Eine Rezension von Bernd Heimberger

Beliebte Beliebigkeit

Volker Ludewig: Nur nicht aus Liebe weinen
Ullstein-Taschenbuch-Verlag, München 2000, 186 S.

Wer weiß, was das wirklich ist? Nämlich: feministische Literatur. Oder gar lesbische Literatur. Von der ist seltener die Rede als von feministischer. Spricht je jemand von Machismo-Literatur? Häufiger ist schwule Literatur im Schwange. Und das ist? Literatur schwuler Geschichten? Literatur schwuler Autoren? Für einen Gattungsbegriff ist das garantiert zuwenig. Und wer, verdammt, redet von schwuler Musik? Kaum einer käme auf den Gedanken, an die Musik von Tschaikowski bis Henze zu denken. Eher sind Diseusen im Sinn. Marlene und Zarah, Knef und Madonna. Zum Beispiel. Der Begriff ist noch schwammiger als schwule Literatur. Weil das so ist, greift man voller Wißbegierde nach einem Buch mit dem Titel Nur nicht aus Liebe weinen. Soviel Musik in dem Verfasser Volker Ludewig auch steckt, so reichlich er die Seiten mit Song-Zitaten füllt, ein Aufklärungsbuch zum Thema schwule Musik ist nicht auf dem Markt. Vielleicht kann Ludewig das nachholen, wenn er die von ihm vergötterte Madonna in die kritisch-analytische Mangel nimmt, die - O-Ton Ludewig - „für jede Lebenssituation das passende Lied gesungen hat“. Also zitiert der Autor Madonna, was das Zeug hält, um seine Reden über „Frust und Freude schwuler Beziehungen“ loszuwerden und zu stützen. Der Autor, der jung genug ist, um nicht die abgekehrten Abgeklärten vorzutäuschen, hat sich freigeschrieben vom Bruch einer Beziehung. Der Selbsttherapeut gibt gern den Gebildeten. Er ist auf Bildung aus und darauf, Bildung zu bilden. Geistige, ethische, moralische Bildung. Eine ernste Sache! Da verliert der Humor des Autors meist den Sprint gegen seine pädagogischen Ambitionen. Was also mit dem Beziehungsbuch der „vergleichenden Beziehungswissenschaft“ anfangen? Anfängern schwuler Beziehungen wird die Abstand haltende Haltung des Autors allzu aufgesetzt erscheinen. Lebenserfahrene, die schon einige Male aus Liebe geheult haben, werden das Bekannt-Beliebige überschlagen und schnell durch das Buch sein. Schade, denn so beliebig, banal, humorlos ist es nicht. Über den Geist des Buches ist alles gesagt, wenn darauf verwiesen wird, daß der Verfasser fast einen Orgasmus bekommt, als er über „komplementäre Schismogenese“ (Einklagen einer Erwartungshaltung) referiert und die Lektion mit dem Satz beschließt: „Ich liebe dieses Wort in all seiner lautmalerischen Pracht!“ Nehmen wir das Buch als einen Beitrag zur schwulen Beziehungstheorie. Womit wir einen Schritt weiter wären im Fragenstellen. Weshalb Meinungsverschiedenheit eine Gefahr ist, sollte Volker Ludewig in einem anderen Buch erklären, in dem Gedachtes weitergedacht wird.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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