Eine Rezension von Bernd Heimberger

Lauter Liebesgeschichten

Hans Stempel & Martin Ripkens: Das Glück ist kein Haustier
Eine Lebensreise.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2001, 256 S.

Sicher sind sie nicht das älteste schwule Paar Deutschlands. Vermutlich sind sie nicht mal das am längsten liierte schwule Paar in Deutschland, obwohl ihre Liaison schon im 44sten Jahr ist. Mit Sicherheit sind sie nun das bekannteste schwule Paar im ganzen Lande: Hans Stempel und Martin Ripkens. Sie tingeln nicht von TV-Talk-Show zu TV-Talk-Show, doch sie meiden die Schwatzstuben nicht. Viel lieber lassen sich die beiden jedoch in Buchhandlungen und Bibliotheken sehen, um ihr jüngstes Buch vorzustellen. Ihr ursprünglichstes, ureigenstes, umfangreichstes Buch, das mit dem glücklich gewinnenden Titel Das Glück ist kein Haustier derzeit schnell seine Kreise zieht. Was das Autorengespann in die Öffentlichkeit gegeben hat, ist die Stempel-Ripkens-Autobiographie. Schon vom Formalen her ein Unikat. Die Autobiographie zweier Personen, d. h. zweier Köpfe und Körper, die nicht nur deshalb etwas Einzigartiges wurde, weil die Verfasser Gemeinsames ebenso dezent herausstreichen, wie sie Trennendes nicht ausstreichen.

Ältere Paare, heißt es, werden sich im Äußeren immer ähnlicher. Sind sich Stempel und Ripkens im Laufe der Arbeitsgemeinschaft im Schreiben immer ähnlicher geworden? Die abwechselnd verfaßten Kapitel des Buches haben den zwillingshaften Sinn fürs Harmonische. Stempel-Ripkens vermeiden es, die geschilderten Szenen ihres Lebens zu politischen Streitschriften zu machen. Was nicht bedeutet, die mehr oder minder kategorische linke Position zu verleugnen. Die Texte verweigern sich politischer Propaganda. Stempel-Ripkens protzen nicht mit Bildung und Berühmtheiten. Immer wieder zitieren sie „große Sätze“ der Literatur, weil es bestimmende Sätze waren, Sätze auch, die der eine oder andere gern geschrieben hätte und nicht hätte schreiben können. Sich auch auf diese Weise zu bekennen, steigert garantiert die Sympathie sämtlicher Leser für die bekennenden Schreiber.

Veröffentlicht sind die ausgewählten autobiographischen Lebensszenen von Stempel-Ripkens nichts Privates mehr. Dennoch bleibt dem Buch die Privatheit, die unantastbar ist. Die erzählerische Art, die beide Autoren nutzen, um sich und den Lesern etwas mitzuteilen, macht aus dem nicht in der Öffentlichkeit Gelebten auch durch die Veröffentlichung kein öffentliches Leben.

Beruflich waren Stempel und Ripkens im öffentlichen Leben zu Hause. Als Filmeinkäufer für Leo Kirch, als Filmemacher, als Filmkritiker, als Kinderbuchautoren ... So wie sie nicht im Verborgenen arbeiten, so haben sie auch ihre Beziehung nie verborgen. Mit Lust haben sie getan, was sie bislang getan haben. Die Lust am Schreiben ist auch der monologisch-dialogischen Autobiographie anzumerken.

Hans Stempels und Martin Ripkens Buch Das Glück ist kein Haustier ist ein Buch voller lauter Liebesgeschichten. Geschichten der Liebe des Hans zum Martin, des Martin zum Hans. Geschichten der Liebe zu Film, Büchern, Reisen. In der Summe: ein selbstbefriedetes Leben, das was mit der Menschenliebe, der Weltliebe zu tun hat? Kann die Liebe zu den Menschen und der Welt gelingen, wenn sie mißlingt in der Liebe zu einem Menschen in einem Raum? Das bedacht und beantwortet, kann die private Liebe, das private Leben von Stempel und Ripkens nicht nur als Privates gesehen werden. „Nie hatten wir aus unserem Schwulsein einen Hehl gemacht, es aber auch nie als Banner vor uns hergetragen“, schreibt Hans Stempel. Konsequenterweise ist auch Das Glück ist kein Haustier kein Banner bewegter Schwuler oder der Schwulenbewegung geworden. Das Buch erzählt beispielhaft das Beispiel einer schwulen Lebensreise, die neun von zehn Schwulen sofort buchen würden, wenn ... Die Reise – lassen Hans Stempel und Martin Ripkens wissen – erarbeiten sich Mann und Mann im Laufe eines Lebens.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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