Eine Rezension von Bernd Heimberger

Chronik eines Choreographen

Uta Ackermann: Johann Kresnik und sein Choreographisches Theater
Henschel Verlag, Berlin 1999, 224 S.

Mancher Person ist es nicht peinlich, sich, dreißigjährig, mit Memoiren unter die Leute zu mischen. - Selbst schuld, wer auf solche Beutelschneiderei hereinfällt?! - Wirklich peinlich wird's, wenn die 30jährige Arbeit einer Persönlichkeit keine entsprechende Publikation bekommt. Den Fall haben wir im Fall des Johann (Hans) Kresnik. Von ihm wird gesagt, daß er „als Choreograph und Regisseur die nationale und vermehrt auch internationale Theaterszene entschieden mitgeprägt hat“. Und das seit über drei Jahrzehnten. Das denkmalsgerechte Urteil ist kaum mit einem Buch abgegolten. Ein Buch ist besser als nichts. Das Buch Johann Kresnik und sein Choreographisches Theater ist eine Biographie der Arbeit des Tänzers, Tanzmeisters, Regisseurs und Zeichners. Uta Ackermann, die Herausgeberin der Edition, hatte nicht den Ehrgeiz, mit eigenen Interpretationen zu Person und Profession zu glänzen. Geschickt arrangiert sie Stimmen, die Kresnik nicht nur ein beliebiges Würdigungsständchen singen. Freunde, Ballett-Kritiker, Tänzer, Schauspieler, Bühnenbildner, Komponisten, Dramaturgen, Intendanten reden von und über Kresnik. Auf einem Halbdutzend Seiten spricht K. über K. Wenn wir auch nicht alles über Kresnik erfahren, begreifbar wird, weshalb der politische Choreograph die Choreographie politisierte. Bereits als Knirps geriet der 1939 Geborene in die Ketten des Krieges, als er miterlebt, daß der ermordete Vater „gerächt“ wurde, indem zehn Bauern in nazistische Konzentrationslager verschleppt wurden. Resümee des Mannes: „Ich bin wirklich aufgewachsen wie im Mittelalter.“ Kindheits-Muster machte Kresnik zum Vor-Wurf für seine künstlerische Arbeit. Ursprüngen, Urlauten, also allem Ursprünglichen, Ursächlichen nachzuspüren wurde zu seiner Sache. Das bedeutete, schwierige, schwerste Arbeit, Theaterarbeit zu tun. Was Kresniks Mutter nie glauben konnte. Wem die Lobgesänge auf den Theaterarbeiter und sein Tun auf die Dauer zuviel werden, kann sich auf die Bilder des Buches konzentrieren. Sie sind keine beliebige Begleitung der Texte. Sorgfältig ausgewählt, fügen sie sich zu einer ergiebigen Bild-Biographie. Trotz der guten Anordnung machen die Bilder aus dem Buch kein großes Kunst-Buch. Dennoch ist die Bildchronik zum Choreographen die halbe Miete. Warum - in dem Buch - die gerühmten Choreographen-Kollegen schweigen? Der Rest ist nicht Schweigen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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