Eine Rezension von Bernd Heimberger

Aufgebautes im Abbruch

Rainer Haubrich u.a.: Berlin. Der Architekturführer.
Hrsg.: Markus Sebastian Braun.
Econ Ullstein List Verlag, München 2001, 376 Seiten

Wäre der „Usbekische Bahnhof“ fertiggestellt worden, nie wäre er ein Bahnhof gewesen. Das Gebäude, das einige Straßen abriegelte und die Friedrichstraße 66-78 in Anspruch nahm, sollte die Friedrichstadt-Passage à la DDR werden. À la DDR wurde der massige Baukörper abgebrochen, der im jüngst aufgetauchten Berlin-Architekturführer - frei nach Berliner Schnauze - mit „Tuntenbrosche“ tituliert wird. Berlin-Ost sprach vom „Usbekischen Bahnhof“. Da wird was verwechselt. Da ist was ungenau. Wie die Behauptung, daß der Standort des „taz“-Hauses eine Konzession an den Leser-Stamm der Kreuzberger Hausbesetzer-Szene ist. Die wesentlichste Zeit der Westberliner Zeitung war die Zeit in der Weddinger Voltastraße. Sobald es um Historisch-Faktisches geht, gibt’s genug Ungenaues in dem Band, der auf Genaues aus ist. Und darauf, „bauliche Fehlgriffe“ vorzustellen. Siehe die erste Anlage der Friedrichstadt-Passage! Das wird ebensowenig eindeutig artikuliert wie das Bekenntnis zu der Aquariumarchitektur, die heute in drei Quartieren das Terrain an der Friedrichstraße besetzt hat.

Formen und Funktionen der in den Architekturführer aufgenommen Gebäude werden in der Darstellung hin und wieder derart miteinander verquickt, daß die Beschreibung nur noch bedingt der Architektur, dem Nutzer und der Nutzung entsprechend angemessen ist. Haben Informationen und Kritik in den Annotationen den Vorrang, rutscht mancher Text in den Abgrund der Fachsprache. Das macht den Architekturführer nicht zur geeignetsten Handlektüre für eilige Berlin-Besucher. Auch die Chancen, zum Standardwerk in den Handbibliotheken zu avancieren, stehen schlecht. Die Autoren sind nicht so frech, das ganze Berlin einen „baulichen Fehlgriff“ zu nennen. Soviel Unverschämtheit hätte dem Buch sicher eine Menge Leser beschert. Die Verfasser wollen „Lust auf die Architektur Berlin“ machen. Wem? Wirklich?


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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