Er war besonders im Juwelenhandel tätig, Lieferant und Kreditgeber des Hofes und diente als solcher auch dem Kurprinzen Friedrich III. Um 1700 galt er mit seinem 100 000 Reichstaler betragenden Vermögen als der reichste Jude Deutschlands. Er erhielt in der Berliner Gemeinde das Recht, eine Synagoge - die Liebmannsche Schule - zu halten, um die sich eine - nach seinem Tode von seiner Frau geführte - im Gegensatz zu einem großen Teil der Gemeinde stehende Partei scharte.

Gleiche Energie bewies seine ehrgeizige, kluge und temperamentvolle Frau Esther aus der Familie der Prager Schulhoff, die öfters von König Friedrich I. empfangen wurde. An der Spitze ihrer Partei bekämpfte sie jahrelang die für Berlin geplante neue Gemeindesynagoge. Ihre Söhne und Schwiegersöhne erhielten durch den Einfluß ihrer Eltern Handelskonzessionen und Geleitbriefe. Der eine Sohn, Abraham, wurde 1692 als Rabbiner von Magdeburg, Halberstadt, Halle und Bernburg bestätigt, ein anderer, Jost, war im ersten Viertel des 18. Jhdts. Oberältester der Berliner Gemeinde.“ Unerwähnt läßt Rabbiner Kober allerdings, daß Liebmanns Witwe und Söhne 1713 in Ungnade fielen, nachdem sie nach Friedrichs I. Tod noch „eine Forderung von 106 418 Tlr. geltend“ gemacht hatten. Paul Seidel führt ein Protokoll vom 7. Mai 1713 an, aus dem hervorgeht, daß die Witwe und ihr Sohn Salomon Israël „verhaftet und das in ihrem Hause vorgefundene ,Geld, Gold, Silber und Juwelen‘ im Werte von mehr als 100 000 Rtlr. in die Hofrentei zur Verwahrung gebracht“, also beschlagnahmt wurden. „Was der Familie [...] zum Vorwurf gemacht wurde, läßt sich“ aber, so Seidel, „aus den Akten nicht ersehen.“ Daß Jost Liebmann d. Ä. für die Krone der Königin leihweise Juwelen beschaffte, belegt ein Aktenvermerk vom 16. Mai 1701, daß an ihn „an Statt der Interessen so er für die zu Dero hochgeliebten Gemahlin der Königin Maj. Königl. Krohne gelieferte und nachgehends wieder von Ihm zurückgenommene Juwelen prätendiret überhaupt und ein für allemahl acht tausend Thlr. bezahlt werden“ sollen. Die für die Krönung in Königsberg geliehenen und bald nach der feierlichen Rückkehr in Berlin am 6. Mai 1701 zurückgegebenen Diamanten und Brillanten der Krone Sophie Charlottes verfehlten jedenfalls ihre optische Wirkung nicht. Augenzeuge von Besser beschreibt in der Krönungsgeschichte, daß die Krone „auf Ihrem blossen Haupte sass, und unter den dicken Buckeln Ihres natürlich gekrollten kohlschwarzen Haares, desto heller hervorschimmerte“.

Die Legende von den verschollenen Juwelen
König Friedrich II. ließ 1741 vor Beginn der Schlesischen Kriege den Juwelen- und Perlenbesatz der Kronen abnehmen und für alle Fälle seiner Gemahlin Elisabeth Christine in ihrem Schloß Schönhausen bei Berlin nicht nur zur Aufbewahrung, sondern auch „zu freier Verwendung“, d. h. auch zur Benutzung als Schmuck, übergeben. Laut Katalog der Ausstellung „Preußen. Versuch einer Bilanz“ im Martin-Gropius-Bau 1981 sollen die Juwelen der Kronen „Ende des 18. Jh. zum letztenmal erwähnt“ sein und „seitdem als verloren“ gelten. Diese auch im Preußenjahr 2001 wiederholte Behauptung trifft jedoch nicht zu. In dem Katalog- und Essayband Preußen 1701 - Eine europäische Geschichte von 2001 mit einem Umfang von dreivierteltausend Seiten erfährt man zum wechselvollen Schicksal der Juwelen und Perlen - wie auch der Kroninsignien als Ganzes - leider nichts.

Bei der Flucht des Hofes vor Napoleon nach Ostpreußen 1806 wurde der Krontresor inklusive Kroninsignien und Juwelen, der zu diesem Zeitpunkt zugleich der Staatsschatz war, nach Königsberg mitgenommen. Wegen der Not des Vaterlandes und der ungeheuren Anforderungen an die Finanzkräfte des Staates beabsichtigte König Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1809, die Juwelen, unter denen sich auch die der Kronen befanden (nicht aber die von Königin Luise zurückgehaltenen Perlen des Krontresors), zu verkaufen. Die Edelsteine, nicht aber die Kronkarkassen, die wie das Zepter und der Reichsapfel in Königsberg verblieben, wurden zur Taxierung in die Seehandlung nach Berlin gebracht. Nur der Umstand, daß ihr Wert in diesen Notzeiten auf etwa ein Viertel des früher geschätzten gefallen war, hat den Verkauf verhindert.

Für die Krönung Wilhelms I. am 18. Oktober 1861 in der Königsberger Schloßkirche wurden die Kronkarkassen durch zwei neue ersetzt. In dem im Geheimen Staatsarchiv erhaltenen Brief v. Obstfelders, des Direktors des Königlichen Hausministeriums, an Kronprinz Friedrich Wilhelm heißt es, „daß zu der Carcasse der neuen Krone vorzugsweise deshalb leichtes Silberblech, aber vergoldet, gewählt ist, weil die erstere bei Verwendung reinen Goldes noch schwerer sein würde als die von 1701 herstammende Carcasse, welche Seine Majestät der König wegen zu großer Schwere nicht angewendet wissen wolle“. [...] Die Kronen von 1861 nach dem Vorbild der Kronen von 1701 und unter Verwendung derer Juwelen und Perlen führte der aus einer Hugenottenfamilie stammende Hofjuwelier und Goldschmied George Humbert aus. Er war Eigentümer der Häuser Schloßfreiheit Nr. 1 und 2 mit dem renommierten Juweliergeschäft Humbert & Sohn, in dem er ab 1830 mit seinem Vater Jean George Humbert bis zu dessen Tode 1837 zusammenarbeitete.

Der Goldschmied der Krone von 1889
Schließlich ließ Wilhelm II. 1889 von seinem Hofheraldiker Professor Emil Doepler d. J. (1855- 1922) wiederum nach dem Vorbild der ersten Preußenkrone und unter Verwendung der auch nach der Krönungsfeier von 1861 aus den Karkassen genommenen Juwelen und Perlen eine neue Krone entwerfen und laut Paul Seidel ebenfalls von den „Hofjuwelieren Humbert und Sohn“ ausführen. Dies müßte George Emile Humbert gewesen sein, der das Geschäft nach dem Tode seines Vaters übernommen hatte und es als letzter seiner Familie bis zum Abbruch der Häuser nach 1890 besaß. Heinz Biehn gibt allerdings in Die Kronen Europas und ihre Schicksale von 1957 an, die Kronen seien von dem Berliner „Hofjuwelier Hugo Schaper (1844- 1915) angefertigt“ worden. Der „Hof-Goldschmied und Juwelier“ wohnte nach dem Berliner Adreßbuch von 1889 in der Potsdamerstr. 8.

Im Künstlerlexikon Thieme-Becker ist 1935 der „Kunstgewerbler (Hofgoldschmied)“, der Bruder des bekannten Bildhauers Fritz Schaper, verzeichnet, ohne daß wie bei George Humbert die Ausführung der Königskrone erwähnt wird. Hingegen wird in dem Lexikon 1925 George Humberts Sohn George Emile, der die Krone im letzten (?) Geschäftsjahr „1889“ ausgeführt haben müßte, nicht vermerkt. Dieser findet sich aber im Adreßbuch von 1889, wo es zu Humbert & Sohn heißt: „Hof-Juweliere Ihrer Maj. d. Kaiserin, Juwelen, Gold- u. Silberwrhdlg. Schloßfreiheit 2. Inh. Georg Emil Humbert“. Ab 1892 wohnte er in der Maaßenstr. 15 in der Schöneberger Vorstadt. Im Adreßbuch von 1893 ist Hugo Schaper als „Hof-Goldschmied Ihrer Kgl. Hoheit der Frau Prinzess. Friedrich Carl von Preußen“ genannt. Am 25. Januar dieses Jahres wurde Prinzessin Margarete (1872- 1954), die jüngste Schwester Kaiser Wilhelms II., mit Friedrich Karl Landgraf von Hessen-Kassel (1868- 1940) vermählt.

Der wahre Goldschmiedemeister der Krone Wilhelms II., die heute in der Schatzkammer der Burg Hohenzollern bei Hechingen in Baden Württemberg aufbewahrt wird, dürfte aber noch durch Archivalien und/oder das wohl am Krongestell vorhandene Meisterzeichen zu ermitteln sein. Jedenfalls hat Vater George Humbert für die Krönung 1861 außer den beiden seit Ende des Zweiten Weltkriegs verschollenen und daher nicht mehr überprüfbaren Kronen auch „eine silberne und vergoldete Dose für die Aufbewahrung des Reichssiegels“ angefertigt, die in der Ausstellung gezeigt wird und eindeutig das Meisterzeichen „Humbert & Sohn“ aufweist.

Geteilter Besitz nach 1918
Die Krone Wilhelms II. mit insgesamt 142 Diamantrosen, 18 Brillanten, 8 Dicksteinen, 8Birnperlen und 2 Saphiren wurde nach dem Sturz der Monarchie 1918 durch das „Gesetz über die Vermögensauseinandersetzung zwischen dem Preußischen Staate und den Mitgliedern des vormals regierenden Preußischen Königshauses“ vom 29. Oktober 1926 (in: Preußische Gesetzsammlung [PrGS] 42, 1926, S. 267- 289) der Hohenzollernfamilie als Hausvermögen überlassen. Tilo Eggeling, Referent für Denkmalpflege der 1995 gegründeten „Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg“, schreibt dazu in Königsschlösser - Museumsschlösser. Entstehung, Geschichte und Konzeption der preußischen Schlösserverwaltung von 1998: Die „Kroninsignien (Zepter, Reichsapfel, Reichssiegel, Reichsfahne und Reichshelm) (sowie die Lederfutterale für die Kronen, das Zepter und den Reichsapfel, Anm. des Verf.), die das Königshaus bereits früher den Staatlichen Museen leihweise überlassen hatte, gingen in den Besitz des Staates über, während die Kronjuwelen (und die Kronkarkassen sowie das Reichsschwert und das Kurschwert, Anm. des Verf.) dem Königshaus verblieben.“

„Die Bestände des Hohenzollernmuseums im Schloß Monbijou verblieben im Besitz des Königshauses, ihre Verwaltung übernahm der Staat, der diese Aufgabe 1927 der (in diesem Jahre gegründeten, Anm. des Verf.) Schlösserverwaltung übertrug. Er stellte Schloß Monbijou zur Verfügung und übernahm die Verpflichtung, das Museum in seiner Eigenart zu erhalten.“ Die „Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten“ unterstand dem „Kultusministerium, dem späteren Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Kunst“.

Die Kronkarkassen von 1701 und 1861 waren bis in den Zweiten Weltkrieg hinein als Leihgaben des vormals regierenden Königshauses im Hohenzollernmuseum Schloss Monbijou ausgestellt. Infolge der ab 1941 allgemein erfolgten kriegsbedingten Verlagerung von Kunstschätzen aus den Schlössern wurden die Kroninsignien zunächst nach Königsberg ausgelagert. 1944 aber holte man sie nach Berlin zurück und lagerte sie noch im März 1945 in das stillgelegte Salzbergwerk Bernterode bei Leinefelde in Thüringen, eines der Depots der Schlösserverwaltung bis April 1945, aus.

Die teilweise Rettung 1945
Hier wurden sie kurz darauf von den Amerikanern geborgen und über den Zwischenlagerungsort Marburg in den sogenannten „Central Art Collecting Point“, den Zentralsammelpunkt für alle ihnen in die Hände gefallenen ausgelagerten Kulturschätze des Deutschen Reiches, im Wiesbadener Schloß überführt. Später wurde der gesamte Bestand dieses Kulturgutlagers auf die Treuhandverwaltung des Landes Hessen übertragen. Erst 1957, nachdem das „Gesetz zur Errichtung einer ,Stiftung Preußischer Kulturbesitz‘ und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen, von den Alliierten 1947 aufgelösten Staates Preußen auf die Stiftung“ vom Deutschen Bundestag am 25. Juli 1957 beschlossen worden war, gelangten die preußischen Kroninsignien nach Berlin zurück und schließlich in die Obhut der 1948 in Westberlin gegründeten Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten mit Dienstsitz Schloß Charlottenburg.

Während sich die Kronkarkassen des ersten preußischen Königspaares noch unter den Kroninsignien befanden, sind die Kronkarkassen Wilhelms I. und seiner Gemahlin Augusta bis heute verschollen. Überdauert hat aber auch die gegen Kriegsende in die Hohenzollerngruft des Berliner Doms ausgelagerte und später in der Dorfkirche von Kleinenbremen bei Minden in Westfalen vermauerte Krone Wilhelms II. mit dem Juwelen- und Perlenbesatz. Sie wurde 1946 von der britischen Besatzungsmacht beschlagnahmt und gelangte über das Kunstgutlager in Celle 1948 wieder in Besitz der Fürstenfamilie auf ihren Stammsitz, die Burg Hohenzollern.

Nichts als Tand?
Leider soll dann aber in den Notzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg Wilhelm Kronprinz von Preußen, der Sohn des letzten deutschen Kaisers, die Juwelen und Perlen und andere Pretiosen an einen Schweizer Juden verkauft haben. Der ehemalige Chef des Hauses Hohenzollern wurde 1945/46 von der französischen Besatzungsmacht auf der Burg Hohenzollern interniert. Nach seiner Entlassung bezog er ein Haus in Hechingen, in dem er bis zu seinem Tode 1951 lebte. Mehrere zuverlässige Zeugen, die ungenannt bleiben wollen, bekräftigen, daß die Königskrone von 1889 in der Schatzkammer der Burg Hohenzollern nur Straß, also Edelsteinimitation aus Glas, aufweist. Allein der sogenannte kleine Sancy, der größte und mit 34? Karat schwerste Brillant, befindet sich noch heute im (nicht ausgestellten) Besitz der Hohenzollernfamilie. Laut Paul Seidel scheint der erst 1702 nach der Krönung aus der oranischen Erbschaft des Erbstatthalters Friedrich-Heinrich von Oranien, des Großvaters Friedrichs I., in den Besitz des Königs gekommene Brillant von ihm an der Königskrone befestigt worden zu sein. In einem Brief vom 31. Janauar 1705 berichtet der König seiner Schwiegermutter, der Kurfürstin Sophie von Hannover, von einem „großen Stein, den er am Ordenstage ,aufgehabt‘ habe. ,E. Ch. D. werden ihn sehr schön finden, dieweil er ohne faute ist und sich in der Krohne bei dem sensie (Sancy) sehr wol schicket. Daß aber kein König mehr sei, der solchen geschmuck hat alß ich, solches scheint, daß Sie mit mir schertzen wollen.‘“

Von der Krone hat den Brillanten dann sein Enkel Friedrich der Große 1740 entfernen lassen, um ihn seiner Gemahlin zur Benutzung zu übergeben.

„Die Königin“, so Paul Seidel 1913, „verwendete den Stein in einer Zusammenfassung von 4 großen und 5 kleinen Brillanten als ,Bouquet‘, an dem der kleine Sancy als ,Pendeloque‘ befestigt ist. In derselben Verbindung wird der Stein auch von der Königin Luise öfter gebraucht. Bei den Vermählungen der Töchter Friedrich Wilhelms III., zuerst bei der Prinzessin Alexandrine im Jahre 1822, wird der kleine Sancy wiederholt beim Brautschmuck verwendet, und zwar als Pendeloque an einem Kollier von 22 und mehr Rosetten. In solcher Verbindung mit einer Brillantenkette wird er auch heute noch von der Kaiserin benutzt. [...] Im Anfang der Regierung Friedrichs des Großen wird er auf 300 000 Rtlr. angegeben.“ [...] In den Notzeiten von 1809, als Friedrich Wilhelm die Kronjuwelen verkaufen wollte, heißt es in der Taxierung der Seehandlung in Berlin: „1 großer Brillant, Sancy genannt, wegen der Seltenheit vielleicht für 100 000 Rtlr. zu verkaufen, im Mittelpreis anzunehmen auf 60 000 Rtlr.“

Die letzte preußische Königskrone auf der Burg Hohenzollern sollte eigentlich als Leihgabe des vormals regierenden Preußischen Königshauses für neunzig Tage einen weiteren Glanzpunkt der Jubiläumsausstellung im Schloß Charlottenburg bilden, doch scheiterte deren Ausleihe zu guter Letzt am Hause Hohenzollern. Will man in der Hochsaison des „Preußenjahres 2001“ nicht auf einen der Publikumsmagnete in der eigenen Schatzkammer verzichten oder befürchtet man vielmehr bei einer Ausleihe der Krone in die ehemalige preußische Hauptstadt das „offizielle“ Bekanntwerden des vor über 50 Jahren verkauften originalen Juwelen- und Perlenbesatzes? Wer also hoffte, die für die Krone von 1889 zumindest teilweise wiederverwendeten Diamanten, Brillanten und Perlen auch der Kronen von 1701 noch ausfindig machen zu können, dem ist dies auch in der Schatzkammer der Burg Hohenzollern nicht mehr möglich.

„Beraubte“ Kronskelette von 1701
Als Leihgaben des Hauses Hohenzollern, Nachlaß S. K. H. Dr. Louis Ferdinand Prinz von Preußen, ehemals Hohenzollernmuseum Schloß Monbijou, sind allerdings neben dem Reichsschwert und dem Kurschwert die beiden Krongestelle Friedrichs I. und Sophie Charlottes zu sehen. Sie sind laut Auskunft der „Generalverwaltung des vormals regierenden Preußischen Königshauses“ in Bremen vom 5. April 2001 „nach wie vor Eigentum des vormals regierenden Königshauses als Inventarien des ehem. Hohenzollernmuseums Schloß Monbijou in Berlin“. „Dies folgt“, so Rechtsanwalt J. F. von Strantz, „ebenfalls aus dem o.a. Gesetz in Verbindung mit einem Überlassungsvertrag/Leihvertrag, der 1987 zwischen dem Prinzen Louis Ferdinand von Preussen und SPK (Stiftung Preußischer Kulturbesitz) abgeschlossen wurde. Sie befinden sich ebenfalls in der Obhut der SPSG (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg) im Schloß Charlottenburg.“ Louis Ferdinand Prinz von Preußen, der Sohn des Kronprinzen Wilhelm, war von 1951 bis zu seinem Tode 1994 Chef des Hauses Hohenzollern. Schon früh bestimmte der in der Auferstehungskapelle der Burg Hohenzollern beigesetzte Lieblingsenkel Kaiser Wilhelms II. seinen Enkel Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen zu seinem Nachfolger.

„Ob die Kroninsignien“ - gemeint sind hier das Zepter, der Reichsapfel, das Reichssiegel und der Reichshelm sowie die Futterale bzw. Dose - „auf die 1994 gegründete Stiftung Preussische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg übertragen wurden“, so der Rechtsanwalt, „ist mir nicht bekannt.“

Auch die ihrer Juwelen und Perlen „beraubten“ goldenen Skelette der Kronen von 1701 im Schloß Charlottenburg können - zumal vereint mit dem Zepter und dem Reichsapfel, die ihren originalen Edelsteinbesatz bis heute behalten haben - noch von der glanzvollen Schöpfung des Königreiches Preußen vor 300 Jahren künden.



Bildlegende:
Preußische Krone von 1889. Vignette von Hofheraldiker Emil Doepler d. J., um 1913. Aus: Hohenzollern-Jahrbuch 17, 1913, Abb. S. 1 (Ausschnitt)


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
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