Eine Rezension von Bernd Heimberger

Bitte ein bißchen Bi

Marjorie Garber: Die Vielfalt des Begehrens
Bisexualität von der Antike bis heute.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 2000, 720 S.

Ein Mensch ist glücklich mit sich und seinem Leben, wenn er ein sexuell glücklicher Mensch ist. Das Wesen des Menschen ist nicht, nur produktiv zu sein. Das Wesen des Naturwesens Mensch ist, sexuell zu sein. Uneingeschränkt sexuell. Die Multisexualität des Menschen zu respektieren hieße, die traditionellen Raster Hetero-, Homo-, Bi-, Autosexualität beiseite zu legen, die mit Respekt für Sexualität wenig zu tun haben. Ins Schema der Ordnungen scheint Marjorie Garbers Buch Die Vielfalt des Begehrens zu passen, das sich mit „Bisexualität von Sappho bis Madonna“ beschäftigt. Fundamentalistischen Lesben wird die Zuordnung der Sappho ebenso gegen den Strich gehen wie die Gleichsetzung mit Madonna. Madonna, möchte man meinen, ist wirklich weiter, also multisexuell. Dem Buch der Amerikanerin zu unterstellen, es sei da, um „die Grenze der eigenen ‚sexuellen Identität‘ auszuloten“, heißt, es um seinen eigenen, eigentlichen Wert zu bringen. Dem im Untertitel betonten Thema „Bisexualität von der Antike bis heute“ zum Trotz, tendiert Garbers Publikation in manchen Teilen zur Thematik Multisexualität. Ungeachtet der Tatsache, daß das strikt konzipierte Buch eine an Beispielen reiche Darstellung der Bi-wege, Bi-ologie, Bi-Gesetze wie des Bi-Sex ist. Im Kapitel „Das Unbehagen in der Androgynie“ widersteht die Wissenschaftlerin der vulgären Gleichsetzung von androgyn (zweigeschlechtlich) und bisexuell. Bisexualität ist ihr mehr als sexueller Rollentausch oder das erklärte Mannfrausein in einer Person, was Verfechtern der Androgynie die Krone des menschlichen geistig-geschlechtlichen Status scheint. Garber hält nichts von Verwischungen oder Vereinheitlichungen, die die tatsächliche Vielfalt ignorieren. Trennlinien zu ziehen ist für die Autorin die Voraussetzung, Trennlinien zu überschreiten. Bisexualität ist für sie ein Ausdruck der menschlichen Natur, die keine gesellschaftliche Grenze reglementieren kann. Bisexualität ist keine Mode. Marjorie Garber zeigt die Konturen der Bisexualität, die klarer werden, desto deutlicher wird, wie antastbar sie sind, wieviel Davor, Dahinter, Drunter und Drüber es gibt und wie wenig Klischee. Warum das alles? Weil wir „die Rolle der bisexuellen Gefühle in unserem Leben unterschätzen“. Gescheit gesagt! Gescheiter wär's, weniger zu unterschätzen!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite