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Unbekannte Briefe von
Fontane - Unbekannte Briefe
an Fontanes

Gefunden und kommentiert
von
Regina Dieterle

1. Briefe von Theodor Fontane an Karl Emil Otto Fritsch

Im Januar 2001 öffnete sich mir die Tür zu einem unverhofften Schatz: Ich entdeckte bislang unbekannte Briefe, Dokumente und Fotografien der Familien Fontane und Fritsch, die unser Bild von Fontane bereichern werden. Die über hundert Jahre sorgsam aufbewahrten und gehüteten Dokumente, darunter Briefe von Emilie und Martha Fontane, von Anna und Karl Emil Otto Fritsch und 50 Briefe von Theodor Fontane aus den 1880er und 1890er Jahren an K. E. O. Fritsch und dessen zweite Frau Anna Fritsch-Köhne werden es erlauben, ein neues Kapitel der Fontaneschen Familiengeschichte zu schreiben, das auch von seiner Tochter Martha und seinem Schwiegersohn K. E. O. Fritsch handelt.

Der aus Schlesien stammende Architekt Fritsch machte sich einen Namen als Gründer und Redakteur der in Berlin erscheinenden „Deutschen Bauzeitung“ und Mitherausgeber des mehrbändigen Standardwerkes „Berlin und seine Bauten“. Mit seiner Studie „Der Kirchenbau des Protestantismus von der Reformation bis zur Gegenwart“ (1893) erwarb er sich Anerkennung weit über die Grenzen Berlins hinaus. Seine publizistische Tätigkeit wurde unter anderem mit dem Doktor h. c. und dem Professorentitel gewürdigt.

K. E. O. Fritsch heiratete 1868 die damals 21jährige Klara Köhne. Wenige Jahre nach der Geburt zweier Töchter, Marie (1870) und Anna (1872), starb 1877 seine Frau. 1882 ging Fritsch mit der 24jährigen Anna Köhne, die eine Halbschwester von Klara war, eine zweite Ehe ein. Im gleichen Jahr lernte er Theodor Fontane kennen. Nun setzte zwischen den Fontanes und den Fritschs ein regelmäßiger gesellschaftlicher Verkehr ein, der nach und nach persönlicher wurde.

1895 geriet das Ehepaar Fritsch offenbar in eine ernste Krise. Zur Überraschung von K. E. O. Fritsch wünschte Anna dringend die Scheidung, weil sie einen anderen (verheirateten) Mann liebe. Bald darauf wurde sie jedoch unheilbar krank. Sie starb im November 1897 im Beisein ihres Gatten. Kurz vor ihrem Tod soll sie gewünscht haben, daß er sich mit Martha Fontane verbinde. Fritsch schätzte und liebte die Tochter des Schriftstellers damals schon seit längerem. Mit der öffentlichen Bekanntgabe ihrer Heiratsabsichten und der Verlobung wurde allerdings gewartet, bis das Trauerjahr vorüber war (vgl. auch „Mitteilungen der Theodor Fontane Gesellschaft“, 2001/6).

Die vier Briefe, die nachfolgend zum Abdruck gelangen, sind die letzten überlieferten Briefe, die Fontane an seinen Freund Fritsch („Hochgeehrter Herr und Freund“) und zukünftigen Schwiegersohn („Theuerster Fritsch“) schrieb.

Zuvor jedoch ein Brief von Theodor Fontane an die von ihm sehr geschätzte Anna Fritsch-Köhne. Er ist einem Band „Effi Briest“ beigelegt, den Fontane seiner jungen Verehrerin schenkte, als der Roman erstmals in Buchform erschien.


Theodor Fontane an Anna Fritsch-Köhne
Berlin 18. Okt. 95
Potsdamerstraße 134. c

Gnädigste Frau.
An bei die arme „Effi“; in andrem Format, sonst aber dieselbe. Bewahren Sie ihr auch in dieser neuen Gestalt Ihre freundlichen Gefühle. Den Mann (Innstetten) hat neulich eine Freundin als einen „alten Ekel“ bezeichnet, was in so weit einen Eindruck auf mich gemacht hat, als, wenn dies gelten soll, alle Männer eigentlich „alte Ekels“ sind, was vielleicht richtig ist, aber doch einer etwas strengen Auffassung entspricht.

Mit der Bitte, mich Frau Mama, wie dem verehrten Gatten empfehlen zu wollen, in vorzüglicher Ergebenheit

Th. Fontane.


Theodor Fontane an K. E. O. Fritsch

Lassen Sie mich Ihnen, hochgeehrter Herr und Freund, aussprechen, daß heute drei Menschen in der dritten Etage von Potsdamerstraße 134. c. Ihrer in Anhänglichkeit und herzlicher Theilnahme gedenken. Ich bin für Einsamkeit, aber es giebt doch Tage, wo sie schwer auf einem lastet. Mit besten Wünschen für ein neues Leben im neuen Jahr, Ihr

Th. Fontane.

Berlin 24. Dezb. 97.


Theodor Fontane an K. E. O. Fritsch

Hochgeehrter Herr u. Freund.
Ich hatte vor, mich heute Abend (bei Geh. R. Eggert) wegen meiner Schlafsucht bei Ihnen zu entschuldigen; da ich aber nicht sicher bin, Sie dort zu treffen, so ist es doch besser, ich thu es in ein paar Zeilen. Rasch in Rock und Hose fahren, war nie meine Force, immer langsam voran; und nun gar jetzt ist mir der letzte Rest von Flinkheit abhanden gekommen. Wie beneide ich Mommsen, der noch mit 80 auf Leitern klettert und Inschriften liest. Auf das Letztre wollt' ich verzichten, aber das Klettern!

In der Hoffnung Sie heute doch noch zu sehn, in vorzüglicher Ergebenheit

Th. Fontane

Berlin 12. Januar 98.


Theodor Fontane an K. E. O. Fritsch
Berlin 5. Febr. 98.
Potsdamerstraße 134. c.

Theuerster Fritsch.
Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, daß ich so gar kein Lebenszeichen gebe und es der Tochter überlasse (vielleich[t] versagt auch die) Ihnen von Rostock aus zu erzählen, wie's Potsdamer 134 c. eigentlich aussieht. Mit der Frau geht es leidlich, was Sie draus entnehmen wollen, daß sie heute bei Brahm Brahm's Geburtstag, - der sich ein halbes Dutzend Strohwittwen und einige Strohwittwer zu diesem Zwecke eingeladen hat, - mitfeiern hilft; mit mir aber steht es nach wie vor schlecht, wobei Husten und Asthma bloße Nebengrößen sind. Eigentlich ist eine totale Pleite da, so groß, daß ich nicht einmal einen Leitartikel lesen kann. Bedauern Sie mich und wenn es Ihre Zeit zuläßt, kucken Sie freundlichst mal vor. Meine Frau kann ja das Sprechen an meiner Statt übernehmen.
  In herzlicher Ergebenheit Ihr

Th. Fontane

Von Martha hören wir wenig; ihre Briefe, wie in der Ordnung, haben ein andres Ziel.


Theodor Fontane an K. E. O. Fritsch

Weißer Hirsch b. Dresden.
15. Juni 98.

Theuerster Fritsch.
Für welchen Ort ich mich auf der Adresse auch entscheiden mag, es bleibt eine Kofferbeschwer und vielleicht sogar ein Ueberfrachtsgegenstand. So führt sich das Buch denn ziemlich bedrohlich bei Ihnen ein. Aber Sie werden es seinen Verfasser nicht entgelten lassen.

Es geht uns nach wie vor gut hier und zu herzlichster Freude hören wir auch durch die Tochter von Ihrem rasch zunehmenden Wohlbefinden. Immer wieder die Wahrnehmung: die gute Luft ist kein leerer Wahn und ein guter Balkon auch nicht, wobei ich nicht bloß an den unsrigen, sondern auch an den in der Elsholtzstraße denke, mit der Magnolie in Front.

Ergeh' es Ihnen weiter so gut und steigern sich's in Gastein bis zur Erkletterung irgend einer Martinswand, deren es dort ja wohl etliche geben wird. Schlimmstenfalls kann Sie ja Martha herunterholen. In herzlicher Ergebenheit

Th. Fontane.

Ich gratuliere zu dem hübschen Bertrich=Gedicht. Alles sehr kunstvoll abgerundet. Aber die volle Freude daran (womit ich unsre Damen nicht als „etwas zu ruhig“ denunciren will) hat immer nur „der vom Fach“, der weiß wie schwer das alles ist.



2. Zur Geburt der Tochter Martha

Am 22. März 1860 zeigte Theodor Fontane der „Ellora“ und Karl Zöllner die Geburt der Tochter Martha an. Die „Ellora“, 1852 aus dem literarischen Sonntagsverein „Tunnel über der Spree“ hervorgegangen, war eine kleine gesellige Gruppe von Literaten und ihren Ehefrauen. Ihr gehörten neben Theodor Fontane („Noel“) und seiner Frau Emilie u. a. auch Karl Zöllner („Chevalier“) und Friedrich Eggers („Friede“) an.

Brief und Glückwunschtelegramm befinden sich im Original in Privatbesitz und gehören zu den bislang unbekannten Dokumenten, die ich jüngst aufgespürt habe. Sie werden hier zum erstenmal veröffentlicht.


Theodor Fontane an die Ellora und Karl Zöllner

Die gestern Abend 10 Uhr erfolgte glückliche Entbindung seiner lieben Frau Emilie von einem gesunden Mädchen beehrt sich in Ellora ganz ergebenst anzuzeigen.

Berlin
d. 22. März 60.

Th. Fontane

 

Lieber Chevalier
Ich höre Friede schwärme in Mecklenburg irgendwo herum; sollte er indessen, was ich bezweifle, schon zurück sein, so bitte mach' ihm mit meinem besten Kratzfuß die obige, erfreuliche Mittheilung.

Dein Noel.
Brief-Faksimile
Die Ellora an die Fontanes
Brief-Faksimile  

Telegr. Depesche v. 22. März 1860.

   Victoria!
   Gloria!
Donner und Doria
   in Elloria!

 

Vivat die Kleene,
Die neue Fontaine!
Vivat die MUTTER,
Mehr Mutter als je!

 

Es jubeln die Tanten,
Es hüpfen die Elephanten,
Die bekannten Trabanten!

 

3. Martha Fontane und Paul Heyse

Theodor Fontane starb am 20. September 1898. Vier Tage zuvor hatte er noch die offizielle Verlobung seiner Tochter mit dem Architekten K. E. O. Fritsch gefeiert. Nach der Beerdigung des Dichters beantwortete Martha Fontane die Kondolenzschreiben, u. a. schrieb sie am 26. September 1898 auch an Paul Heyse, den langjährigen Freund der Familie. -

Der Brief, der im Original in der Bayerischen Staatsbibliothek München liegt, wird hier im Vorabdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages erstmalig veröffentlicht. Er erscheint im Herbst im Band „Theodor Fontane und Martha Fontane. Ein Familienbriefnetz“. Herausgegeben von Regina Dieterle. ca. 700 Seiten, ca. 30 Abbildungen. Berlin - New York: Walter de Gruyter 2001. Ca. DM 128,-


Martha Fontane an Paul Heyse

Berlin 26 Sept. 1898
9 Uhr.
Hochverehrter Herr und Freund
Innigen Dank für Ihre Zeilen aus dem schönen Labers, die soeben eintrafen. Alles, was Sie uns angethan war zur rechten Stunde da und hat den richtigen Ort gefunden ganz besonders in unserm Herzen. Noch leben wir in Hetze u. Unruhe, da wir im Sinne des höflichsten aller Menschen handeln wollen, aber ich schiebe das Tagesprogramm beiseite, um mir erst den Genuß zu machen, Ihnen noch ein paar Worte zu sagen.

Was die Zeitungen brachten ist leidlich richtig, aber wer außer mir weiß wie unbeschreiblich dankenswerth der Tod an unsern lieben Entschlafenen herangetreten ist. Um 9 Uhr fand ich ihn über seinem Bette liegend und 3 Minuten vorher hatte er mir anläßlich eines Artikels in der Rundschau auseinandergesetzt, dab durch Spinoza und Kant die Philosophie auf falschen Füben stehe. Er war heiter und ohne jede Vorahnung seines Endes. Nur über zunehmende Müdigkeit klagte er und seine 34 Pulsschläge waren seine letzte Lieblingswendung geworden. Wir Nächsten, aber auch nur wir, fanden Papa verändert u. nur die Plötzlichkeit durfte uns überraschen. Wir Alle ohne Ausnahme sind nur dankerfüllt für das schönheitsvolle leidlose Ende und selbst meine arme Mutter hat kein bitteres Schmerzgefühl und keine laute Trauer. Ich habe Papa stets einen leichten Tod gewünscht, ihn so zu wünschen hätte ich vermessen gefunden. Wie gern zitirte er Thorwaldsen's Tod u. nun ist ihm dieselbe Gnade geworden. Er wurde an George's Todestag unter einem schönen großen Baum auf einem kleinen traulichen Colonie-Kirchhof gebettet und viel ehrliche zärtliche Liebe stand an seinem Grabe. So sanft unser Schmerz so unendlich ist er auch, wir müssen uns mit dem stündlichen Vermissen einleben.

Wie es mit unsern sog: Verhältnissen aussieht nach denen Sie in eingeweihter treuer Freundschaft fragen kann ich heute noch nicht übersehen. Mama hat ja nicht unerhebliche Einnahmen von den neuesten Arbeiten zu erwarten, aber das sind unsichere Extras und ihr kleiner Wittwenhaushalt muß doch auf festen Füßen stehen. Sie wird muthmaßlich mit Friedel zusammen ziehen, da ich, lieber verehrter Freund, wohl spätestens im Jan. in mein eigenes Haus gehe. Ich bin seit Kurzem verlobt und habe noch die unendliche Freude gehabt, Papa einen von ihm geschätzten Sohn zu bringen; einen Mann, der weiß, was Papa war u. der mir helfen will und soll zu lernen noch einer anderen Generation anzugehören. Es ist der Herausgeber der Deutschen Bau-Zeitung, Architekt Fritsch, für die Welt ein sehr angesehener, wohlhabender Mann für mich ein spätes, ernstes Lebensglück. Ich muß nun umlernen und meine wundervolle Tochterschaft ist vorbei.

Unser Theo kommt z. 1 Dez. als Intendant nach Cassel. Friedel, der nach kurzer Ehe geschieden ist, ist ein sehr lieber Haussohn u. für das äußerliche Leben mit Mama der geeignetste von uns; innerlich freilich werde ich in ihrem Herzen der leeren Stelle am nächsten stehen.

Ich schreibe in Hast auf meiner Sophalehne, das werden Sie merken; hoffentlich auch alle nähernde Liebe und Dankbarkeit die ich für Sie empfinde.

Ihrer lieben verehrten Frau schönste Grüße von

Ihrer alten
M. Fontane.


Paul Heyse an Martha Fontane

Bereits drei Tage später antwortete Paul Heyse. Der Brief an Martha Fontane vom 29. September 1898, der sich im Original in Privatbesitz befindet, wird hier im Vorabdruck erstmals veröffentlicht. Er erscheint in „Theodor Fontane und Martha Fontane. Ein Familienbriefnetz“ (s. o.).

Nichts Froheres konnte mir aus Ihrem Trauerhause kommen, liebe Martha, als die Nachricht von Ihrer Verlobung und daß Ihr Vater sich noch Ihres Glückes gefreut hat. Grüßen Sie mir Ihren Herrn Bräutigam und gratuliren Sie ihm, daß er eben so viel Glück als Verstand gehabt hat, wie nöthig war Ihr Herz zu gewinnen. Ich habe Sie immer als die richtige Tochter dieses selten begabten und liebenswürdigen Vaters verehrt und wie oft Ihrem Vater meine Liebe zu Ihnen erklärt! Nun hoffe ich mich noch einmal am Anblick Ihres häuslichen Glückes zu weiden und die Freundschaft, die mich so lange - nun 50 Jahre! - mit Ihren theuren Eltern verband, auf die zweite und dritte Generation zu übertragen. Ihrer lieben Mutter herzlichsten Gruß und Ihnen auch von meiner Frau einen warmen Glückwunsch. Treulichst Ihr

Paul Heyse

Labers b. Meran 29. IX. 98

Die privaten Besitzer der unter 1 bis 3 aufgeführten Briefe haben mir großzügigerweise die Erlaubnis erteilt, die neu entdeckten Materialien zu veröffentlichen. Einzelne Briefe, Dokumente und Fotografien erscheinen bereits in dem oben erwähnten Band „Ein Familienbriefnetz“. Darüber hinaus ist eine eigenständige Publikation geplant.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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