Eine Rezension von Bernd Heimberger

Verliebter Vermittler

Gerard Malanga: Screen Tests. Portraits. Nudes 1964-1996
Gerhard Steidl Verlag, Göttingen 2000, 199 S.

Die Fotografien eines Fotografen sehen, heißt auch den Fotografen zu sehen. Manchmal ist das leichter, manchmal schwieriger. Gerard Malanga, der New York für die Hauptstadt der Welt hält, macht es den Betrachtern seiner Bilder nicht allzu schwer, Gerard Malanga zu entdecken. In dem vierteiligen Band, der mit Arbeiten des Fotokünstlers aus drei Jahrzehnten ausgestattet ist, sind zwei Aufnahmen, die, beredt genug, einiges über den Bildautor sagen. Gemeinsam mit dem Vater ist der Fotograf im Rahmen eines Spiegels zu sehen. Abgeschlossen wird der Hauptteil des Bandes - „Portraits“ - mit einem Bildnis des aufgebahrten Vaters. Malanga ist es wichtig, wesentliche Beziehungen in seinen Bildern zu zeigen. Aufmerksamkeit und Achtung gibt der Porträtist ebenso zu erkennen wie Verehrung und Verliebtheit. Aufgenommen wurde in die Galerie der Porträts auch eine Aufnahme, die der Fotograf Malanga von dem Fotografen Mapplethorpe machte. Ein verliebt-prüfend blickender Fotograf hat einen prüfend-verliebt blickenden Fotografen abgelichtet. In den Fotografien von Malanga, der Andy Warhols Assistent war und Mitbegründer der „Factory“, ist jene kritische Sinnlichkeit, die der Warhol-„Gemeinschaft“ so förderlich war. Nicht selten ist das scheinbar Zufällige bedachtes Arrangement gewesen. Das gilt für die Mitte der Sechziger mit Warhol entwickelten filmischen Porträts - „Screen Tests“ ebenso wie für die Einzelaufnahmen. Die besten Moment-Aufnahmen Malangas sind beste Charakter-Studien. Ein schönes Beispiel dafür, inwieweit eine Aufnahme eine Analyse des Porträtierten ist, ist ein Bild des jungenhaft wirkenden Mick Jagger, um dessen Augen die markierenden Falten des Älterwerdens sind. Ein weiteres Beispiel ist ein Aktfoto des männlichen-unmännlichen Körpers Iggy Pop. Mit einem flüchtigen Blick sind die Licht-Bilder des Gerard Malanga nicht zu erfassen. Nicht das Foto eines Duke Ellington oder John Cage, eines Salvatore Dali oder Jasper Johns sowie der Barden von Borges, Bukowski, Burroughs bis Ginsberg. Der Fotograf drängt sich den Fotografierten nicht auf. Mit gutem Grund nähert er sich aus dem Abstand. Abstand wie Annäherung sind gleichermaßen bestimmend für die Aufnahmen von Gerard Malanga und machen seine Menschen-Moment-Bilder so menschlich. Nie ist der Fotograf menschlicher als im Porträtieren von Menschen. Der Fotograf ist ein Vermittler, der Menschen Menschen vorstellt. Auch das ist eine Kunst, die nicht viele können. Gerard Malanga hat die Form des Fotos gefunden, um seine Kunstfertigkeit als Vermittler unter Beweis zu stellen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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