Eine Rezension von Bernd Heimberger

Henry's History

Henry Ries: Ich war ein Berliner. Erinnerungen eines New Yorker Fotojournalisten.
Parthas Verlag, Berlin 2001, 220 S.

Der eine war Amerikaner, war Präsident und erklärte: „Ich bin ein Berliner“. Der andere ist New Yorker, ist ein Weltfotograf und sagt: „Ich bin ein Berliner“. Mit 21 Jahren verließ der 1917 geborene Heinz Ries Berlin und Deutschland. Das ist eine der bewegten, bewegenden Geschichten des Fotojournalisten Henry Ries, der zögernd seine Erinnerungen in einem Ries’schen Buch zusammenfaßte. Auch einige wesentliche Fotos begleiten die Erinnerungs-Texte. Ries hat die Szene aufgenommen, die Berliner Kinder auf einem Trümmerberg zeigt, der von einem „Rosinenbomber“ überflogen wird. Ein Jahrhundertfoto! Henry Ries ist kein Autor und versucht auch nicht, einer zu sein. Sein Leben betrachtet er, wie er mit der Kamera die Welt sieht. Ausgewählt wurden Ausschnitte aus der Wirklichkeit. Persönlichste Erinnerungen, die einzelnen Ereignissen, Anlässen, Augenblicken, Menschen gelten, entwickeln Text für Text eine Fotoserie, die eine Linie fügen. Die Linie ist das Leben des New Yorker Fotografen. Die Linie des Presse-Bild-Reporters der ‚New York Times‘ - wie des namhaften Werbefotografen. Was Ries über Kindheit, Jugend, Auswanderung, Arbeit äußert, ist meist unvergleichbar Privat-Persönliches. Das macht die Texte zur Lebensgeschichte, zu tatsächlich interessanten Dokumenten der Zeitgeschichte. Je eindeutiger allgemeine Weltgeschichte und Berufliches in den Vordergrund tritt, desto beliebiger werden die Auskünfte des Fotografen, der, eitel genug, gern den kompetenten Mann gibt. Zeit-Bilder mit Henry Ries im Mittelpunkt sind Bilder zu einer deutsch-jüdischen Emigranten-Generation. In den meisten Bildern ist nichts Überraschendes. Es überrascht auch nicht, daß der Mann, der von sich sagt: Ich war ein Berliner, immer mit Berlin lebte. Viele Erinnerungen, viele Fotos sind Erinnerungen an Berlin, sind Berlin-Fotos. Berlin bleibt einer der bestimmenden, wenn nicht d e r bestimmendste Lebensort des Heinz (Henry) Ries. Es ist der Ort, an dem der Reichsführer am 29. April 1945 sein politisches Testament verfaßte, das Monate später von dem Berliner Juden Henry Ries ins Englische übersetzt wurde. „Wenn das der Führer wüßte!“ war eine bestehende Redensart im Dritten Reich. Das Leben ist nicht immer gerecht! Henry Ries ist bemüht, das Leben eines Gerechten zu führen, der nicht Richter, sondern Beobachter ist. In Bild wie Worten. Der Berliner bleibt Berliner. Egal, was er sonst noch ist und wo!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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