Eine Rezension von Bernd Heimberger

Oh, Jackie O.!

Donald Spoto: Jackie O.
Das Leben der Jacqueline Bouvier Kennedy Onassis.
Europa Verlag, Hamburg/Wien 2000, 415 S.

Was haben wir nicht alles über Jack & Jackie zu lesen bekommen! Der Stoff, den das amerikanische Präsidenten-Königs-Paar Kennedy lieferte, reicht für zehn Paare. Was über Jackie in die Lettern kam, reicht für zwanzig Lebensläufe.

Wem und was da noch glauben? Donald Spoto glauben, der sich mit Biographien zu Kino-Koryphäen berühmt machte? Spoto hat die Geschichte der Jackie O. geschrieben. Spoto-geschmeidig, wie auch sonst, möglichst den simplen Boulevardstil vermeidend. Die Spoto-Prosa ist die Prosa eines theologischen Predigers, der Erbauliches im Sinn hat, obwohl „Das Leben der Jacqueline Bouvier Kennedy Onassis“ zumeist so erbaulich nicht gewesen ist.

Die Lebensgeschichte, die Spoto verfaßte, ist eine Erbauungsgeschichte. Die Biographie ist Beispiel für den Sinn des Lebens geworden durch die Darstellung des sinnvoll gelebten Lebens der Jackie O.; Tochter eines Frauenverschlingers, Witwe eines Frauenschwarms (Kennedy), Frau eines Frauenverehrers (Onassis), war Jacqueline der schmückende Orden auf der Brust eitler, eigennütziger, eigenwilliger Männer. Wer Spoto genau liest, also einiges herauslistet, wird begreifen, daß Jackies eigenständiges Leben nach dem Ableben ihrer berühmten Männer begann. Knapp zwei Jahrzehnte blieben Jacqueline Bouvier, um die zu sein, die sie ihrem Wesen nach war. Eine Frau mit Idealen und ausgeprägter Neigung zum Romantisch-Mythologischen sowie einer ausgeprägten Kunstsinnigkeit, was Spoto nicht oft genug beteuern kann. Eine Frau, die in der Berufstätigkeit ihre größte Freiheit erreichte. Eine Frau, die sich über das Geistige und nicht das Geld definierte, wie das in ihrer Gesellschaft üblich ist.

Spoto spielt nicht den Zeit- und Gesellschaftskritiker. Er nutzt die Rolle der Jackie O. in der Gesellschaft nicht, um Gegensätze der Gesellschaft deutlich zu machen. Häufig verkürzt der Verfasser Zeit- und Gesellschaftsgeschehen zugunsten des Privatpersönlichen. An der Familie Bouvier ist der Zweite Weltkrieg – gottlob! – offenbar spurlos vorübergegangen. Nichts gegen das Banale, doch dem Banalen Bedeutung zu geben, wenn was nur banal ist, heißt nichts von der Bedeutung des Banalen zu wissen. Unbedeutendes bekommt in der Biographie zuviel Bedeutung. Belangvolles, was den Menschen Jacqueline ausmachte und bestimmte, wird kleingeredet. Spricht der Theologe Spoto über die Sexualität der jungen Frau, äußert er sich mit dem Mut eines katholischen Pfarrers der fünfziger Jahre, der es für gewagt hält, das Wort Sexualität auszusprechen.

Der Verfasser verbeugt sich mit seiner Biographie vor der Biographie der Jacqueline Bouvier. Um es im Stil von Spoto zu sagen: Manierlich gemacht! Allen Lesern zum Wohlgefallen. Historiker ausgenommen. Urteile des Autors widersprechen sich. Verallgemeinerungen sind Stammtischsprüche. Damit kein Zweifel aufkommt, was den Biographen trieb, die Biographie der Jacqueline Bouvier Kennedy Onassis zu schreiben, im Folgenden das Fazit des Donald Spoto über die Frau: „In ihr lebte ein ganzes Universum von Erfahrungen – die Ansichten und Visionen einer Künstlerin, einer Schriftstellerin, einer Fotografin, einer Dichterin und einer Frau von erlesenem Geschmack und großer Sensibilität.“ Oh, Jackie O. !


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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