Eine Rezension von Eberhard Fromm

Was sage ich zum letzten Geleit?

Horst Pehnert (Hrsg.): Trauer ist ja die Fortsetzung der Liebe
Abschiede und Erinnerungen.
Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2001, 207 S.

Die Idee ist nicht neu. In vergangenen Jahrhunderten wurden regelmäßig teilweise recht umfängliche Bände mit Sammlungen von Nekrologen veröffentlicht, die heute wichtige Quellen darstellen, wenn wir uns biographisch mit Persönlichkeiten der Vergangenheit beschäftigen.

Was Horst Pehnert (geb. 1932) hier vorlegt, ist also nur insofern neu, als diese Tradition, Nachrufe, Gedenk- und Trauerreden als Bücher erscheinen zu lassen, eingeschlafen war. Warum eigentlich, fragt man sich, wenn man diese Sammlung gelesen hat. Sie enthält Würdigungen von 29 Persönlichkeiten, vorwiegend aus dem kulturellen Leben; es sind Reden, die aus Anlaß des Todes der jeweiligen Persönlichkeit gehalten wurden. Und sie haben alle ihre Unmittelbarkeit behalten, denn keine dieser Reden wurde für die Veröffentlichung bearbeitet.

Der Personenkreis, um den es hier geht, ist bunt gemischt. Da findet man Petra Kelly neben Hermann Axen, Hans-Joachim Hoffmann neben Ulrich Schamoni, Gerhard Rieger neben Rudolf Bahro. Die Mehrzahl kommt jedoch aus dem Bereich der Literatur und des Theaters. Schriftsteller wie Heinrich Böll und Anna Seghers, Dichter und Dramatiker wie Stephan Hermlin und Heiner Müller, Schauspieler wie Ernst Busch und Rolf Ludwig, Regisseure wie Ruth Berghaus und Heiner Carow stehen hier neben- und nacheinander, eingeordnet allein nach ihrem Sterbedatum, so daß Johannes Bobrowski, gestorben am 2. September 1965, den Band eröffnet und der wohl nur wenigen bekannte Max Bair, gestorben am 25. Juli 2000, den Band beschließt.

Von Interesse sind natürlich auch jene Personen, die die schwere Aufgabe übernommen hatten, am Grab oder auf der Trauerfeier eines Freundes zu reden. Auch hier finden sich viele bekannte Namen, von Günter Wallraff bis Stephan Hermlin, von Gregor Gysi bis Klaus Höpcke, von Konrad Wolf bis Karl Gass, von Eberhard Esche bis Angelica Domröse - der einzigen Frau in diesem Kreis.

Die Reden sind so unterschiedlich wie die Menschen, für die sie gehalten wurden, und wie jene, von denen sie gesprochen wurden. Da steht der ganz subjektive, fast private Abschied neben der umfänglichen Würdigung; da stehen persönliche Erinnerungen neben abgewogenen Abschiedsworten.

Da die Mehrzahl der Reden (22) in den neunziger Jahren gehalten wurden, ist es nicht verwunderlich, daß immer wieder das Thema der DDR-Vergangenheit eine Rolle spielt, nicht nur in André Bries Abschied von dem früheren Politbüromitglied Hermann Axen oder den Trauerreden von Gregor Gysi und Helmut Ridder für den Bundestagsabgeordneten Gerhard Rieger, der den Freitod wählte. Auch in den Reden zu dem Dokumentaristen Gerhard Scheumann oder der Schriftstellerin Ruth Werner sowie in vielen anderen sind solche Bezüge verständlicherweise dominant.

Dagegen sind in den meisten dieser Trauerreden die biographischen Fakten beinahe vernachlässigt. Manchmal hätte man sich anstatt der Selbstdarstellung des Redners mehr Darstellung des realen Lebens der betrauerten Persönlichkeit gewünscht. Doch man darf eben nicht übersehen, daß alle diese Texte zu einem ganz bestimmten, einmaligen und sehr individuellen Anlaß vor einem ganz bestimmten, mit dem Verstorbenen eng verbundenen Kreis gesprochen worden sind. Sie sind eigentlich nicht zum Lesen gedacht und schon gar nicht zum Nacheinanderlesen in einem Buch. Liest man das Buch als Ganzes, verwandeln sich diese so individuellen Reden in einen Text mit vielen Wiederholungen. Dem Leser sei deshalb empfohlen, sich immer nur der einen oder anderen interessierenden Rede zuzuwenden, um ein wenig von jener Atmosphäre zu erfühlen, in der diese Worte gesprochen worden sind.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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