Eine Rezension von Bernd Heimberger

Meisterprüfung im Malen?

Günter Grass: Mit Wasserfarben. Aquarelle.
Gerhard Steidl Verlag, Göttingen 2001, 206 Seiten

Die hohe Kunst der Kunst ist das Aquarell. Selten ist ein Aquarell große Kunst. Kaum einer, der da tuscht, ist ein Curt Querner. Das weiß einer besser als die meisten Aquarellisten, die besser nicht wissen wollen, wie schnell das Aquarell den Laien als Laien preisgibt. Der eine ist Günter Grass. Zögerlich, zunächst, im Tun, hat er nun einiges zu zeigen, was er Mit Wasserfarben aufs Papier bekam. Nach Fundsachen für Nichtleser, dem „Jahrhundertbuch“, gibt’s nun Gesammeltes. Aquarelle pur. Mit dabei ist Frühreif-Versuchtes, vor allem aber Vielseitig-Riskiertes aus der zweiten Hälfte der neunziger Jahre. Der gern gesehene Zeichner und Graphiker hat seinen malerischen Etüden den demonstrativen Titel Mit Wasserfarben gegeben. So als wollte er sagen: Ich koche auch nur mit Wasser! Grass, der erfahren genug ist im Kunstmachen, ist zudem viel zu talentiert, um sich als Aquarellist ins Abseits zu stellen, wo sich die Laien tummeln. Seine Aquarelle haben das Gewicht der Leichtigkeit. Auch, wenn hin und wieder Gewichtigkeit die Leichtigkeit unterliegen läßt. Grass beschäftigen nicht nur die beliebten wie beliebigen Sujets Stilleben und Landschaften. Als Maler von Stilleben und Landschaften liefert der Aquarellist eher Abbilder, denn Bilder. Bilder macht er am ehesten möglich, sobald er Interpret ist. Zum Beispiel als der des Menschen, der ihm als Gruppenwesen „ein weites Feld“ ist. Malt er Pilze, können diese verführerischen Tänzerinnen ähneln oder Phallistisch-Dämonischem. „Ein Wurf Kirschen“, eine sinnliche wie sinnbildhafte Darstellung, läßt an den Ursprung an sich denken. An die Vereinigung von Ei und Samenzelle. Für Günter Grass vielleicht auch eine Metapher, für die sein Wunsch ist, möge Buch und Bild einmal das befruchtende Spiel gelingen. Mit Wasserfarben ist „bloß“ Bild. Ist ein Bilder-Buch der Aquarelle eines bildlich Denkenden, der sicher nicht denkt, daß er mit dem Band die Meisterprüfung im Malerischen gemacht hat. Allemal erfreuliche Alterswerke, diese Aquarelle!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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